Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
11. Heft
DOI Artikel:
Biermann, Georg: Römische Ausstellungen, [2]: die Internationale Kunstausstellung in Valle Giulia
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0458

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
RÖMISCHE AUSSTELLUNGEN

ihn veranlaßt haben können, die Gaftfreundfchaft Serbiens, das ohne ihn auf diefer
Anstellung ein Nichts fein würde, zu fuchen. Mit Meftrovic aber ift der ferbifche
Pavillon der Clou der ganzen Kunftfchau. In diefer brutalen Naturkraft lebt ein künft-
lerifches Etwas, das unerhört ift. Früher nannte man ihn einen Schüler Meßners und
zweifellos gehen viele Momente in der Formbehandlung direkt auf den Meifter zurück.
Aber fo wie Meftrovic jeßt in Rom dafteht, erfcheint er doch durchaus unabhängig,
titanifch und bis zum Entfeßen oft brutal in dem ungehemmten Willensdrang rein
plaftifchen Geftaltens. Das große Reiterdenkmal feines magyarifchen Helden ift mehr
als ein neuer Colleoni. Es wirkt in der ftrengen Architektonik und diefer unendlich
großen plaftifchen Gebärde wie die in Stein gegrabene Verkörperung höchfter menfch-
licher Energie. Es ift der monumentalfte Ausdruck jenes leßten egoiftifchen Willens,
der felbft Kulturen zufammenfchmeißt, wenn die Völker nach Brot fchreien. Und nicht
genug damit. Auch in den Masken feiner Krieger, in den Porträtbüften und Aktftudien
begegnet immer wieder der durch keine Konvention verdorbene Inftinkt eines gefunden
Naturmenfchen, deffen höchftes Evangelium Kraft und wiederum Kraft ift. Ich glaube
zuverfichtlich, daß diefe römifche Ausftellung Meftrovic mit einem Schlage zu einem
Riefen der modernen Kunft machen wird und ich glaube noch vielmehr, daß er (neben
Rodin vielleicht) der Einzige ift, der der Zukunft neue, ungeahnte Möglichkeiten Vor-
behalten hat. Gegenüber diefem einen Eindruck hält auf dem Gebiete der Bildhauer-
kunft überhaupt nichts mehr Stand. Wie Epigonentum verfinkt all das in der Erinne-
rung, was an Gutem und Schlechtem fonft hier und dort in die Erfcheinung tritt. Der
Befuch des ferbifchen Pavillons rechtfertigt für fich fchon den Befuch diefer Ausftellung,
die naturgemäß auf Schritt und Tritt zu Vergleichen zwingt.

Der fpanifche und der ruffifche Pavillon werden — was ficher zu beklagen ift —
wohl erft fertig fein, wenn die Kunftfchau endgültig ihre Pforten fchließt. Dadurch
werden dem Befucher zwei Vergleichsmöglichkeiten vorenthalten, die man nach all den
Verfprechungen der leßten internationalen Kunftausftellungen nur ungern miffen mag
und für die das Volk des Oftens, Japan, nur einen ungenügenden Erfaß zu bieten hat.
Das Intereffante bleibt hier die Tatfache, daß die moderne japanifche Malerei über-
haupt da ift. Denn Gutes läßt fich von ihr kaum fagen. Man denke fich einen
Hokufai, der im Innerften immer Hokufai ift, ein Jahr oder zwei in der Schule des
modernen Frankreich und man begreift ohne weiteres, welch ein unglückfeliges Mixtum
compofitum von alter in Fleifch und Blut übergegangener Tradition und moderner
abendländifcher Ausdrucks- und Anfchauungsform diefe moderne japanifche Kunft fein
muß. Dem gegenüber will auch die virtuofe Könnerfchaft, die überall zu fpüren, nicht
viel befagen. Der Tag des Schickfals, an dem fich der Bildungsdrang der Japaner auch
künftlerifch nach Europa verirrte, war ein Unglückstag für die moderne japanifche
Kunft. Denn in dem Augenblick, wo fie die fo konträre Anfchauungswelt der Europäer
aufzunehmen Juchte, verlor fie alle Fäden der Entwicklung aus der Hand, um das
Irrlichtelieren vom Inftinkt der Raffe zum mondänen Gefchmack dafür einzutaufchen.

Zieht man aber aus diefem allgemeinen Überblick das eine Fazit, auf das es leßten
Endes ankommt, fo muß man fagen, daß diefer freie Wettftreit der Nationen in
Valle Giulia für den Gefamtwillen unferer Kultur fehr viel Reizvolles hat, daß im be-
fonderen die europäifchen Völker künftlerifch fo eng verfchwiftert erfcheinen, daß man
heute fchon mehr allgemein von einer europäifchen als einer nach Nationen gefonderten
Kunftübung fprechen darf. Auch die Schweiz, die einen kleinen Saal mit ihren beften
Repräfentanten (Hodler, Amiet, Buri, Oßwald ufw.) fehr gefchmackvoll gefüllt und nicht

424
 
Annotationen