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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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13. Heft
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Foerster, C. F.: Ein Meissner Dessertaufsatz für Maria Theresia
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0527

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EIN MEISSNER DESSERTÄUFSATZ FÜR

MARIÄ THERESIA Mit einer Abbildung / Von C. F. FOERSTER

Äus der Blütezeit der Meißner Manufaktur befi^en wir zwar vielerlei an Tafelzier-
. ftücken, von dem Blumenväschen und der Puttenfigur bis zum vielteiligen Haupt-
und Mittelftück — wie den Parnass mit Apollo und den Mufen und den großen
Tempelaufbau1 —, aber keinen vollftändigen Deffertauffat}, wie fie das 18. Jahrhundert
aus unzähligen Figuren, Trophäen, architektonifchen Teilen u. dgl. aufzubauen liebte.
Es mag daher von Intereffe fein, den fchriftlichen Entwurf zu einem derartigen „Deffert“
für die Kaiferin Maria Therefia kennen zu lernen, den ein von feiner Zeit in Kunft-
fragen als Orakel angefehener Mann, der Graf Algarotti2, mit einem beträchtlichen
Aufwand von allegorifchen, mythologifchen und literarifchen Kenntniffen angefertigt hat.

Er findet fich in der franzöfifchen Ausgabe der Werke Algarottis (Berlin 1772,
8 Bde., 8°), Band VI, S. 217ff. und lautet in der Überfettung:

„Sr. Exzellenz

dem Herrn Grafen Eftherhafi,

Gefandten I. M. der Königin
von Ungarn und Böhmen,

am Dresdner Hof. „ , ,

1 Dresden, d. 24. Dez. 1742.

Ich habe Ihnen ein gut Teil des heutigen Tages gewidmet; und ich wüßte nicht,
welchen Tag meines Lebens ich beffer verwenden könnte. Ich fchlage folgende Gegen-
ftände für die kleinen Statuen aus Porzellan vor, die den Deffertauffatt Ihrer erhabenen
Herrfcherin verzieren füllen. Diefe Figuren füllen ihre Stellungen, und, fozufagen, ihr
Leben aus der Gefchichte diefer Fürftin nehmen. Vier Flüffe, die Donau, der Po,
die Moldau und die Schelde, auf einen zur Hälfte mit Rafen bedeckten Grund ge-
lagert, und die Augen gen Himmel gewendet. Die einen fcheinen ihre Dankbarkeit
auszudrücken, die andern um Gnade zu flehen. Die Donau kann durch ein „Labarum“3
charakterifiert fein, und unten durch einen umgeftürzten Halbmond; der Po durch ein
Bündel Ähren und durch eine Trophäe; die Moldau durch das Bild Saturns, dem
Gott der Minen; die Schelde durch irgend einen Gegenftand der Kriegsbaukunft.

Eine Pallas, deren Antlitz den Zügen der Königin fo fehr als irgend möglich
gleichen foll, mit dem Medufenhaupt auf ihrem Schilde, und auf einem großen Adler
fixend. Diefer Adler foll den Blit$ in einem feiner Fänge halten; der eine feiner Flügel
foll ausgebreitet fein und einen Herkules in der Wiege decken, der die Schlangen er-
würgt. Unter welchem Sinnbilde die Medaille des gelehrten Herrn Bertoli den Erz-
herzog darftellt.

1 Beide im Kunftgewerbemufeum, Frankfurt a. M. Vgl. „Cicerone“ 1909, Heft 9, H. v. Trenk-
wald „Ein Tafelauffak von J. J. Kandier“, wo fich auch die einfchlägige Literatur angegben
findet; und „Kunft und Kunfthandwerk“, Jahrg. VII, S. 130 ff., Ädolf Brüning „Schaue ffen und
Porzellanplaftik“.

2 Francesco Graf Älgarotti, geb. 1712 in Venedig, geft. 1764 in Pifa. Kunftfchriftfteller und
vielfeitiger Gelehrter. Lebte zwifchen 1740 und 1754 abwechfelnd in Dresden und am Hof
Friedrichs des Großen, der ihn 1747 zum Kammerherrn ernannte. Für Äuguft III. von Sachfen
vermittelte er mehrfach Gemäldeankäufe, u. a. den der Holbeinfchen Madonna.

3 „Labarum, i. n. eine prächtige römifche Kriegsfahne, die befonders in fpäten Zeiten er-
wähnt wird. Conftantin der Große feljte eine Krone nebft einem Kreuze und den Änfangsbuch-
ftaben Jefu dazu; daher es in fpätern Zeiten für das Kreuz gefegt wird.“ Schellers lateinifches
Lexikon, 1783.

Der Cicerone, III. Jahrg., 13. Heft. 38

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