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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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13. Heft
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Foerster, C. F.: Ein Meissner Dessertaufsatz für Maria Theresia
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0529

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EIN MEISSNER DESSERTAUFSATZ FÜR MARIA THERESIA

Julius Cäfar, und (auf dem Poftament) Trophäen, wie man fie auf den Me-
daillen fieht.

Camilla, den einen Arm auf ein Pferd geftüßt, mit den Worten des elften Buches
der Aeneis, die fich auf gedachte Camilla beziehen,

AGMEN • AGENS • EQUITUM •

Atalante, einen Eberkopf zu ihren Füßen, mit den Worten, die Ovid im achten
Buche der Verwandlungen auf fie bezieht,

ERUBUERE • VIRI •

Cornelia, die Mutter der Gracchen, auf einen Säulenftumpf gelehnt, zum Volke
redend. Auf dem Poftament ein Medaillon mit den Köpfen ihrer Söhne.

Sappho, und auf dem Poftament eine Leger.

Livia, verfchleiert, und auf dem Poftament ein Altar.

Um das Deffertfervice noch weiter zu verzieren, kann man zu diefen kleinen
Statuen verfchiedene Trophäen von Waffen und Beuteftücken fügen, auch einige
Gruppen von Genien, die Girlanden aus Myrten und Lorbeeren halten, und modellierte
Vafen; nicht nach der abenteuerlichen Manier Japans oder Chinas, fondern in der Art
der Alten und im Gefchmack derer des Polydor.1 Wir haben hier den Mattielli, der
auf den Spuren feines Landsmannes Valerio Bello wandelnd, die Formen zu allen
diefen Stücken machen könnte. Ich würde meinerfeits entzückt fein, die Ausführung
aller Befehle zu überwachen, die Sie, Herr Graf, geben würden, der Sie an diefem
Hofe mit fo vieler Würde eine Königin vertreten, die ihre Untertanen ebenfo fehr
lieben und verehren, wie die Fremden fie bewundern.“

Wie man fieht, würde der Auffaß in feiner Idee und feiner Anlage ein Seiten-
ftück zu dem Deffertfervice bilden, das Friedrich der Große für die Kaiferin Katharina
in Berlin anfertigen ließ'2, wenn er — und das ift leider fraglich — ausgeführt
worden ift.

Von feiner Exiftenz ift bisher nichts bekannt, und ich wüßte auch unter den uns
erhaltenen Meißner Modellen keines zu nennen, das fich mit der einen oder andren Haupt-
figur der Befchreibung identifizieren ließe. Ganz von der Hand zu weifen ift die Möglich-
keit feiner Anfertigung jedoch nicht. In dem Inventar der Konditorei des Grafen Brühl3
findet fich nämlich unter der Rubrik „An Auffäßen und Pyramiden“ (Cap. 26): „1 Pyra-
mide mit Minerv und Pallas (fo!), wozu gehören

4 Monarchien, nebft
1 Gerechtigkeit
1 Vorfichtigkeit
1 Stärke. “4

Da in dem Algarottifchen Entwurf eine Minerva die Mittelfigur bildet, und auch
vier Monarchien unter den Hauptfiguren aufgeführt find, ift diefe Übereinftimmung

1 Polidoro da Caravaggio, ca. 1495—1543. Seine Renaiffancevafen find in ihren ziemlich
fchwülftigen Formen und ihrem überreichen Relieffchmuck entfchieden eher von einer „maniere
extravagante“ als die die dem Porzellan fo trefflich angepaßten chinefifchen Formen.

2 Wenn diefer auch erft acht Jahre nach Älgarottis Tode fertiggeftellt wurde (1772), fo ift es
doch nicht unwahrfcheinlich, daß zwifchen ihm und dem zitierten Entwürfe Älgarottis ein Zu-
fammenhang befteht.

3 Aus dem Jahre 1753. Das Inventar ift vollftändig abgedruckt bei Berling, „Meißner Por-
zellan“, Leipzig 1900.

4 Äußer den drei aufgezählten gehörte jedenfalls noch eine vierte Darftellung einer Tugend
dazu, da in folchen Fällen ftets die Vierzahl üblich war.

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