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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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20. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

Sie find weniger bildmäßig gedacht als die
Werke des Vaters, der in der Kompofition
immer die Gefchloffenheit der alten Meifter hatte.
Dafür zeigen fie den flotten Impreffionismus
der jüngeren (nicht der jüngften) Malergeneration
Frankreichs, die an Manet gewachfen ift. Man
fieht allerhand fieher erfaßte Augenblicksbilder,
Koftümfzenen u. a. m., die mit technifcher Bravour
famos behandelt find und einen fehr delikaten
koloriftifchen Gefchmack verraten. Abfolut Hol-
ländifches im Sinne der Tradition, der ja auch
das 19. Jahrhundert in diefem Lande völlig
unterlag, ift nirgends zu bemerken, aber man
erkennt vor diefen Werken auch keine Perfön-
lichkeit, die aus Eigenem Neues zu geben hätte.
Troßdem fteht im ganzen diefe Kunft auf acht-
barer Höhe und die Bekanntfchaft des heute
bereits fünfundvierzigjährigen Ifaac Israels wird
einem durch diefe Serie fehr charakteriftifch
nahegebracht. — Der Däne Severin Kröyer,
der vor zwei Jahren ftarb, hat in dem Schaffen
des lebten Jahrzehntes wohl verfucht, die Ein-
fliiffe des modernen Impreffionismus mit Erfolg
zu verarbeiten, aber gegenüber diefer pracht-
vollen malerifchen Größe feiner Werke aus den
achtziger fahren müffen doch die fpäteren Arbeiten
beträchtlich zurücktreten. Da gibt es ein wahr-
haft vornehmes Damenbildnis von 1881, das an
die reifften Arbeiten von Stevens erinnert und
diefe rein malerifch tiefempfundene Eifengießerei,
deren kompofitionelle Vorzüge einem im Anblick
der dazugehörigen Kartonfkizze zum Bewußt-
fein kommen und manches andere, was man
für keines der Bilder der fpäteren Zeit hingeben
möchte. Indes, die Kollektion ift auch im ganzen
nicht bedeutend genug, um ein endgültiges Ur-
teil über Kröyers Wert und Können zu prä-
zifieren. Mir kam feine Malerei, die einem in
Kopenhagen in reicherer Entfaltung begegnet,
immer wie eine Kunft aus zweiter Hand vor
und ich vermute, daß fich diefem Urteil im ganzen
auch die Kunftgefchichte des Nordens anfchließen
dürfte. — Unter den Deutfchen fteht Guftav
Bechler, das Mitglied der „Scholle“, unbedingt
in diefer Ausftellung obenan. Bei ihm gibt der
Hinweis auf die Gruppe, der er angehört, keinerlei
Erklärung für feine perfönliche Art. Was er
fchafft — und diefe prächtigen Schneeland-
fchaften zumal können fich auch ftärkeren Lei-
tungen gegenüber behaupten — ift aus fo rei-
nem Naturempfinden herausgefchaffen, fo mit
dem echten Blick eines für Farbe und Licht
empfänglichen Auges geformt, daß die Refultate
einfach überzeugen. Speziell die Arbeiten der
leisten zwei Jahre berechtigen zu den allerftärk-
ften Erwartungen, die diefem einfam am Achenfee
fchaffenden Meifter fchon heute feine befondere

Eigennote geben. Auch der in Paris fchaffende
Rheinländer Richard Bloos, deffen Talent vor-
wiegend illuftrativer Art zu fein fcheint, ift ein
Künftler von perfönlicher Färbung. Impreffio-
niftifch erfaßt er mit Vorliebe die Szenen des
Parifer Bohemelebens, Bänkelfänger, Varietes,
Zirkuspantomimen und die traurigen Winkel
verlaffener Montmartreftimmung, fo wie der Ber-
liner Zille etwa die Typen der Berliner Vorftadt
charakterifiert. Nur will die Farbigkeit feiner
Bilder ein wenig fchematifch erfcheinen, es fehlt
ihr oft noch die Vertiefung, die dem Moment
gerecht wird, aber im ganzen wirkt feine Er-
fcheinung erfreulich und die malerifche Qualität
bewegt fich auf achtbarer Höhe. — Außer den
Genannten haben bei Schulte noch eine ganze
Reihe von Künftlern kollektiv ausgeftellt. Guftav
Kampmann und Albert Lamm wären lobend
zu notieren, desgleichen vielleicht noch der alte
Hamburger Lutteroth. Das Übrige aber lohnt
ein Eingehen nicht.

* *

*

In der neuen Ausftellung bei KELLER & REI-
NER treten vier Künftler gefchloffen auf, über
die im ganzen nur wenig zu fagen ift. Denn
die ältere, fchon früher in Berlin gefehene Kol-
lektion von Frits Oßwald wird der jüngften
Entwicklung diefes prächtigen Talentes in keiner
Weife gerecht. Und auch über Hans von
Volkmann, den verdienten Karlsruher Land-
fchafter, läßt fich wefentlich Neues nicht be-
richten. Dagegen intereffiert der Osnabrücker
Franz Hecker, deffen lyrifche Art einen be-
fonders warmenTon hat (vornehmlich als Radierer
gibt er reiche Verfprechungen) und vor allem der
Berliner Moriz Melzer, der aus der Neuen
Sezeffion hervorgegangen ift und unbedingt zu
den ftärkften Talenten der jüngften Generation
rechnet. Und doch ift es fchwer, im Anblick
diefes wilden ungezügelten Draufgängertums,
diefer oft berückenden, aber noch nicht immer
ausgeglichenen Farbigkeit feiner Gemälde ein
beftimmtes Urteil zu präzifieren. Die Tendenzen
feiner Kunft gehen Hand in Hand mit den Be-
ftrebungen jenes Kreifes, der die Nachfolge
Cezannes und van Goghs mit mehr oder minder
großem Glück angetreten hat; das heißt, fie find
zumeift noch ftarke Verfprechungen, die eines
Tages Erfüllung werden können. Zwei Mo-
mente erfcheinen mir indes heute fchon für
Melzer bedeutfam. Im Zeichnerifchen, das in
den teilweife eminenten Holzfchnitten voll auf-
lebt, verfügt er über das Gefühl der Linie, das
ohne ängftliche Berechnung fenfitiv in die Fläche
hineingeht und die Formen aus einem berücken-
den Chaos buntbewegten Lebens zum Bewußt-

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