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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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20. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0852

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AUSSTELLUNGEN

fein bringt (entfernte Reminifzenzen an Hodler
werden hier lebendig), im Malerifchen fchafft er
mit der gleichen Empfindung für die farbige Er-
fcheinung im Ganzen. Aber vieles mutet noch
abfichtlich outriert an und es wird einer ge-
wiffen Selbftkritik bedürfen, wenn diefe hervor-
ragenden Anfälle zu innerlich ausgeglichenen
Leiftungen kommen füllen. Troßdem ift Melzer
als Künftler ficher einer der nachhaltigften Ein-
drücke aus der bilderreichen Oktoberfaifon des

Berliner Kunftlebens.

* *

*

Reinften künftlerifchen Genuß erlebt man noch
bei CHARLES DE BURLET in dem kleinen in-
timen Laden diefer nach Qualitätsprinzipien ar-
beitenden Kunfthandlung, die den Engländer
Charles Shannon mit einer Mufterkollektion
von Lithographien und Handzeichnungen zu Gafte
geladen hat. Auch Shannon ift wie Bone oder
Pennell in Deutfchland längft kein Unbekannter
mehr und feine Arbeiten gehören zu dem Deli-
kateren, was die moderne Schwarzweißkunft zu
vergeben hat. Ein Gefühl für den duftigften
Reiz der Linie, eine Leichtigkeit des bildmäßigen
Komponierens und ein Charme von Grazie, der
faft rokokohaft ift, das charakterifiert ungefähr
die Vorzüge feiner künftlerifchen Handfchrift.
Aber unter diefem Äußerlichen der Technik, die
das Befte der großen franzöfifchen Kunft des
18. Jahrhunderts abgefehen hat — es gibt einige
Blätter, die direkt an Watteau gemahnen —
verbirgt fich eine Perfönlichkeit von höchfter
Kultur und ein Sentiment, das ebenfo fprudelnd
wie dichterifch anmutet. Diefe Szenen der ba-
denden Mädchen, diefe Lithographien mit den
Porträts von Künftlerkollegen (Legros und
Piffarro tauchen u.a. auf), diefe Handzeichnungen
mit den fabelhaft gemeifterten Akten und endlich
die wenigen Paftelle und Aquarelle —: das
Ganze fchlingt einen Reigentanz von Bewegtheit,
von grandiofem Formgefühl, von zitterndem
Efprit, der unwiderftehlich wirkt. Etwas Ver-
geiftigtes webt über diefen Blättern, das fchwer
mit Worten zu umfchreiben ift, ein Frühlings-
fonnenduft, der träumen macht; eine veredelte
und durch die Empfindung verklärte Wirklich-
keit wird lebendig, die alle Alltäglichkeit längft
überwand, aber mehr noch: In diefen kleinen
Blättern find Kompofitionsgedanken, dekorative
Gefichte verfchloffen, die viel zu heimlich find,
um ins Große überfefyt zu werden, viel zu köft-
lich auch, um anders als mufikalifch zu uns zu
fprechen. Will man außerdem Shannon noch
ein befonderes Lob zugeftehen, fo mag es dies
fein: Daß feine Kunft der Ausdruck höchfter ar-
tiftifcher Mäßigung ift, die unferem ganzen
Schaffen vorbildlich fein kann. G. B.

BUDAPEST Der Kunftfalon KÖNYVES
KÄLMÄN begann dieSaifon mit einer Kollektiv-
ausftellung des in München anfäffigen ungari-
fchen Künftlers Alexander v. Kubinyi. Der Name
diefes fehr talentierten und routinierten Illuftra-
tors ift in Deutfchland längft bekannt. Er hat
fich in der Münchener Künftlerfchaft als Mit-
arbeiter der „Jugend“ und Kombattant der Se-
zeffion eine ehrenvolle Pofition erworben. Die
Budapefter Ausheilungen befchickte er nur feiten.
Seine Erftlingswerke, die bereits einen bewußten
Kampf um Stil bekundeten, (teilte er mit der
Nagybänyaer Künftlerkolonie, deren Mitglied
er war, aus. Seine Arbeit bei der Jugend be-
gann er nicht gerade mit glänzenden Waffen-
taten. Die Urfache der Flauheit feiner älteren
Zeichnungen lag leider in feiner äußerer Stimu-
lanzen bedürftigen ungarifchen Natur. Werke
aus diefer Periode des Künftlers waren in der
diesmaligen Ausftellung nicht zu fehen. Die
neunundneunzig Stücke waren lauter Beweife
feines neuerlichen großen Auffchwunges.

Kubinyis Kunft hat einen ftark abgeleiteten
Charakter. Sie appelliert auf unferen zarteften
Apperzeptionsapparat. Die Münchener llluftra-
tionskunft, befonders die Erlers, hat den Künftler
zu feinen jetzigen Leiftungen infpiriert. Der auf-
merkfame Beobachter wird aber bei ihm Eigen-
heiten entdecken können, die er noch dem Un-
terricht feines alten Meifters Simon Hollöfy
verdankt.

Kubinyi ift ein aparter Farbenkünftler, deffen
koloriftifches Ideal dem der Maler des Rokoko
innigft verwandt ift. Seine Temperabilder üben
eine kühle flaumige Wirkung, wogegen die
Farben feiner Monotypien und Linoleumfchnitte
einen gewiffen email- und porzellanartigen Glanz
befißen. Zur Einheit der äußerft vornehmen
Farbenwirkung gefeilt fich bei ihm ein feiner
Schwung der Figurenkompofition, bzw. die geift-
reiche Auswahl der landfchaftlichen Motive. Seine
Bilder find reinkünftlerifche Leiftungen, trotzdem,
daß in ihnen das Inhaltliche nie zu kurz auskommt.
Die fchimmerige Welt der Bühne und die feier-
lichen Stimmungen der fonnenbefchienenen,
dämmerigen oder nachtumhüllten Natur werden
von ihm mit gleicher Hingebung beobachtet.

Mit ganz befonderer Freude ift eine andere
Kollektivausftellung, diejenige des Italo Brass
zu begrüßen, deffen 49 Gemälde im KÜNSTLER-
HAUS (Müveszhäz) gezeigt wurden. Die Natur
diefes gottbegnadeten Künftlers ift vollkommen
frei von jedem Hang zur Abftraktion. Sein Beftes
offenbart fich durch feine poetifche Natur auf
die fpontanfte Weife. Seine venezianifchen
Bilder — Stadt- und Lagunenmotive, Szenen
aus dem Volksleben — find mit der größtmög-

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