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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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22. Heft
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Ausstellungen
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0939

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AUSSTELLUNGEN ° DENKMALPFLEGE

fehen, um ihm gerecht zu werden. Infofern er-
fcheint mir Steinhaufen als echter und charakte-
riftifcherVertreter neudeutfcherKultur- undKunft-
anfdhauung, als auch er der Verfuchung nicht zu
entgehen weiß, ftändig die Grenzen feiner Bega-
bung zu überschreiten und es fomit nicht feiten zu
ganz bedenklichen Entgleifungen bei ihm kommt.
Worin nun feine eigentliche Stärke zu fuchen ift,
das geht auch aus diefer Äusftellung wieder klar
hervor; Steinhaufen ift der geborene Landfehafter
und folange er fich auf die reine Landfchaft be-
fchränkt, gibt er ficherlich fein Ällerfeinftes und
Beftes. Um ein paar der hier ausgeftellten Land-
fchaftsbilder fchenke ich gerne die fämtlichen
ebenfalls vorgeführten religiöfen und figuralen
Stücke weg; und während aus letzteren fozu-
fagen ein nur nüchternes, durch keinerlei Groß-
zügigkeit und wahren Schwung gehobenes pro-
teftantifches Empfinden fpricht, ift er in den
Landfchaften ein echter Naturpoet, von warmer
Erregung und intimften Fühlen. Bilder, wie
„Erlen am Bach“, die „Landfchaft mit der Lerche“
und insbefondere ein paar Stücke aus der Serie
„Tagebuchblätter“ find fo verinnerlicht und künft-
lerifchen Zwanges voll, daß fie, wären fie nur
in etwas gefchmackvollerer Weife gerahmt, etwa
als vorzügliche Gegenftücke zu den Barbizonern
gelten müßten. Durch die überragende Mehr-
zahl der größeren Figurenkompofitionen aber
und gar erft der mitunter faft dilettantifch be-
rührenden Bildniffe kommt in die Äusftellung
ein fo lederner und fpießerhafter Zug, daß man
immer wieder dem Urteil derjenigen beizu-
pflichten fich gezwungen fieht, die die heutige
deutfehe Malerei in ihrer Gefamtheit als un-
kultiviert und unfrei empfinden. Wann wird
endlich unfere Raffe auch in der Kunft zu ihrer
ftärkften und edelften Entfaltung gelangen und
durch Organifation der eigenften, aber wohl be-
meffenen und konzentrierten Kräfte jene Stufe
erreichen, die einzunehmen fie fchon lange be-
rufen wäre? Von den Radierungen Steinhaufens
kommt hier ein fehr groß gefaßtes und klar
geftaltetes Blatt „Die Befeffenen“ zur Schau
und hebt fich aufs befte unter weiteren graphi-
fchen Darbietungen hervor. M. K. R.

PARIS Während der Herbftfalon keine Geld-
opfer fcheut, um die jungen Künftler Frank-
reichs anzufpornen, fich in der angewandten
Kunft zu betätigen und gleichzeitig das Publi-
kum für die neue Innenkunft zu gewinnen, findet
gleichzeitig im GRÄND PÄLÄIS neben dem
Herbftfalon ein von den Möbelfabrikanten ver-
anftalteter Salon du Mobilier, der an falfcher
Stilimitation und gewöhnlicher Fabrikarbeit das
Kläglichfte ift, was man gegenwärtig in Frank-

reich fehen kann. Diefe mit einer Riefenreklame
infzenierte Äusftellung beweift, wie tief das
Gefchmacksniveau des großen Publikums ge-
funken ift, das in Frankreich tatfächlich diefe
barbarifchen Möbel kauft. Eine Äusfuhr diefer
Induftrieprodukte nach Deutfchland gibt es nicht
mehr; wohl aber werden diefe Möbel inMaffen
in die weniger zivilifierten Länder Südamerikas
ausgeführt. Es wäre an der Zeit, daß das
deutfehe Kunftgewerbe den Franzofen hier end-
lich einmal energifch Konkurrenz macht.

* *

*

Im MUSEUM CERNUSCHI ift eine Äusftel-
lung chinefifcher Teppiche und japanifcher Wap-
pen eröffnet worden.

* *

*

Für den kommenden Winter werden zwei
Äusftellungen primitiver Kunft Äfiens und eine
Äusftellung afrikanifcher und polynefifcher Kunft
angekündigt; ferner Sonderausftellungen von
Carrera, Vlaminck, Monet, Peyffand, Van Douzen,
Brack, FJandrin, Friesz, Cheret, Caman, Denis.

O.G.

DENKMALPFLEGE

CITTA DI CÄSTELLO Die Reftaurie-
rungsarbeit des Palaftes Santa Maria de’Casci,
den Äleffandro Vitelli im 16. Jahrhundert er-
baute, dürfte bald vollendet fein. Der ftolze
Herrfcher von Tiferno, wie in der Renaiffance-
zeit das antike Tiberinum und die moderne Cittä
di Caftello genannt wurde, hatte die bedentend-
ften Künftler feiner Zeit aufgeboten, um den
Palaft würdig zu fchmücken. Vafari hatte die
ernften Graffitos der Faffade entworfen, und
Künftler wie Cola deH’Ämatrice, Zuccari, Battifta
della Billia waren damit befchäftigt gewefen,
das Innere des Palaftes mit Wandgemälden im
Stile Raffaels und Vafaris auszufchmücken. Äls
dann fpäter die Zeit des Verfalles anbrach,
mußte der ftolze Palaft als Magazin undWerk-
ftätte dienen. Äber die wunderbare Wölbung
des Stiegenhaufes, wo allegorifche und mytho-
logifche Figuren das Wappenfchild des Haufes
Vitelli huldigend umgeben, hat den Angriffen
der Zeit widerftanden, fo daß der Antiquar und
Maler Elia Volpi es der Mühe wert fand, den
Palaft zu erwerben, um die Fresken loszulöfen
und zu verkaufen. Dagegen proteftierte aber
die Stadtgemeinde, und Volpi entfchloß fich,
den Palaft der Stadt zum Gefchenk zu machen,
und die ftädtifche Gemäldesammlung in den
Sälen unterzubringen. Die Florentiner Maler
Fantini und Francolini haben die Graffitos der
Faffade reftauriert und viele Fresken, die Jahr-

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