Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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23. Heft
DOI Artikel:Rundschau - Sammlungen
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SAMMLUNGEN
NÜRNBERG GERMANISCHES NATIONAL-
MUSEUM. Unter den Neuerwerbungen des
Mufeums nehmen die jüngft in feinen Befiß über-
gegangenen Stammbücher einen hervorragen-
den Rang ein. Stammbücher gehören ja zu den
allerunmittelbarften Dokumenten, die uns über
die künftlerifche und gefellfchaftliche Kultur ver-
gangener Zeiten Auffchluß geben. Die vom
Germanifchen Mufeum erworbenen Stücke aber
dürfen um ihrer künftlerifcben Ausftattung, um
ihrer literarifchen Beiträge und um der Fülle an
Geift und Laune willen, die fie bergen, ein ganz
befonderes Intereffe beanfpruchen. Sie erheben
fich im Wert weit über eine anftändige mittlere
Qualität. — Auf einer bei K. E. Henrici veran-
ftalteten Auktion wurde z. B. das außerordent-
lich inhaltreiche Stammbuch des Carl Friedrich
Treuttel erfteigert. Treuttel, der Neffe des
angefehenen Straßburger und Parifer Buchhänd-
lers Georg Treuttel (1774—1826), unternahm in
den Jahren 1788 -91 eine größere Reife und wußte
fich auf diefer für fein in zierlich ornamentiertes
Leder gebundenes Stammbuch zahlreiche Ein-
träge berühmter Zeitgenoffen zu fichern. Unter
den Künftlern begegnet uns der ausgezeichnete
Porträtkupferftecber Friedrich Baufe („Treu fich
den Künften weyhn macht unfre Sitten mild und
lehrt uns menfchlich feyn“; Leipzig, 1789), der
Direktor der Mainzer Zeichnungsakademie Fried-
rich Hoch mit einem in Sepia flott hingeworfenen
Reiterkampf, der Bruder desfelben, J. J. Hoch, mit
einer feinen Dorfiandfchaft, der mit Winckelmann
befreundete Kupferftecher und Kunfthändler Chri-
ftian von Mechel (mit einem Zitat aus Lavater) und
andere. Von Kunftgelehrten derZeit erfcheinen
der unermüdlich tätige Herausgeber des „Teut-
fdien Künftlerlexikons“ Johann Georg Meufel
und der Leiter des „Journals zur Kunftgefchichte“
und allgemeinen Literatur“ Chr. Gottlieb Murr
mit charakteriftifdien Einträgen. Außer diefen
aber find u. a. vertreten: der Wehreifende Joh.
Georg Forfter, der durch feine Liebesaffäre mit
der Schwefter Friedrichs des Großen und fein
tragifches Ende bekannte Abenteurer Friedr.
von der Trenck, die Pädagogen Salzmann und
Bafedow, die Verleger Breilkopf, Cotta und
Göfchen, der Vorkämpfer der Aufklärung Fr.
Nicolai, die Dichter Ch. Felix Weife, J. P. Uz
und Ch. F. D. Schubart und nicht zuleßt Wie-
land und Goethe. Selten wird man eine fo große
Zahl bedeutender Perfönlichkeiten in einem
Stammbuch vereinigt finden. Auch die auf der-
felben Auktion erfteigerten Stammbücher des
Thomas Wagner und des Ch.F. Werndt weifen
glänzende Namen wie den des Satirikers G.
Ch. Lichtenberg, des Abtes J. F. W. Jerufalem,
des Shakefpeareüberfeßers J. J. Efchenburg, des
Epigrammendichters A. G. Käftner, des Kompo-
niften J. A. Hiller und des Akuftikers D. E. Chladni
auf. — Andere koftbare Stammbücher konnten
auf einer bei C. G. Börner abgehaltenen Ver-
weigerung gekauft werden: Wurde da doch die
300 Bände faffende Kollektion aus dem Nachlaß
des 1894 verftorbenen Geheimrats Friedrich
Warnecke, der als Begründer des Exlibrisvereins
und des Vereins für deutfches Kunftgewerbe
und als gefchmackvoller Sammler bekannt war,
ausgeboten. Von den Stücken, die das Mufeum
bei diefer Gelegenheit an fich brachte, verdienen
hervorgehoben zu werden: das Stammbuch des
Nürnberger Predigers Georg Werner, das u. a.
durch Beiträge von Nikodemus Frifchlin, Joh.
Praetorius, dem Komponiften Hans Leo Häßler
und ein Autograph Luthers fich auszeichnet; das
Stammbuch des Hierony mus Kreß, indem wir
unter vielen anderen Altdorfer Studenten auch
Wallenftein antreffen und worin farbenfrohe
Aguarellmalereien allerlei ausgelaffene Szenen
aus dem Studentenleben fchildern; das Stamm-
buch des F. Kordenbufch, das eine geiftvolle,
höchft charakteriftifche Bleiftiftfkizze von Daniel
Preißler, die einen von der Tugend bekränzten
Jüngling zeigt, bringt, und das Stammbuch des
F. A. Rachau, das H. W. Tifchbein und H. J.
Tifchbein mit ein wenig akademifch gezeichneten
Studienköpfen geziert haben. Virtuofe farben-
ftrahlende Wappenmalereien, amüfante Trachten-
bilder, naturfrifche Landfchaften, zärtliche und
derbe Genredarftellungen, graziöfe Vignetten
und feingearbeitete Stickereien ziehen in buntem
Reigen in den Stammbüchern von G. Gerdner,
G. A. Harsdörffer, H. F. Speidl und U. J.
Starck an unferen Augen vorüber. Im ganzen
find es 25 Bände der Warneckefchen Sammlung,
die das Mufeum erworben hat.
In ihnen, wie in den vorher erwähnten Büchern,
entfaltet fich ein erftaunlicher Reichtum an Witj,
Humor, Satire und moralifierendem Ernft. Zitate
aus deutfchen, franzöfifchen, englifchen, lateini-
fchen und griechifchen Dichtern bilden zufam-
men mit feffelnden Originaldichtungen meift
fcherzhafter Art eine wechfelreiche Kette. Die
deutfche Kunft und Kultur vom 16. Jahrhundert
an bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein
fpricht hier wie mit vielen hellen Stimmen zu
uns und hat auf den vergilbten Blättern in oft
geradezu typifcher Weife ihren Niederfchlag ge-
funden. —h—
ROM Bekanntlich ift die Direktion der Uffizien
noch immer vakant. Bei dem nun ausgefchrie-
benen Concurfe fungierten als Komiffäre: Pompeo
Molmenti, A. Venturi, Baudi de Vesme und G.
Fogolari. Sie fchlugen dem Minifter an erfter
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NÜRNBERG GERMANISCHES NATIONAL-
MUSEUM. Unter den Neuerwerbungen des
Mufeums nehmen die jüngft in feinen Befiß über-
gegangenen Stammbücher einen hervorragen-
den Rang ein. Stammbücher gehören ja zu den
allerunmittelbarften Dokumenten, die uns über
die künftlerifche und gefellfchaftliche Kultur ver-
gangener Zeiten Auffchluß geben. Die vom
Germanifchen Mufeum erworbenen Stücke aber
dürfen um ihrer künftlerifcben Ausftattung, um
ihrer literarifchen Beiträge und um der Fülle an
Geift und Laune willen, die fie bergen, ein ganz
befonderes Intereffe beanfpruchen. Sie erheben
fich im Wert weit über eine anftändige mittlere
Qualität. — Auf einer bei K. E. Henrici veran-
ftalteten Auktion wurde z. B. das außerordent-
lich inhaltreiche Stammbuch des Carl Friedrich
Treuttel erfteigert. Treuttel, der Neffe des
angefehenen Straßburger und Parifer Buchhänd-
lers Georg Treuttel (1774—1826), unternahm in
den Jahren 1788 -91 eine größere Reife und wußte
fich auf diefer für fein in zierlich ornamentiertes
Leder gebundenes Stammbuch zahlreiche Ein-
träge berühmter Zeitgenoffen zu fichern. Unter
den Künftlern begegnet uns der ausgezeichnete
Porträtkupferftecber Friedrich Baufe („Treu fich
den Künften weyhn macht unfre Sitten mild und
lehrt uns menfchlich feyn“; Leipzig, 1789), der
Direktor der Mainzer Zeichnungsakademie Fried-
rich Hoch mit einem in Sepia flott hingeworfenen
Reiterkampf, der Bruder desfelben, J. J. Hoch, mit
einer feinen Dorfiandfchaft, der mit Winckelmann
befreundete Kupferftecher und Kunfthändler Chri-
ftian von Mechel (mit einem Zitat aus Lavater) und
andere. Von Kunftgelehrten derZeit erfcheinen
der unermüdlich tätige Herausgeber des „Teut-
fdien Künftlerlexikons“ Johann Georg Meufel
und der Leiter des „Journals zur Kunftgefchichte“
und allgemeinen Literatur“ Chr. Gottlieb Murr
mit charakteriftifdien Einträgen. Außer diefen
aber find u. a. vertreten: der Wehreifende Joh.
Georg Forfter, der durch feine Liebesaffäre mit
der Schwefter Friedrichs des Großen und fein
tragifches Ende bekannte Abenteurer Friedr.
von der Trenck, die Pädagogen Salzmann und
Bafedow, die Verleger Breilkopf, Cotta und
Göfchen, der Vorkämpfer der Aufklärung Fr.
Nicolai, die Dichter Ch. Felix Weife, J. P. Uz
und Ch. F. D. Schubart und nicht zuleßt Wie-
land und Goethe. Selten wird man eine fo große
Zahl bedeutender Perfönlichkeiten in einem
Stammbuch vereinigt finden. Auch die auf der-
felben Auktion erfteigerten Stammbücher des
Thomas Wagner und des Ch.F. Werndt weifen
glänzende Namen wie den des Satirikers G.
Ch. Lichtenberg, des Abtes J. F. W. Jerufalem,
des Shakefpeareüberfeßers J. J. Efchenburg, des
Epigrammendichters A. G. Käftner, des Kompo-
niften J. A. Hiller und des Akuftikers D. E. Chladni
auf. — Andere koftbare Stammbücher konnten
auf einer bei C. G. Börner abgehaltenen Ver-
weigerung gekauft werden: Wurde da doch die
300 Bände faffende Kollektion aus dem Nachlaß
des 1894 verftorbenen Geheimrats Friedrich
Warnecke, der als Begründer des Exlibrisvereins
und des Vereins für deutfches Kunftgewerbe
und als gefchmackvoller Sammler bekannt war,
ausgeboten. Von den Stücken, die das Mufeum
bei diefer Gelegenheit an fich brachte, verdienen
hervorgehoben zu werden: das Stammbuch des
Nürnberger Predigers Georg Werner, das u. a.
durch Beiträge von Nikodemus Frifchlin, Joh.
Praetorius, dem Komponiften Hans Leo Häßler
und ein Autograph Luthers fich auszeichnet; das
Stammbuch des Hierony mus Kreß, indem wir
unter vielen anderen Altdorfer Studenten auch
Wallenftein antreffen und worin farbenfrohe
Aguarellmalereien allerlei ausgelaffene Szenen
aus dem Studentenleben fchildern; das Stamm-
buch des F. Kordenbufch, das eine geiftvolle,
höchft charakteriftifche Bleiftiftfkizze von Daniel
Preißler, die einen von der Tugend bekränzten
Jüngling zeigt, bringt, und das Stammbuch des
F. A. Rachau, das H. W. Tifchbein und H. J.
Tifchbein mit ein wenig akademifch gezeichneten
Studienköpfen geziert haben. Virtuofe farben-
ftrahlende Wappenmalereien, amüfante Trachten-
bilder, naturfrifche Landfchaften, zärtliche und
derbe Genredarftellungen, graziöfe Vignetten
und feingearbeitete Stickereien ziehen in buntem
Reigen in den Stammbüchern von G. Gerdner,
G. A. Harsdörffer, H. F. Speidl und U. J.
Starck an unferen Augen vorüber. Im ganzen
find es 25 Bände der Warneckefchen Sammlung,
die das Mufeum erworben hat.
In ihnen, wie in den vorher erwähnten Büchern,
entfaltet fich ein erftaunlicher Reichtum an Witj,
Humor, Satire und moralifierendem Ernft. Zitate
aus deutfchen, franzöfifchen, englifchen, lateini-
fchen und griechifchen Dichtern bilden zufam-
men mit feffelnden Originaldichtungen meift
fcherzhafter Art eine wechfelreiche Kette. Die
deutfche Kunft und Kultur vom 16. Jahrhundert
an bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein
fpricht hier wie mit vielen hellen Stimmen zu
uns und hat auf den vergilbten Blättern in oft
geradezu typifcher Weife ihren Niederfchlag ge-
funden. —h—
ROM Bekanntlich ift die Direktion der Uffizien
noch immer vakant. Bei dem nun ausgefchrie-
benen Concurfe fungierten als Komiffäre: Pompeo
Molmenti, A. Venturi, Baudi de Vesme und G.
Fogolari. Sie fchlugen dem Minifter an erfter
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