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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 1
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Hamburgische Kunst
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Nr. I

2 Die Kunst-Halle

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die man hier hört, nicht fest im Glauben bleiben kann.
Oder wie soll man über die Widersprüche, die reichlich
zu finden sind, urtheilen? Seitenlang wird als das
Ziel der jetzigen Bestrebungen mit einer in die
Breite gedehnten Beredtsamkeit geschildert: Langt
endlich an, gute Hamburger Bilder planmäßig zu
sammeln, und „Ls haben sich (nach (89^) sogar
schon Ansätze zu Sammlungen einheimischer Künstler
gebildet" (S. ^(?). Dagegen lautet ein Passus auf
S. 38: Während anderwärts „die Werke der hervor-
ragendsten Weister in alle Winde geführt" sind, be-
findet sich „die weitaus überwiegende Zahl der Bilder
unserer Gensler, Kauffmann, Ruths, um nur die ältere
Generation zu nennen, im Hamburger Privatbesitz."
Ls müßte also richtiger heißen, thut heute nur das-
selbe, was früher und längst schon gethan wurde.
Wan vergleiche ferner die Stellen von der
angeblich neuen Kunstaera seit (89^ und von dem
„eigentümlich hamburgischen Charakter", durch den
die Ausstellung von (898 überraschte, wo in den Sälen
mit der „neuen Produktion" „Alles Verjüngung und
Zugend" (in Wahrheit dilettantenhafte Unreife!) ath-
mete, mit den folgenden Sätzen (S. (0): „Die Publikation
des Kunstvereins über Hermann Kaufimann und die
Kunst in Hamburg von (800 bis (850 hatte
an die Kräfte erinnert, die bei uns schaffend und
fördernd eine vergessene, aber höchst eigenartige
Blüthe heimischer Kunst heroorgebracht hatten"
— „Leit fünfhundert Zähren giebt es eine ham-
burgische Kunst . . ., die anFrische, Gesundheit und
deutschem Wesen keiner (!!) der in andern deutschen
Städten gezeitigten Kunst nachstand." Will hier etwa
der Kunsthistoriker Lichtwark nur den Beweis liefern,
daß er den Hamburger partheichef gleichen Namens
nicht für ernst nehme? Oder will er mit unserer
vollsten Zustimmung zum soundsovielten Wale kund-
thun, daß heute alles wahrhaft Gute in der Kunst
nicht neu und säst alles Neue nicht gut sei? Jeden-
falls kann Zeder leicht des Autors Behauptung, daß
sich in der Hamburger Walerei neuerdings das Niveau
hinsichtlich des Künstlerischen und Ligenartigen gegen
früher bedeutend gehoben habe, mit Lichtwarks eigenen
Worten schlagen. Lin sonderbarer Heiliger, dieser
Herr, der nach seinen eigenen verächtlichen Worten
über den akademischen Unterricht, der in gewissen
Künstlern „das Beste, was sie besaßen, unterdrückt"
habe, bald darauf den fröhlichen Wuth hat es als
„von besonderer Wichtigkeit" zu bezeichnen, daß „wir
den Begabungen ... in der Heimath die gediegene
künstlerische Ausbildung gewähren, die ihnen bei uns
bisher versagt blieb" und der endlich wie begeistert
mittheilt: „Lin Anfang ist bereits gemacht. Die
Gberschulbehörde hat unseren Künstlern ermöglicht,
den Winter hindurch täglich Aktstudien obzuliegen. . .
Wir dürsen bei aller Hochschätzung einer gründlichen
Elementarbildung nie vergessen, daß sie nur dann
züchtbar sein kann, wenn eine höhere Bildung und

Leistungsfähigkeit über ihr vorhanden ist, von der sie
Weisungen und Anregungen empfängt." Also hat der
Herr schließlich doch keine Furcht, daß der arge aka-
demische Unterricht das Talent „morden", dessen Bestes
„unterdrücken" werde. Oder liegt der fatale Wider-
spruch lediglich an seinem schlechten Gedächtniß? Das
ist freilich Pech, wenn man als braver Beamter den
Ehrgeiz hat, zugleich nach hinten und vorn Verbeu-
gungen zu machen. . .
Zch habe den Herrn Direktor der Hamburger
Kuusthalle nie für einen Wann von starker Ueber-
zeugung gehalten. Er gehört für den Kenner der
Verhältnisse zu jenen, deren Begabung mit dem Epi-
theton „geschickt" am besten zu kennzeichnen ist, und
seiner besonderen Geschicklichkeit verdankte er die
Achtung jener presse, die ihn mit ihren vorräthigen
Lobklichös bei jeder Gelegenheit gern unter die Arme
greift. Damals als sein Vortrag, der einer gewissen
Komik nicht entbehrt, im Drucke erschien, hielt ich es
nicht für nothwendig auf dieses Elaborat einzugehen.
Das Komische liegt z. B. in der Art, wie er zum
Schein den künstlerischen Bestrebungen des Vereins-
Vorstands schmeichelt, indem er dabei nur seine eigenen
Publikationen emphatisch herzählt, wie niedrig muß
doch Herr Lichtwark sein Publikum einschätzen, das
solchen Vortrag gläubig hiunehmen und ihm als „eine
nicht unwillkommene Grientirung" durch Druck Ver-
breitung geben konnte.
-ft -ft
-ft
Erst als aus Hainburg selbst ein Protest gegen
den besprochenen Vortrag über „Hamburgische Kuust"
im Druck erschien, *) und als dieser Protest aus den
Kreisen der unbeeinflußten jungen Künstler dort sein
Echo auch in die Reihen namhafter älterer Weister
Hamburgs pflanzte, entschloß sich Schreiber dieser
Zeilen auf den Znhalt der Vereinsschrift öffentlich auf-
merksam zu machen. Die Gegenschrift wendet sich gegen
nahezu alle oben als anfechtbar bezeichneten Stellen
des Vortrags, die sie meist wörtlich reproduzirt.
Sie schöpft offenbar aus besten Ouellen und der Vers,
weiß aus eigenen Erfahrungen das Wilieu der Thätig-
keit des Wannes zu schildern, der aus einen: Schul-
lehrer der modernen Sprache:: sich zu einem „bedeu-
tenden Kunstkenner" entwickelte. Das praktische Lr-
gebniß dieser Kunstkennerschaft sind ebenjene in Berlin
allgemein ausgelachten Hamburger „Zungen", die
„Lichtwark'schen Spezialisten", die von ihren:
Anleiter, der sich einmal seiner anormal konstruirten
Augen, einer Art Farbenblindheit gerühmt haben soll,
dirigirt wurden, wie sie die Natur zu sehen und dar-
zustellen hätten. Der Protest bekämpft die Anmaßung
der Herren, die allein das Rezept der Woderintät
*) Protest Hamburger Künstler gegen Prof
Alfred Lichtrvark's Vortrag über „Hamburgische Kunst"
gelegentlich der Frühjahrs-Ausstellung von ^8Y8. von
Zosexh Michael. Verlag von Hermann Walther. Berlin ^898.
 
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