Die Kunst-Halle — 4.1898/1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0046
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Nummer 3
DOI article:Galland, Georg: Zur Kritik der Moderne
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Die Aun st-Halle
Nr. 3
3^
fest, daß wir gelegentlich auch gern Andersurtheilenden
freie Bahn lassen, die — wie Georg Fuchs in seinen
Münchener und Darmstädter Ausstellungsberichten erst
neulich wieder —- deu Sezessionen genau so viel Teil-
nahme und Aufmerksamkeit zuwendeu wie den klebri-
gen. Das wird uns indeß auch fernerhin niemals
in dem Grundsatz irre machen, ohne Rücksicht auf
das, was die augenblickliche Majorität lobt oder
tadelt, blind vergöttert oder todt schweigt: in diesem
Blatte eine Kritik ausgleichender Gerechtig-
keit zu üben. Denn nur so wird ein in größeren
Zwischenräumen erscheinendes Kunstorgan seine Noth-
wendigkeit und Existenzberechtigung überhaupt er-
weisen können. Den Ehrgeiz, nichts weiter als
ein Nesume der kunstkritischen Leistungen der Tages-
presse, die doch ihre Aufgaben für sich hat, deu
Lesern eines Fachblattes zu bieten, gönnen wir an-
spruchsloseren Rivalen, die, indem sie den Mantel nach
dem Winde drehen, unangefochten ihren Weg gehen,
Niemandem zu Leide, aber auch Niemandem
zu Nutzen .... Wir unsererseits versuchen den
modernen Kunstbestrebungen eben anders zu dienen.
Weder dadurch, daß wir die gemachten Größen unse-
rer Tage im ,,edlen" Wettkampf eifrigst anräuchern,
noch dadurch, daß wir die mit der bekannten Handels-
marke ,,last noveltv" versehenen Auswüchse der
Moderne kräftig lanciren helfen. Wer uns deshalb
Feindschaft gegenüber dem künstlerischen Fortschritt
vorwirft, darf ungefähr mit dem gleichen Recht Den
einen Goetheoerächter schelten, der sich heimlich ge-
lobt hat, niemals den Namen dieses Heros zu zitiren,
mit dem heute gar so viele windige Gesellen einen
sehr beliebten,,litterarischen"Anlauf mühelosnehmeu ..
Groß sind die Anstrengungen zumal auf den:
Gebiete der sog. angewandten Kunst, aber nicht Alles
ist neu und schön, weil der ornamentale Geschmack
sich vielfach verändert zeigt, nicht Alles ist bedeutsam,
praktisch, weil es auf dem Papier, im Bilde sich
vielleicht günstig ausnimmt. Gerade weil eine Reihe
schöner Bilderbögen mit Text, die sich heutzutage Zeit-
schriften nennen, Alles auf den Markt Geworfene
wahllos illustrirt und empfiehlt, bedarf es eines Blattes,
das selbst zu dem Ernsthaft-Neuen eine abwartende Stel-
lung einnimmt, unser heimisches Publikum mahut und
fragt, ob sich das Fühlen und Sinnen des Volkes
auch in Mitten dieses Neuen wohlfühlen, vertiefen
oder aber verarmen, verflüchtigen werde. Jene
„Modernen", die deu Zweifel darüber für sehr über-
flüssig halten, die nur den „Alten" den Muth ihrer Kritik
fühlbar zu macheu wissen, das Neue in jeglicher Form
aber knechtselig bewundern, verdienen wohl die harte
Behandlung, die Melchior Broederlam in einem be-
stimmten Falle für die angemessene hielt ... Es scheint
nun, daß sich dadurch ein paar Leute in ihrer Ruhe
oder in ihrem Geschäft gestört fühlten, wie nämlich
aus folgender Zuschrift hervorgeht:
Dresden, ^2. Dktober.
Herrn Prof. vr. Galland.
Geehrter Herri
Mit aufrichtigem Bedauern habe ich den Aufsatz ge-
lesen, den Herr Melchior Broederlam sich bewogen gefühlt
hat, am t- Dktober in der Kunst-Halle zu veröffentlichen.
Ich ersehe daraus, daß Ihre Zeitschrift doch in keinem
Zusammenhang steht mit den modernen Bestrebungen und
bitte mein Abonnement künftig nicht aufrecht zu erhalten.
Sollte aber gelegentlich das epochemachende Geistes-
produkt des mir leider unbekannten Herrn Broederlam
besungen werden, dann werde ich die Kunst-Halle mit
doppeltem Interesse lesen.
Mit vorzüglichster Hochachtung
L. W. Gutbier.
Da dieses aumuthige Schreiben, in dem uns die
Freundschaft und das Abonnement eines so strammen
„Modernen" gekündigt wird, doch wohl mehr für
Herrn Melchior Broederlam bestimmt war,
sandten wir es ihm zur Beantwortung mit der
dringenden Bitte, uns das gewünschte Geistes-
produkt schleunigst zur Verfügung zu stellen, da uns
natürlich viel an dem zugesagten doppelten Interesse
des Herrn Gut bi er jun. gelegen sein muß ....
Herr Melchior Broederlam ersucht uns nun
um Aufnahme der folgenden Zeilen:
Herrn L. W. Gutbier, jun.,
i. Fa. Ernst Arnold, Königl. Hofkunsthandlung
Dresden.
Geehrter Herri
Mit aufrichtigem Bedauern habe ich neulich in Ihrem
Kunstsalon ein Gemälde sehen müssen, durch dessen Auf-
hängung in rücksichtslos scharfer Beleuchtung Sie augen-
scheinlich den Beweis erbringen wollten, daß der bisher
gefeierte Antor doch blos ein schmierender Faiseur sei. Sie
hätten dieses Bild, um den berühmten Autor und seine
Freunde nicht zu kränken, niemals so hängen dürfen, daß
man das Machwerk deutlich sehen und den wahren Werth
sofort erkennen konnte. Ich ersehe daraus, daß Ihr
Kunstgeschäft doch in keinem Zusammenhang mehr steht
mit den modernen Bestrebungen, d. h. den klugen Geschäfts-
rücksichten Ihrer gleichgearteten Kollegen und bitte mich
darum nicht mehr als Besucher Ihres Kunstsalons zu be-
trachten.
Ich verlange nun allerdings nicht, daß Sie als kriti-
sirender Kunsthändler auch besser malen sollen, als jener
bloßgestellte „berühmte" Künstler. Doch schließe ich aus dem
höhnenden Muth Ihres Schlußsatzes, daß Ihnen schon ein
„epochemachendes Geistesprodukt" geglückt ist, das Sie ge-
legentlich auch von mir in der Zeitschrift „besungen"
finden wollen, die Sie künftig nicht mehr lesen. Seien Sie
überzeugt, daß auch ich Ihre stets zu meidende Kunst-
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fest, daß wir gelegentlich auch gern Andersurtheilenden
freie Bahn lassen, die — wie Georg Fuchs in seinen
Münchener und Darmstädter Ausstellungsberichten erst
neulich wieder —- deu Sezessionen genau so viel Teil-
nahme und Aufmerksamkeit zuwendeu wie den klebri-
gen. Das wird uns indeß auch fernerhin niemals
in dem Grundsatz irre machen, ohne Rücksicht auf
das, was die augenblickliche Majorität lobt oder
tadelt, blind vergöttert oder todt schweigt: in diesem
Blatte eine Kritik ausgleichender Gerechtig-
keit zu üben. Denn nur so wird ein in größeren
Zwischenräumen erscheinendes Kunstorgan seine Noth-
wendigkeit und Existenzberechtigung überhaupt er-
weisen können. Den Ehrgeiz, nichts weiter als
ein Nesume der kunstkritischen Leistungen der Tages-
presse, die doch ihre Aufgaben für sich hat, deu
Lesern eines Fachblattes zu bieten, gönnen wir an-
spruchsloseren Rivalen, die, indem sie den Mantel nach
dem Winde drehen, unangefochten ihren Weg gehen,
Niemandem zu Leide, aber auch Niemandem
zu Nutzen .... Wir unsererseits versuchen den
modernen Kunstbestrebungen eben anders zu dienen.
Weder dadurch, daß wir die gemachten Größen unse-
rer Tage im ,,edlen" Wettkampf eifrigst anräuchern,
noch dadurch, daß wir die mit der bekannten Handels-
marke ,,last noveltv" versehenen Auswüchse der
Moderne kräftig lanciren helfen. Wer uns deshalb
Feindschaft gegenüber dem künstlerischen Fortschritt
vorwirft, darf ungefähr mit dem gleichen Recht Den
einen Goetheoerächter schelten, der sich heimlich ge-
lobt hat, niemals den Namen dieses Heros zu zitiren,
mit dem heute gar so viele windige Gesellen einen
sehr beliebten,,litterarischen"Anlauf mühelosnehmeu ..
Groß sind die Anstrengungen zumal auf den:
Gebiete der sog. angewandten Kunst, aber nicht Alles
ist neu und schön, weil der ornamentale Geschmack
sich vielfach verändert zeigt, nicht Alles ist bedeutsam,
praktisch, weil es auf dem Papier, im Bilde sich
vielleicht günstig ausnimmt. Gerade weil eine Reihe
schöner Bilderbögen mit Text, die sich heutzutage Zeit-
schriften nennen, Alles auf den Markt Geworfene
wahllos illustrirt und empfiehlt, bedarf es eines Blattes,
das selbst zu dem Ernsthaft-Neuen eine abwartende Stel-
lung einnimmt, unser heimisches Publikum mahut und
fragt, ob sich das Fühlen und Sinnen des Volkes
auch in Mitten dieses Neuen wohlfühlen, vertiefen
oder aber verarmen, verflüchtigen werde. Jene
„Modernen", die deu Zweifel darüber für sehr über-
flüssig halten, die nur den „Alten" den Muth ihrer Kritik
fühlbar zu macheu wissen, das Neue in jeglicher Form
aber knechtselig bewundern, verdienen wohl die harte
Behandlung, die Melchior Broederlam in einem be-
stimmten Falle für die angemessene hielt ... Es scheint
nun, daß sich dadurch ein paar Leute in ihrer Ruhe
oder in ihrem Geschäft gestört fühlten, wie nämlich
aus folgender Zuschrift hervorgeht:
Dresden, ^2. Dktober.
Herrn Prof. vr. Galland.
Geehrter Herri
Mit aufrichtigem Bedauern habe ich den Aufsatz ge-
lesen, den Herr Melchior Broederlam sich bewogen gefühlt
hat, am t- Dktober in der Kunst-Halle zu veröffentlichen.
Ich ersehe daraus, daß Ihre Zeitschrift doch in keinem
Zusammenhang steht mit den modernen Bestrebungen und
bitte mein Abonnement künftig nicht aufrecht zu erhalten.
Sollte aber gelegentlich das epochemachende Geistes-
produkt des mir leider unbekannten Herrn Broederlam
besungen werden, dann werde ich die Kunst-Halle mit
doppeltem Interesse lesen.
Mit vorzüglichster Hochachtung
L. W. Gutbier.
Da dieses aumuthige Schreiben, in dem uns die
Freundschaft und das Abonnement eines so strammen
„Modernen" gekündigt wird, doch wohl mehr für
Herrn Melchior Broederlam bestimmt war,
sandten wir es ihm zur Beantwortung mit der
dringenden Bitte, uns das gewünschte Geistes-
produkt schleunigst zur Verfügung zu stellen, da uns
natürlich viel an dem zugesagten doppelten Interesse
des Herrn Gut bi er jun. gelegen sein muß ....
Herr Melchior Broederlam ersucht uns nun
um Aufnahme der folgenden Zeilen:
Herrn L. W. Gutbier, jun.,
i. Fa. Ernst Arnold, Königl. Hofkunsthandlung
Dresden.
Geehrter Herri
Mit aufrichtigem Bedauern habe ich neulich in Ihrem
Kunstsalon ein Gemälde sehen müssen, durch dessen Auf-
hängung in rücksichtslos scharfer Beleuchtung Sie augen-
scheinlich den Beweis erbringen wollten, daß der bisher
gefeierte Antor doch blos ein schmierender Faiseur sei. Sie
hätten dieses Bild, um den berühmten Autor und seine
Freunde nicht zu kränken, niemals so hängen dürfen, daß
man das Machwerk deutlich sehen und den wahren Werth
sofort erkennen konnte. Ich ersehe daraus, daß Ihr
Kunstgeschäft doch in keinem Zusammenhang mehr steht
mit den modernen Bestrebungen, d. h. den klugen Geschäfts-
rücksichten Ihrer gleichgearteten Kollegen und bitte mich
darum nicht mehr als Besucher Ihres Kunstsalons zu be-
trachten.
Ich verlange nun allerdings nicht, daß Sie als kriti-
sirender Kunsthändler auch besser malen sollen, als jener
bloßgestellte „berühmte" Künstler. Doch schließe ich aus dem
höhnenden Muth Ihres Schlußsatzes, daß Ihnen schon ein
„epochemachendes Geistesprodukt" geglückt ist, das Sie ge-
legentlich auch von mir in der Zeitschrift „besungen"
finden wollen, die Sie künftig nicht mehr lesen. Seien Sie
überzeugt, daß auch ich Ihre stets zu meidende Kunst-