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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 12
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M., C.: Dresden: Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0213

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Nr. f2

Die Kunst-Halle

der plastischen Bildwerke des Berliner Bildhauers
Kruse-Lietzenburg in würdiger Aufstellung: es war
interessant zu sehen, wie sich Kruse-Lietzenburg mit
seinem Liegesboten vonMarathon und der Grabgruppe
„Mutter Erde" bis zu der entzückend feinen in Holz
geschnittenen und leicht geschmackvoll getönten Gruppe
eines Liebespaares entwickelt hat. (Line Reihe von
Bildnißstudien, theils bemalt und in Mamor oder
Holz ausgeführt, zeigt ihn als hervorragend fein
charakterifirenden Hortraitisten. Leine Versuche, die
Transparentbildhauerei neu zu beleben und ihr Reize
abzugewinnen, wurden auch hier als uicht gelungen
und als Verirrung angesehen, da das Ausklügeln der-
artiger Wirkungen weit ab vom künstlerischen Lchaffen
liegt. Gleichzeitig war eine Anzahl großer meist
biblische Ltoffe behandelnder Bilder von Aug. von
Brandts ausgestellt, die als Zeugnisse tüchtigen Fleißes
und ernsten Wollens interessierten, aber kein Bild
einer reifen Persönlichkeit geben, die so große Ltoffe
in solchem Formate meistern kann. Ls folgte eine
stattliche Kollektivausstellung der Weimarer Künstler-
schaft, die sich Theilnahme erweckte und im Ganzen
einen guten Lindruck vou dem Ltrebeu der dortigen
Künstler hinterließ. Da wenig ganz Neues gekommen
war, was nicht schon hier in dem direkten Berichte
aus Weimar erörtert gewesen wäre, sogar recht viele
alte Atelierhüter, so genügt es festzustellen, daß die
Landschaftsmalerei unter der Führung des ältesten
der Professoren, Theodor Hagen, am jugendfrischesten
und zukunftsreichsten aussieht. Hagen selbst war mit
s2 Bildern vertreten, unter denen einige Werke
ersten Ranges so z. B. der Waldweg und Regen-
stimmung an der Ilm, waren. Hrof. M. Thedy fiel
besonders durch einen ungemein echt im Ltile Holsteins
gemalten Ltudienkopf auf, Frithj. Lmith durch ein
älteres tonschönes Damenportrait und einige prächtig
frische landschaftlicheLtudien. Von den anderen Malern
seien in der Landschaft Rohlfs, Weichberger, Haasen-
ritter, Merker und Förster, im Fache der Genremalerei
Otto Rasch, dessen feines Interieur „Aus der Zeit
der Herzogin Anna Amalie" koloristisch überaus fein-
sinnig gemalt ist, Hannemann, Ltarke, Hlühr, Urban
und T. A. Brendel hervorgehoben.
Als gern gesehener Gast kam dann Hrof. Lug.
Bracht mit mehr als 20 seiner temperamentvollen
Werke, die in ihren starken Vorzügen, aber auch in
ihren Lchwächen ein interessantes Bild von dem
Ltreben dieses schwungvoll schaffenden „Balladen-
malers" gasten. Wenn er die Darstellung des inner-
lich Geschauten und stark Empfundenen immer frei
von Manier hielte, so würde der Künstler Vorzüg-
liches schaffen können. Neben diesen Lachen wären
noch Blumenstücke und Ltillleben der talentvollen
Breslauerin Nees von Lesenbeck, überraschend feine,
echt deutsche Laudschaften von R. Ieschke, eine Reihe
von Bildnissen von Richard Böhm und neuerdings
eine stattliche von dem Leipziger Verein für Buch-
gewerbe veranstaltete Ausstellung von Meisterholz-
schnitten, die zum großen Theil diese Bezeichnung in
der That verdienen, zu erwähnen.
Während des gleichen Zeitraumes brachte der
Wolfframm'sche Kunstsalon im viktoriahause erst
eine interessante Kollektivausstellung des unseren Lesern
ja zur Genüge bekannten Koloristen Raffael Lchuster-
Woldan, der sich leider nicht immer frei von Manier
hält undeinevonUeberhebung zeugende, mit Teppichen,
Fellen und Halmen wenig vornehm von ihr selbst
arrangirte Ausstellung der Blumenmalerin Emily
Lengnick, die künstlerisch nichts erhebliches bot. Dem
folgte der Meißner Oskar Zwintscher mit einer


größeren Anzahl von Bildern, die viel Widerspruch,
aber auch viel Anerkennung fanden. Zwintscher ist
zweifellos ein starkes Talent, wie man aus seinen groß
und einfach gesehenen Landschaften, die ein feines
eigenartiges Stilgefühl verrathen, sieht, aber er läßt
sich einerseits offenbar von ausländischen Absonderlich-
keiten dermaßen imponiren, daß sein Lchaffen davon
beeinflußt wird, andererseits hat er eine Neigung zur
Sensation, die feinerer künstlerischer Empfindung
fremd ist. Farbig genommen sind seine Bilder oft
ein merkwürdiges Gemisch von überraschenden Fein-
heiten und Rohheiten, so daß man leider nie recht
zum Genuß kommt. So war da ein Bild, das eine
auf einer Wiese lagernde Familie zeigt — der hinter
dem Kopfe des Kindes ausgehende Mond sollte
ziemlich plump die heilige Familie andeuten —
mit einem Blick auf das in Dämmerung liegende
herrliche Ltädtebild von Meißen; dies war ein
Meisterstück an feiner Stimmung, die aber leider
gänzlich zerstört wurde durch Wolken von siegellack-
rother Farbe. Aehnliche geschmacklose Effekte sind
bei ihm nicht selten, was um so bedauerlicher ist,
als Zwintscher die heute so wichtige Fähigkeit besitzt,
groß und mit Ltilempfindung zu sehen. Von dem
jetzt in Haris lebenden Kühlschüler Georg Lrler
sahen wir dann vortreffliche Zeichnungen und Na-
dirungen und von dem Belgier Leon Frsdsric einige
feiner mit altdeutscher Glätte und Durchbildung ge-
malte Bilder, die auch bei dem einfachsten Stoff
durch ihre persönliche Eigenart interessiren. Dann
kamen in rascherem Wechsel die Schotten James
Haterson und Torsan Morton mit ihren poetischen
Landschaften und ersterer mit einigen verblüffend
virtuos in Aquarell gemalten Blumenstücken, dem
besten, was uns auf diesem Gebiete je vorgekommen
ist; gleichzeitig war eine Nachlaßausstellung des
genialen Radirers Fslicien Rops veranstaltet, die
überaus anregend und interessant war: ich kann
mich denen nicht anschließen, die in Werken dieses
Künstlers Littenpredigten gegen das Laster sehen
und ein edles hochgesinntes Empfinden, denn mir
scheint die Lüsternheit und die Freude am Leben in
den Kreisen der Halbwelt zu deutlich durch alle
geistreichen Einfälle hindurch zu scheinen, aber ich
gehe mit denen, die in Rops einen der genialsten
Zeichner und Nadirer, der die Mittel seines Materials
in vollendetster Weise künstlerisch ausgebildet hat,
sehen. Ihnen folgte der Berliner Hans Baluschek
mit einer Kollektivausstellung seiner modern empfun-
denen Bilder, unter denen besonders die Hastelle aus
dem Bahnhofsleben durch die unmittelbare Wahrheit
undAnschaulichkeitfesselten. In einigen Federzeichnungen
kommt er allerdings kaum über gewöhnliche Illu-
stration hinaus.
In Ernst Arnolds Kunstsalon (Gutbier)
waren während dieses Zeitraumes kleine Kollektiv-
ausstellungen der Dresdner Haul Hoetzsch und Hans
Täger und des Münchners Fr. Hrälß. Die des
Genremalers Hoetzsch brachte einige vortreffliche, fein
studirte und technisch sehr reizvoll behandelte In-
terieurs und frisch hingestrichene Landschaften. Der
Iagdmaler H. Täger fesselte besonders durch seine
prächtigen Bleistiftzeichnungen aus Wald und Ge-
birge, während Hrölß mit seinen „ansprechenden"
Genrebildern nichts Neues bot. Die darauf folgende
Ausstellung der Münchner XXIV. sei für den nächsten
Bericht vorbehalten.
Emil Richters Kunstsalon endlich (Europ.Hof)
brachtenach einer reichhaltigen kunstgewerblichen Weih-
nachtsausstellung^ interessante Handzeichnungen von
 
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