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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 13
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Galland, Georg: Neues von alter Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0226

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OH '—-R Die K u n st - b) a l l e — Nr.

wundersame Märchendichtung des Orients uns in
kühnsten Farben schildert, an die Macht der Khalifen,
die Fracht der Bazare in den Straßen, an jene Welt
voll traumhafter Schönheit und Glückseligkeit, voll
Zartheit und Ritterlichkeit der Gefühle.
Unsere Phantasie muß in der That sehr Mit-
arbeiten, um diese monotonen Aufnahmen von Bau-
ruinen mit ihrer menschlichen Staffage, den zerlumpten
Nacbkommen jener glänzenden Generationen, um
kleine Bruchstücke und Reste von Thon- und Glas-
objekten, von Bronzen und Webstoffen zu farben-
freudigen Bildern lebendiger Vergangenheit zu er-
gänzen. Aber der Versuch ist in jedem Falle er-
sprießlich für Misere wißbegierigen Leser, lohnend
zumal für den modernen Künstler, dem es ab und
zu noch thut, sich herauszureißen aus den deprimirenden
Umschlingungen des täglichen Einerleis. Nur nützlich
kann es auch der erhofften Gedanken- und Phantafie-
kunst sein, wenn gelegentlich ein kräftiger Luftzug
aus weit entfernten Regionen durch die Thüren und
Fenster eurer cherzen dringt, ihr Künstler, die ihr
euer hohen Zwecken geweihtes Dasein heutzutage oft
durch Partheigezänk und mancherlei unheilige Sonder-
interessen vergiften läßt, bherbei also, ihr Herren, die ihr,
von der täglichen Arbeitslast gebeugt, für die hin-
kümmernde Phantasie manchmal poetischer Sensationen
weit mehr bedürft, als selbst des nützlichen Brotes!
Der Rücken des geflügelten Zauberrofses, von dem
das orientalische Märchen erzählt, wird euch, Zeit
und Raum überwindend, zum Throne uralter Poesie
emportragen, wo von den Korallenlippen der
Scheheresade wunderbare Märchen klingen aus der
Zeit des Abbassiden bsarun-al-Raschid, sodann auch
mitten hinein in die längst entschwundenen Blüthen-
epochen des künstlerisch gewerblichen Lebens von
Bagdad, Taebris, Tiflis und Samarkand. . .
Diesen retrospektiven Blick gestattet uns eben die
Sonderausstellung des Dr. F. Sarre im Lichthof
jenes Museums. Für die spätantike und frühmittel-
alterliche Zeit der Sassaniden ist nichts eigentlich
Neues durch diese Reise hinzugekommen. Nur gleich
vorn am Eingang wird eine der frühesten Epochen
gestreift: man sieht flache Abformungen und danach
gezeichnete Schwarz-Weißblätter von Theilen der per-
sischen Felsreliefs bei Tagh-i-Bostan, eines dem sassa-
nidischen Fürsten Khosroes II. (5s) f—628) geltenden
Denkmals. Sie verbildlichen plastisch ein paar
Stoffmuster von Gewändern des Fürsten und seines
Gefolges. Man will in dieser neugewonnenen Vor-
lage wohl etwas zu weitgehend, „eine absolut sichere
Grundlage für weitere Datirungen" von safsanidischen
Seidenstoffen besitzen.
Das unzweifelhaft größte Znteresse beanspruchen
in der vorliegenden Sammlung die Werke der
Keramik. Man weiß ja, daß der gebrannte Ziegel
in Mesopotamien wie im iranischen bsochland seit
Alters das gebräuchliche Baumaterial war und daß

man hier den Thon mit Malereien auch nut Reliefs
zu schmücken und zu glasiren jederzeit wohl ver-
standen hat. Zwei Baudenkmäler aus seldschukischer
Zeit, aus den: (2. Jahrhundert, veranschaulicht durch
die meisterhaft gezeichneten Rekonstruktionen und
Details des Geh. Rat Prof. Zakobsthal, beides
Grabstätten — Mausoleen im OrteNachtschewan, zeigen
eine durchaus vollendete Backsteinarchitektur. Diese
trotz der spätern verwüstenden Mongolen-Znvasion
unter Dsingiskhan noch ziemlich gut erhaltenen Mo-
numente fesseln bereits mehr durch die reiche kera-
mische Ausstattung der Fronten als durch die archi-
tektouisch-plastischen Formen ihres thurmähnlichen Auf-
baues. Zn dieser merkwürdigen Erscheinung besteht
ja gerade die Sonderart des orientalischen Pracht-
baues gegenüber unseren künstlerisch hervorragenden
Monumenten. Die Flächen des einen achteckigen
Thurmes find mit Rohziegel-Mustern inkrustirt, während
an dem wenig jüngeren Mausoleum des Zldeghis
die geometrischen Muster durch türkisblaue Glasur-
steine zugleich farbiges Leben gewinnen.
Die chöhe der keramischen Kunstleistungen Per-
siens repräsentieren aber die in mehreren Proben in
der Sammlung vorhandenen Lusterfliesen des (3
und O. Jahrhunderts. Sie dienten einst als kost-
barste Wandbekleidung im Znnern der Moscheen.
Zn den Formen verschieden, bald viereckig bald auch
aus achteckigen und sternförmigen Theilen zusammen-
gefügt, besitzt ihre Bemalung einen durch Kupferoxvd
und Silber erzeugten röthlich goldigen Glanz. Außer
Zuschriften hat die b)and des Künstlers hier meist
vegetabilische, thierische und figürliche Schmuckmotive
geschaffen. Rein technisch ist in der gleichzeitig auf-
tretenden Fliesen-Mosaik noch ein weiterer Schritt
gelungen: man fchnitt vorgezeichnete Stücke, Orna-
mente, aus weißen und farbigen Fliesen sorgfältig
heraus, fügte sie mosaikartig aneinander und ver-
band die Fliesen mit flüssigem Mörtel, persische
Keramiker scheinen dieses technische Verfahren zuerst
im Dienste der Sultane von Zkonium auf Kleinasien
um die Mitte des (3. Zahrhunderts geübt zu haben,
also schon zu einer Zeit, da in ihrem östlichen per-
sischen Vaterland die Mongolenherrschaft solcher
Verfeinerung des künstlerischen Luxus noch im Wege
stand. Als später das mongolische Zoch abgeschüttelt
wurde ZH35), schuf inan auch hier Bauten von fo
edler Ausstattung und Durchbildung, daß sie, wie
die berühmte Blaue Moschee in Taebris, eine
Stiftung des Fürsten Djehankhan, sür uns ungefähr
das beste in dieser Art orientalischer Keramikdekoration
veranschaulichen. . .
Zch möchte dem weniger geduldigen Leser nicht
zumuthen, einer Aufzählung aller in dieser Sammlung
berücksichtigten persischen Ruinen von Moscheen,
Mausoleen und Medressen (Schulen) zu folgen. Als
den wichtigsten architektonischen Tchpus einer späteren
Bauepoche haben Sarre und Schulz der zum Rational-
 
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