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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 13
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Rust, Agnes: Die Cornicelius-Ausstellung in Hanau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0228

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G6

Die A u n st - H a l l e

Nr. l3

seiner Vaterstadt, verbracht. Mühe und Arbeit be-
deutete dieses Lieben und es müßte daher nach dein
Bibelsprüche „köstlich" gewesen sein. Angesichts der
unpassenden Ausstellung in den Räumen der
Hanauer Kunstschule muß inan unwillkürlich fragen:
„Und das Alles bat ein so selten in der fresse ge-
nannter Maler geleistet?" wie es beißt, soll diese
Sammlung noch nicht einmal der ganze Nachlaß des
Meisters sein. Ansangend von den frühesten Arbeiten
aus den fünfziger Jahren bis zum letzten nicht ganz
vollendeten Gemälde „Auferstehung" frappirt über-
all die Kraft der Farbe, die große Bravour des Vor-
trags. Ls ist höchst iuterefsant, vou einem Jahrzehnt
zum aiidern die wechselnden Malweisen und Rich-
tungen studieren zu könuen. Jahrzehnte, nicht Wochen
wie fetzt, brauchten damals die „Gssümbarungen", bis
sie erfaßt und ausgenommen wurden und sich wieder
ausgelebt hatten. Unschwer bemerken wir die Herr-
schaft der jeweils' tonangebenden, schulemachenden
Meister: Schwind, Pilotp, Feuerbach haben beson-
deren Lindruck hinterlassen. Damit soll durchaus
nicht gesagt sein, daß die Ligenart des Künstlers sich
nicht daneben behauptet. Lornioelius war kein Lklek-
tiker im gewöhnlichen Sinne, dafür spricht zu stark
der geistige Inhalt seiner Bilder. Die wundersame
deutsche Märchenwelt hat auch ihn einst gelockt, wie
die Zigeunerromantik der alten Düsseldorfer'; Roth-
käppchen, Aschenbrödel, Siegfried und andere Lieb-
linge der Nation haben seine Phantasie angeregt.
Lilie besondere Betrachtung verdient Lornioelius
als Bildnißmaler. Lilie stattliche Reihe meist lebens-
großer Porträts werden uns vorgeführt, wechselnde
Malweisen und wechselnde Moden können genau be-
obachtet werden, wir wissen, daß gute Porträts aus
den fünfziger, sechziger Jahren nicht allzu häufig sind.
Mit dem Arrangement hatte es der Maler damals
viel schwerer. Heutzutage, wo — zumal in der Klei-
dung des schönen Geschlechts — sich ein künstlerischer
Zug gelteiid macht, braucht nach der Lleganz der
Lrscheinung nicht so lange gesucht zu werden, was
einst unter dem Zeichen jener ost nüchternen Tracht
aus einem Modell zu machen war, das hat Meister
Lornioelius trefflich verstandeu. verschiedeues darf
sich getrost lieben die gleichzeitig vor einigen Jahren
im Münchener Glaspalast vorgesührten Arbeiten be-
rühmter französischer Meister stellen.
Nur eiu Vorwurf läßt sich heute uicht unterdrücken.
Der Künstler hat manchmal „geschmeichelt"; zu aus-
fällig gestrebt, sein Modell mit einem feststehenden
Schönheitsideal in Linklang zu bringeu. Das zeigt
sich öfters in seinen Porträts junger Mädchen und
Frauen, wo jeder Zwang aber wegsiel, bei Herren-
bildnissen, bei einigen Köpfen älterer Damen, ist eine
Freiheit der Auffassung, eine realistische Wiedergabe
des Lharakteristischen zu koustatiren. Ls sind hier
Sachen darunter von intimstem Reiz, und die Hände
möchte ich noch speziell loben. Ls ist eine Freude,

so gut gezeichnete, so individuell gefühlte Hände zu
phen! Mit besonderem Verständniß hat Lornioelius
auch das „Kind" ausgesaßt. Wesen und Erscheinung
waren ihm vertraut. Uuter der Meuge von Kinder-
bildern ist dabei kein eigentliches Lsfektstück.
wie Eingangs erwähnt, hat auch piloch seineu
Liusluß aus deu Künstler ausgeübt. Lromwell am
Sarge Karl Stuarts, König Lnzio — im Kerker —
sind die bemerkenswertesten der unter diesem Einfluß
eutstaudenen historischeu Gemälde. Mehr uud mehr
hatte sich aber seine Neigung zum Religiöseu ge-
wendet. Lin Blick aus seiu dem Katalog beigegebenes
Porträt aus späteren Lebensjahren zeigt uns erliste
regelmäßige Züge, die ein Ausdruck tiefster Schwer-
niuth anzieheud macht; zugleich aber auch wird das Ge-
fühl einer gewissen Pein in uns erweckt. Das Leben
mag ihm wohl nicht immer das heiterste Antlitz zu-
gekehrt haben.
Diese grundernste, fast melancholische Anlage tritt
uns in allen, ein religiöses Sujet behandelnden Werken
entgegen. „Veronika", im Ausdruck höchsten Schmerzes,
ist zumal ergreifend geschildert. Die Gestalt Lhristi
hat ihn ost beschäftigt. vom Satan versucht, von
Judas geküßt, als sinnende Linzelsigur — wieder und
wieder ist es der Erlöser, der für die Menschheit
Leideiide, den sein Pinsel aus die Leinwand damit.
Die Trauer, die ihu selbst so ost gefangen hielt, er
wollte sie im Bilde des Erlösers ausdrücken; viel-
leicht — um sich selbst davon zu besreieu?
Ganz fremd war seinem Wesen aber auch der
Humor nicht. Mitten unter den vornehmen Herren
und Damen, den ernsthaften Historien- und schwär-
merischen Märchengestalten hängt ein lustiges Bildchen,
eine „Szene aus Schiechtls Kasperltheater". Mit
osseneu Mündern und strahlenden Augen sehen die
pausbäckigen Hanauer Buben und Mägdelein zu
dem wundermanne empor.
Lornioelius war auch technisch vielseitig und hat
nicht blos die Oelmalerei kultivirt. Zahlreiche
Aquarelle zeigen ihn auch hierin als geübten Meister,
und das einzige vorhandene Pastellporträt (ein schöner
Frauenkops) läßt bedauern, daß er nicht öfter dies
dankbare Material benützte. Bis in die jüngste Zeit
hinein läßt sich verfolgen, mit welcher Energie der
Künstler aii seiner Weiterentwicklung gearbeitet hat.
Ausfallende Fortschritte sind besonders in den Fleisch-
tönen der letzten Bilder zu bemerken, die in Feinheit
der Farbe und Kraft der Lichtwirkung modern zu
nennen sind. Mit den neuesten Richtungen hat Lorni-
oelius freilich nicht sympathisirt.
Auch als Zeichner hat sich der Hanauer Meister
immer seiner und freier entwickelt. Line seiner
frühesten Bleistift-Zeichnungen ist wohl die Studie
der „Freischärler", wie befangen, fast schüchtern
erscheint hier der Vortrag, stellen wir spätere Kohle-
mid Kreidezeichnungen dagegen!
 
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