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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 14
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Galland, Georg: Die Velazquez- und Van Dyck-Feste
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0244

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4- Die Kunst-Halle

Nr.

und llldel. Dieser sinnvolle und üppige Festzug wird
am Mittwoch d. s6. ölugust zuerst stattfinden und
zwei Mal, an den folgenden Sonntagen, sich wieder-
holen. Er wird Bilder von zehn Kunstepochen in
reichen bunten Figurengruppen veranschaulichen, Zn
berückender Meise dürfte vor Augen treten, womit
die herrliche Künstlerphantasie die Menscher: seit
Alters beglückt hat: in Egypten, Griechenland, Rom,
Byzanz, im Orient, zur Zeit der Gothik, der
Renaissance in Florenz, Nürnberg und Antwerpen,
und endlich wird die glorreiche Epoche des Rubens
nut einer dem feurigen Mesen van Dycks entsprechen-
den Apotheose wirksam abschließen. Dabei wird
man, dank einer ausgezeichneten fachmännischer: Be-
theiligung, in der Lage sei::, in sämmtlicher: Kostümen
mit absoluter archäologischer Treue zu verfahre::.
Sogar die musikalischer: Klänge, die die Gruppen-
bewegungen stilvoll begleiten solle::, wird man nach
wirklich alter: Melodie:: der: Originalinstrumenten
jener alten Nolker entlocken lassen. Unleugbar darf
mar: sich also ar: der Schelde aus eine erstrangige
festliche Veranstaltung gefaßt machen.
Schauplatz der Velazqueztage in Spaniens
Hauptstadt wird lediglich sein: das unvergleichliche
Prado-Museurn und seine nächste Umgebung, die Ealle
Felipe IV. Der: Höhepunkt der Feier wird die Ent-
hüllung eines Velazquez-Monumentes in: Beisein des
Hofes, unter andachtvoller Theilnahrne vor: Freunden
der schönen 'Künste und Litteratur Spaniens, bilden.
Der heilige Geist der Kunst wird die Herzen der
Theilnehmer gewiß erfüllen, auch wer::: dort Alles
viel weniger prunkend erscheinen sollte als in Ant-
werpen. Der Mürde eines solcher: Festes wird da-
durch wahrlich kein Abbruch geschehen . . . Mancher
wird es wohl nicht unbegreiflich finden, daß auch
heute der Ruhm des vlämischen Maler-Kavaliers,
des immer sieghaften Eharmeurs, dessen Palette nut
ihrer: leise gedämpften Farben einst die Grazie:: hold
umtanzten, weit lauter erklingt als jenes unverwelk-
liche Verdienst, das die herbe Kraft und zwingende
Mahrheit des Spaniers repräsentirt. van Dyck war
trotz der Erfahrungen seiner letzten Zahre ein
rechtes Sonntagskind. Schon als blutjungen: Künstler
strömte ihn: in Gberitalien die Kundschaft des Hoch-
adels verlangend zu. Er brauchte nur die Hände
auszustrecken, um die schönsten Früchte zu pflücken.
Zn Genuas Palästen und Gallerten zählt inan noch
etwa ein halbes Hundert zum Theil erstrangiger
Bildnißschöpsungen vor: ihm, die der: aufstrebenden
Züngling damals schon in die Reihe der größten
Menschendarsteller aller Zeiten erhoben.
Zn den: einer: bekannten Schicksal sind sich aber
Velazquez und van Dyck wunderbar begegnet: sie liehen
ihre hohe Kunst zwei Fürsten vor: gleich schwächlichen
Naturanlagen. Trotzdem haben sie in diesen könig-
licher: Type:: Figuren von abgeklärtester Kunst-
schönheit hinterlassen. Respekt erfüllt uns vor solcher

Fähigkell, und ergriffen stehen wir vor den Gestalter:
Philipps IV. und Karls I. Stuart. Zhre Hofmaler
waren die beider: Künstler und nur um Lohn schüfe,:
sie solchen klassischer: Ausdruck der Majestät. Zhr
Dank war also fürstlicher als je ein Geschenk sein
konnte . . . Nur einige Süßigkeitei: vom Baume des
Lebens, das Thoren ihn: so gern verkümmern, bean-
sprucht der geniale Künstler — nnd dafür spendet
er manchmal nicht mehr und nicht weniger als Un-
sterblichkeit. . . .
Mir in Deutschland besitzen zum Glück ein gar
weites Herz für fremdes wie für eigenes Schöne,
ein Organ, das uns ost ohne Schwierigkeit be-
fähigt, die Tugenden anderer Nationei: zu würdiger:.
Mir finden damit leider nicht immer Gegenliebe.
Verkannt sein thut freilich weh — aber neidlos an-
erkennen erfüllt sehr nut Stolz. So erleben wir Er-
eignisse draußen:, ar: denen unser Gernüth so tief An-
theil nimmt, daß sogar fremde Ehre — unsere Ehre
werden kann. Mir sagen z. B. Velazquez und var:
Dyck sind auch uns zur Monne vor öOO Zähren ge-
boren worden. Mir beglückwünschen uns zu so er-
lauchten Geistern. Ein jeder rechte deutsche Kunst-
freund feiert — so Viele von uns auch leiblich der:
Madrider und Antwerpener Zubelfesten fern bleiben
müssen — still für sich das gesegnete Andenken der
beiden Zngernen. Mancher heimische Ort nut einer
öffentlichen Gallerie wird, ans deren Bestand elimüürt,
eine größere oder kleinere Ausstellung von originalen
oder nachgebildeten Schöpfungen der Meister ver-
anstalten und so sich dankbar bemühen, einen geistigen
Konnex nut jenen beiden Festorter: des Auslands herzu-
stellen . . . Mir handeln so auch unsertwegen, weil wir
— sintemalen moderne Unkunst und ihre Fanatiker sich
so laut nut ihren suggestiven Erfolgen brüsten —
keine Veranlassung versäumen mögen, offen Farbe
zu bekenne,: und zu konstatiren, daß die allgemeine
Begeisterung für Velazquez und van Dyck den besten
Beweis dafür erbringt, daß es mit den: Sinken des
guten Geschmacks zürn Glück doch nicht so schnell
geht, wie manche fürchten, daß das künstlerische Ge-
wissen noch lange nicht geknebelt am Boden liegt,
daß das Gefühl für echte künstlerische und malerische
(Qualitäten heute noch keineswegs abgestumpft ist. ..
Noch darf daher der gute Genius auch unseres
Volkes hoffen, daß die beiden Gefeierten, die gleich
allen ihnen ebenbürtigen Meistern wahrhaften Zdealen
stets gedient — um Kraft und Mürde, Schönheit und
Mahrheit, Anrnuth und Znnigkeit für ihre Schöpfungen
zu gewinnen, das ganze Reich menschlicher Ausdrucks-
formen und göttlicher Phantasie in ihren Tiefen und
Höhen durchforscht haben — daß sie lange noch der
kommenden deutschen Kunst getreue Rather und Helfer
selbst in schweren Nöthen bleiben mögen.
 
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