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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 15
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Galland, Georg: Zur Karl Gehrts-Ausstellung in der Berliner Nationalgallerie
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226

Die Aunst-b)alle

Nr. H5

neben den Großen bescheiden herlief — nut seinen:
schalkhaften bsumor zwei Dezennien lang „das Sonnen-
scheinchen" des Düsseldorfer Malkastens, starb im Alter
von erst 45 fahren in der Keilanstalt in Lndenich bei
Bonn an einen: schweren Nervenleiden, das seinen
Geist zuletzt in Nacht gehüllt hatte. Dieser seltsame,
aber nicht eben vereinzelt gewesene Kontrast zwischen
schaffen und Lebensschicksal kann sentimentale Nekro-
logschreiber leicht zu falschen Schlüssen stimuliren.
Ls ist über den verstorbenen Prof. Gehrts mittler-
weile recht viel geschrieben worden; aber wenig ist
dabei zur Lrklarung seines vielfältigen Strebens, zur
Kritik seiuer nicht durchweg gleichwertigen Werke ge-
sagt worden.
bsierzu ladet die gegenwärtige Ausstellung in der
Kgl. Nation algallerie, so lückenhaft sie natur-
gemäß auch seiu mußte, den ernsten Betrachter ein.
Zusammen mit dem Material, das demnächst auch
der Berliner Künstlerverein aus der Weimarer Zeit
des Küustlers uud die Moabiter Ausstellung in der
Abtheilung der Illustratoren vorzuführen gedenkt, wird
die Möglichkeit gegeben sein, ihn: nach allen Nich-
tungen hin gerecht zu werden und den: kunst- und
hoffentlich auch kauffreudigen Publikum einen so sym-
pathischen deutschen Maler nahe zu führen, dessen
Namen bis zur Vollendung seiner dekorativen Schö-
pfungen in der Düsseldorfer Kunsthalle (f8s)7)
größeren Kreisen in: weite,: Vaterlande eigentlich nur
weuig geläufig war, am relativ meisten wohl noch
durch die Mouatsbilder u. a. Federzeichnungen für
„die Fliegende:: Blätter" und die vorzüglichen Schwarz-
Weiß-Illustrationen zu Goethes Neinecke Fuchs, neben
den: er u. A. DHomas a Kempis „Don der Nachfolge
Thrifti" in früheren Jahren schon illustrirt hat. was
die gegenwärtige Ausstellung betrifft, so sind die hier
vorhandene:: Sachen sehr hübsch gehängt bezw. aus-
gelegt; aber leider verdieut der Katalog das gleiche
Lob keineswegs: es wimmelt darin von fatalen Flüch-
tigkeiten — er erschwert auch wegen seiner Unübersicht-
lichkeit das Studium der Werke eher, als er es fördert.
Das Lebenswerk von Karl Gehrts erweckt um
so lebhaftere Theilnahme, fe mehr man aus autobio-
graphischen Aeußerungen, zumal aus seinen Briefen,
Postkarten u. dgl., die nut witzigen Marginal-
zeichnungen förmlich überschüttet sind, seine so sensitive
Natur, seiue sprühende Munterkeit, sein rastloses
Dorwärtswollen kennen gelernt. Begonnen hat seine
künstlerische Lntwickelung in Weimar, wohin er in:
Jahre f87s übersiedelte und das er fünf Jahre nach-
her nnt dem rheinischen Kunstorte für immer ver-
tauschte. Sei:: Freund und Landsmann T. w. Allers,
der fa ebenfalls den saftreichen Hamburger k^umor
in einer allerdings behäbigeren Form zeichnerisch
vertritt, hat das Körperhafte unseres Künstlers an:
schärfsten, ansprechendsten aufgefaßt, ohne indeß das
Seelenleben intim zu erfassen, ohne nur anzuderlleu,
welch ein zarter, empfindsamer, in: freundlichsten

Familienglück unabgehärteter Organismus hiuter dem
Bilde damals noch blühender Gesundheit lebte. Doch
zurück zur Weimarer Kunstschule. Mehr als Karl
Gussow, der die Technik des Malens über Alles
setzte, übte ein zweiter Lehrer, der piftorienschilderer
Albert Baur, Linfluß auf ihn aus; er brachte den:
Schüler die künstlerische Geometrie des Kompouireus
bei, das Manche für das unzweifelhaft wichtigste in
der pistorien- und Monumentalmalerei damals hielten,
was doch genau so viel hieße, als wäre für den Werth
einer Bauschöpfung der Grundriß das Ausschlag-
gebende. Den: jungen Gehrts machte dieses Kom-
poniren viel Vergnügen und darum hielt ihn sein
auf ihu stolzer Lehrer für einen geborenen pistorien-
maler, was den: Betroffenen später einmal das zwar
scherzhaft offenbarte, aber heimlich vielleicht bitterernst
gemeinte Bekenntniß entlockte: den monumentalen
Sinn müsse er doch wohl geerbt haben, da schon
sein Vater — der war nämlich päuseranstreicher —
gewohnt war, sich auf großen Flächen zu ergehen.
weiter bestärkt in dieser Ansicht wurde der un-
ermüdliche Künstler durch den erfolgreichen Ausgang
der einst vielbesprochenen Staatskonkurrcnz um die
wauddekoratiouen des Treppenhauses der Düssel-
dorfer Kunsthalle. Lin wiederholtes Ausschreiben
hatte den gleichen Ausgang und dieses Mal auch als
Lrgebniß den Auftrag, deu die Mehrheit der Düssel-
dorfer Künstlerschaft mit Lnthufiasmus ersehnte und
begrüßte. Daß er damals ohne Frage der wür-
digste unter den Bewerbern war, daß er darauf deu
Gemäldeu von s6 Lünetten und 6 größern Wand-
flächen wirklich reizende Züge, frisches künstlerisches
Leben gegeben, beweist wohl deutlich, was Alles eiu
Talent wie das von Gehrts durch nnmensen Fleiß
und starke Willenskraft seiner Natur in glücklichen
Stunden abringen konnte, ändert aber wohl nichts an
ob:ger Auffassung seiner künstlerischen Ligenart. Ligent-
liche Monumentalkünstler sind in kleinen Lntwurfs-
skizzen, wie sie zu Konkurrenzen iu der Negel ver-
langt werden, ja selten glücklich. Und seine Siege
hierbei verdankte Gehrts grade seinen im kleinen
Nahmen am besten zur Geltung gelangten liebens-
würdigen Ligenschaften, seinem so verständigen Arran-
giren, einen: feinen Farbengeschmack, vor Allem der
den: geübten Zeichner erleichterten Sicherheit des
Skizzirens und endlich der seiner liebevollen Be-
handlung des Stoffes stets willig folgenden Phantasie.
Ls soll dabei zugestanden sein, daß in unserer Gegen-
wart die Fähigkeit für innerlich groß gesehene
Formen überhaupt nur ganz selten noch vorkommt.
Der Beweis bezüglich Gehrts' kann gar nicht frap-
panter geführt werden als jetzt in den: Ausstellungs-
rami: der Nationalgallerie, in Mitten der gewaltigen
Kartons des Tornelius. Selbst das pariser pennoyole
von Delaroche, aus dessen Erinnerungen das läng-
liche Nenaissanoebild der Düsseldorfer Kunsthalle sich
übrigens in der Hauptsache zusammeusetzt, wirkt nut
 
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