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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 15
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Isarius, Hans: Vom Bilderrahmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0264

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228

Die "K u n st - b) a l l e

Nr. iS

herabgemindert haben, bis sie zu dem isolirten eigent-
lichen Bilderrahmen geworden sind, den wir bis
beute — namentlich seit und aus dein (8. Jahr-
hundert — kennen, und der weder ein integrirender
Theil einer Architektur noch auch ein wirklich inte-
grirender Theil des Gemäldewerkes ist. Ihn zu
eiuem solchen zu erheben, ist ein seit Längerem zu
merkender leiser Entwicklungszug, der erst setzt deut-
licher hervortritt.
Dieser geschichtliche Weg ist ähnlich dem des
Dramas, wenn es erst in die Zwischenräume gottes-
dienstlicher Gesänge hineinkomponirt war, dann diese
Gesänge mehr und mehr zu Einfassungen für sich
gestaltete und sie schließlich als seine integrirenden
Bestandtheile immer mehr in sich hineinzog. keines-
wegs aber soll gemeint sein, daß sich jenem Ent-
wickelungszug wie einer Schablone alle Thatsachen
der Geschichte der Walerei fügen. Beispiele für
Walwerke ganz ohne Nahmen finden sich wol in allen
Zeiten und Kulturen, und ein Pineinkomponiren des
Nahmens in das Ganze des Bildes wird zwar im
Allgemeinen immer eher eine spätere Entwickelungs-
stufe sein, ist aber schwerlich erst eine Sache der
Neuzeit; mindestens für Kunstgewerbliches bietet die
Antike nicht Weniges davon.
Jedenfalls aber ist eine stärkere Entfaltung des
Nahmenwesens ein Spätprodukt. Schon bautechnisch
war, nach Semper, die schwache Umrahmung und
Einfriedung das frühere. Die ägyptischen Portraits
aus Faymn (hellenistische Zeit) finden ihre „Um-
rahmung" zumeist iu deu Wumienbinden, von denen
sie umschlossen waren; nur einige hatten wirkliche
Bilderrahmen. Im Wittelalter war der Goldgrund
der Bilder zum Theil das, was später ihr Nahmen-
werk, und wirkte wohl einigermaßen in dem Gold
der späteren Nahmen nach. Auch das Konstruktions-
wesen der Gothik bot ihren Gemälden Gelegenheit,
mit dem einfachsten Nahmenwerk auszukommen,
wenn es sich überhaupt um mehr als um selbständige
architektonische Gestaltungen im obigen Sinn handelte.
Aber dann kamen zwei für das Nahmenwesen
entscheidende Stile. Erst die Renaissance; sie war es,
die den Bilderrahmen so entwickelte, daß er in ziemlich
gleichmäßiger Weise sowohl eine architektonische Selbst-
ständigkeit als auch eiu kaum entbehrliches pilfsstück
des Gemäldes wurde, und unsere Bildergallerien
enthalten noch manchen echten Nenaissancerahmen.
Das „Gold" war da bereits herrschend. Näheres
über jene Nahmenkunst des lö. und (6. Jahrhunderts
in Italien bringt das bilderreiche Werk Guggen-
heim ers „De eoruiol italiaus" rc.
Endlich das Nokoko — oder sagen wir gleich
kurzweg der „Rahmenstil", also die Tendenz, von den
künstlerischen Inhalten so Vieles als möglich in
Nahmenwerk aufzulösen, so daß manchmal die reichste
Umrahmung ein Winimum oder gar nichts einschloß.
Etwas Aehnliches gab es schon in der Spätantike:

dort zeigen uns die pompejanischen Wandmalereien
eine jener überreichen Entwicklungsstufen, in denen
sich die Kunst fast zur bloßen Umrahmung verflüchtigt.
Und jedenfalls hat uns das Nokoko jenes Schnörkel-
werk von Nahmenkunst gegeben, in welchem heute
noch die meisten Bilder stecken.
Diese geschichtlichen Grundlagen werden in ihrer
Bedeutung für den heutigen Bilderrahmen erst so
recht klar, wenn wir in eine andere Kunstwelt hin-
überschauen. Den Goldrahmen um das Bild kenut
die ostasiatische Kunst nicht: sie begnügt sich nut
einen: allseitigen mehrere Finger breiten Nand des
gemusterten Stoffgrundes, auf den die Papier- oder
Seidenmalerei aufgezogen ist — abgesehn von der
Golzrolle oben und unten. Vielleicht war es ein
derartiger japanischer Einfluß, vielleicht auch das
selbständige Bedürfniß eines leichten Platzwechsels,
was in Paris seit etwa 20 Jahren die Gewohnheit
hervorricf, Bilder, auf Leinwand gemalt, ohne polz-
rahmen an die Wände mit dünnen: Lein: anzukleben,
so daß die Bilder leicht losgelöst und anderswo in
gleicher Weise angebracht werden können.
Aber nun die eigentlich gegenwärtige Epoche in
der Entwicklung der Nahmenkunst, das Bestreben,
das Bild nicht in irgend einen beliebigen Rahmen
hineinzustecken, sondern es, wenn schon nicht in den
Nahmen hineinwachsen zu lassen, wie es manchmal
geschieht, doch zum perrn des Nahmens zu machen.
Dies verlangt zunächst eine Loslösung von den:
Grundsatz einer Rahmenart für alle Bilder. Vorerst
heißt es: los von den: gleichförmig muscheligen
Goldrahmen — ganz abgesehen von den Einwänden
der Augenhygiene gegen das viele Gold. Die Eman-
zipation von: herkömmlichen Nahmen hat seit Län-
geren: begonnen, ist aber noch nicht weit gekommen;
und die Versuche, den Nahmen zu individualisiren,
haben zwar manche vorläufig recht wunderlich er-
scheinende Blüthen gezeitigt, im klebrigen jedoch eben-
falls noch nicht viel erreicht.
Ein Gang von heute durch die nächstbesten
modernen Bilderausstellungen, also etwa durch die
Kunstsalons in Berlin, zeigt kann: mehr, als was
bereits seit Jahren zu sehen ist. Weitaus überwiegt
der Goldrahmen, höchstens, daß sein Formengewirr
einfacheren, namentlich pflanzlichen Bildungen zu
weichen beginnt, und daß hie und da Wattgold den:
Glanzgold vorgezogen wird. Ihm zunächst kommt
der schwarze Rahmen, leider wieder meist glänzend
xolirt. Wanche dieser Rahmen sind stark profilirt
und etwa auch noch gewellt, einzelne im Gegensatz
zu der fast allgemeinen Gepflogenheit, die das Bild
im Rahmen vertieft, vielmehr hinter das Bild zurück-
springend. Die perspektivische Wirkung des Rahmens
ist überhaupt eines seiner wichtigsten Probleme.
Manchmal zeigt sich ein ganzes System von Profil-
linien, jedoch flach angeordnet, so daß wir lediglich vor
einen: gekünstelten Nachahmen der Profilwirkung flehen.
 
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