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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 20
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Gustav, Leopold: München: Die Ausstellung im Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0356

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>- Die Aunst-L)alle

Nr. 20

Saharet und das Räthselgeschöxs die Guilbert. — Dann
in etwas fantastischen Kostümen, aber wie fein abgestimmt/
Margo Lenbach, nut den blonden Ringellocken und dein
klugen, bläßlichen Kindergesicht, neben der schwarzhaarigen,
noch kindlicheren Iphigenie Gysis; dann das lebensfrohe
Fräulein mit dein Rembrandthut, nicht ganz so tief in der
Charakteristik und Ausführung und doch welch eine Summe
von Frohsinn ausströmend! welch eine köstliche Verkeilung
des Lichtes in dem Bilde, „Frau w. und Töchterchen".
Die Dame hält den Bambino aufrecht in die pöhe und
blickt mutterstolz zu ihm empor. Nur das klassische Profil
der Mutter uud die Gestalt des Kleinen treten aus dem
Dunkel hervor! Auch zwei Pastelle birgt der Saal. Das
Bildniß der schönen Gattin eines Malers und eine italie-
nische Prinzessin; nur hingehaucht und doch mit welcher
Treffsicherheit ist den feinen Konturen dieser beiden Köpfe
nachgesxürt. Noch einige perrenbildnisse, Freiherr von
Redwitz, ein graubärtiger perr mit sehr Hellen Augen,
Baron Liphart, ein alter perr im Pauskäppchen; ein ge-
wisses zähes Festhalten am Alten, ja Altmodischen ist hier
treffend und nicht etwa nur in Aeußerlichkeiten charakterisirt.
Aus dem Tische, an welchem der alte perr steht, liegt ein
an die Adresse des perrn Barons adressirter Bries, wir
wissen nun zwar hierdurch sofort, mit wem wir das Ver-
guügen haben, doch ist unsere unmaßgebliche Meinung,
Lenbach sollte derartiges den kleineren Göttern überlassen.
Dann sehen wir ferner ein sehr ähnliches Bild von Perm.
Levi; den Löwenbräudirektor perterich, ein vor einiger
Zeit verstorbener Freund Lenbach — es ist schon das Bild
eines schwer leidenden Mannes und endlich der Großbäcker
Anton Seidl; ein Bruder der beiden Architekten Gabriel
und Emanuel. Lenbach giebt den schlichten Mann un-
gemein schlicht, aber Energie spricht doch gewaltig aus
seinen Zügen, auch eine gewisse Größe, welche Seidl ja
wohl auch gehabt haben muß, der das biedere Bäcker-
handwerk zur Industrie erhob. Nicht nur, wenn wir aus
dem Festsaale Meister Lenbachs kommen, will uns die
Porträtkunst der freien Düsseldorfer Bereinigung sehr
mäßig erscheinen. Nennen wir das Selbstporträt von Alfred
Sohn-Rethel, welches allerdings stark pariser Schule ver-
rätst, seruer das „chike" Bildniß eines müden Boulevardiers
von Veczin, dann Perrenporträts von Ludwig Keller,
von einer gewissen Uebermüthigkeit in der Charakteristik,
die jedoch für die Zukunft Schönes erhoffen läßt. Das im
letzten Düsseldorfer Bries erwähnte Bildniß eines jungen
Mannes mit einer Orchidee wirkt als ein recht schlechter
Atelierscherz; schade übrigens für die sonst so tüchtige
Arbeit! Ueber den Rest schweige des „Kunstschreibers"
pöstichkeit. Die Landschaft ist stark vertreten und hier
sehen wir eigentlich nur Gutes, von dem ein großer Theil
direkt vorzüglich ist. Da ist vor allem Iernberg zu
nennen, wie weiß er das Verwehende, vergehende der
herbstlichen Natur zu geben, trotz aller Spachtelarbeit so zart
empfunden oder die weite westfälische Landschaft mit der
grasenden Kuh, alles von der Hellen, kühlen Oktobersonne
beleuchtet, welch seines Naturgefühl spricht aus Kampfs
Liseldors in schwermüthiger Abendstimmung, Fritz v. Wille
bringt ein Motiv von ähnlichem landschaftlichen Charakter
in Gewitterstimmung. Permanns „Vor dem Stall", Vor-
dämmerung des Abends; Kühe vor dem Stalle, die Streu
machende Bauernfrau, alles so einfach gegeben und doch
so eminent in der Wirkung. Die Landschaften von
Nikutowski „Dors im Elsaß" und Wansleben „Februar-

abend", beide ebenfalls sehr gute Sachen, können wir nur
im Vorbeigehen nennen. Liesegang's Allee im perbst wird
sicherlich den Kunstfreund sehr entzücken, der das aus-
wärtige Muster dieses „Pluie d'or" nicht kennt, peicherts
„Im Schweiße Deines Angesichtes sollst Du Dein Brod
essen" zeigt Bauersleute bei der Feldarbeit nut einer ein-
fachen Größe und wir möchten sagen, dramatischen Wucht;
dagegen kann Bauer jr. nicht auskommen, dessen Blücher
bedeutender sein müßte, Brütt, der seiner Gerichtsszene auch
malerische Reize zu geben weiß und Wendling, der in hol-
ländischen Interieurs Tüchtiges leistet, weniger Gutes
fehlt natürlich auch nicht. Böninger findet sicherlich in
Familienblättern sein Publikum und Philippi erzählt mit
viel Behagen Bierphilisteranekdoten. In den Zimmern
der „Kunstnersoreningen as t8 Novbr. Kopenhagen" so-
wohl, wie im Kabinet der Römischen „Associazione degli
Aequarellisti" brauchen wir uns nur viel kürzer aufzu-
halten. Das Ausland interessirt uns nur, wo wir aus
künstlerisches Neuland stoßen oder wenigstens kräftige
Talente erblicken; von den Nordländern nennen wir
pinrichson, der seine pügellandschast mit Thomascher
Schlichtheit und guter Beobachtung der Schatten giebt;
Zacho weiß den keuschen Zauber des Frühlings auch
technisch sehr schön zu geben, doch „belebt" er die Lenz-
landschaft mit für unseren Geschmack zu geuremäßiger
Personeustaffage; Bräsen bringt einen nur von brütenden
Seevögeln belebten Meerselsen ganz schlicht und doch nicht
wirkungslos. Summa summarum manches Schöne, kein
Nordstern! Aehnliches können wir von den Römern
sagen; das sind fast durchweg sehr, sehr tüchtige Techniker,
aber ihre meist genremäßigen Motivchen sind uns bei allen
Kunsthändlern der Welt ganz ähnlich, grade so nett, sauber
und präeise schon oftmals begegnet. Sartorio ist zu neunen,
dessen „Pflug" einen bei den Südländern seltenen herben
Reiz hat. Labianea's Blick aus das mit dem porizont
verschwimmende Meer entbehrt nicht eine gewisse Größe,
auch seine venetianische Lagune ist nicht die Wasserstraße
der Alltäglichkeit. Zum Schluffe Stesanori, der dem Zauber
weiter Sumpfstrecken mit mehr als gewöhnlichem Natur-
gefühl gerecht wird.
Nun zur Gesellschaft für christliche Kunst. So weit
sich die Werke, sei es aus Tradition oder Neigung alter-
thümelnder Formensprache zumenden oder sich wie die
Kartons von Feuerstein in rückläufigen Nazarenerthum be-
finden, müssen wir sie beiseite lassen, zumal ja überhaupt
nur das allermarkanteste Erwähnung finden kann. Von
Stockmann: ein Kain, der durch die Verzweiflung getrieben
in der Nacht davonstürzt, ein Racheengel streckt die pand
nach ihm aus. Die Stellung des Brudermörders ist durch-
aus nicht einwandfrei. Dadurch, daß alles in ein bläulich-
grünliches Licht getaucht ist, wirkt es ziemlich verschwommen.
Lin anderes Bild dieses Künstlers, Madonna mit dem
Kinde, ist koloristisch sehr wirkungsvoll. Feldmanns „Un-
gläubiger Thomas" verliert durch die Leblosigkeit der Züge
des verklärten Menschensohnes, auch wirken die Gesten der
Zuschauer wie die matten Bewegungen der Theaterchoristen.
Fugel bringt uns „Christus vor dem hohen Rathe" in
dramatisch stark bewegter Szene, aber „Furcht und Mitleid"
wollen trotz malerischer Vorzüge nur schwer in uns aus-
kommen. wie zu Perzen gehend, wirkt dagegen die frische,
natürliche Kindlichkeit in Ernst Zimmermanns seintönigem,
„Joses mit dem kleinen Jesus"! Auch wilh. v. Dietz be-
kannter kraftvoller Ritter St. Georg ist da. Leo Sam-
 
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