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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Gustav, Leopold: VIII. Internat. Kunstausstellung, [1]
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geſchnittenen Zügen Herzog Karl Theodors nicht alles
herauszulocken und Leopold Schmutzler quält ſich ehrlich, in
dem weißen GOrdensmantel eines anderen Prinzen maleriſche
Reize zu entdecken. Räubers Damenbildniß macht lediglich
den Eindruck des Liebenswürdigen; A. von Werner bringt
ein ſorgfältig gemaltes Bild eines älteren Herrn; Erdtelts
Damenporträt hat gleichfalls hübſche Qualitäten, und
endlich nenne ich Defreggers Gyſisbild aus den ſiebziger
Jahren.

Mich jetzt den Genre- und den anderen Figurenbildern
zuwendend, finde ich manchen älteren Meiſter in friſcher
Schaffenskraft. Defreggers feintonige Leinwand die
„Kartenſpieler“ iſt vielleicht dem figurenreichen Gemälde
„Die Wallfahrt“ vorzuziehen, da hier mehrere Köpfe in
der Phyſiognomik zu wünſchen übrig laſſen. L. K naus’trefflich
erfaßter Alpenjäger, der mir kürzlich bereits im Kunſthandel
begegnete, ſoll nochmals genannt ſein. Grützners lebensfrohe
Mönche Seitz' fein koloriſtiſche niederländiſche Koſtümbilder ſind
unverändert geblieben, ebenſo die Interieurs von Holm-
berg, Otto Baſch, die Empirebildchen Simms, die immer
noch Beachtung verdienen, wenn ſich auch das allgemeine
kunſtintereſſe anderen Beſtrebungen zugewandt hat.
Echteler bringt zwei koloriſtiſch feingeſtimmte Frauenköpfe;
mag die eine immehin Hero heißen, ſo dürfte wenigſtens
die andere, Cleopatra, minder harmlos aufzufaſſen ſein.
Löfftz nennt ſein Bild Elegie. Eine trauernde Geſtalt ſitzt
am Meergeſtade, den Blick ins Weite gerichtet. Der tiefſte
Ausdruck liegt in der prächtig geſtimmten großzügigen
Natur. L. von Fleſch-Bruningens Anbetung, ein kolo-
riſtiſch wirkungsvolles Triptychon, iſt trotz mancher Dorzüge
nicht ſtark eigenartig in der Auffaſſung; auch Laupheimers
„Des Dichters Traum“ — in den Flügelbildern ganz reiz-
voll — hat in der Süßlichkeit der Akte etwas für höhere
Töchter. Knopfs große Kompoſition „Rieſenſpielzeug“ iſt
mit Humor und koloriſtiſchem Können durchgeführt. Bredts
mit eleganter Technik hingeſtrichene Mutter und Tochter iſt
wieder in einem vergoldenden Sonnenlicht geſehen. F.
Dezin (Düffeldorf) ſtellt eine Dame im Halblicht am Klavier
dar; das Bild iſt ein Stück differenzirteſter Malerei. Auch
Brütt und Männchen erzielen virtuoſe Lichtwirkungen.
Mit drei Gouachebildern iſt Oberländer vertreten. Einen
Kampf mit dem Drachen, einen Schenkkellner vor dem
Vehmgericht weiß er uns mit ſeinem launigen Hunior zu
ſchildern; am reizvollſten iſt „,Motiv aus Landsberg“. Ein
Kind ſitzt im Gras, ſich vor einem Hahn fürchtend; das
iſt mit köſtlicher Laune geſchildert; auch das Landſchaftliche
und die ſtillen Reize des Gehöfts ſind fein geſehen.

Trotz des Vorwiegens des Figurenbildes iſt die Aus-
ſtellung nicht arm an guten Landſchaften. Neuen Namen
bin ich freilich ebenſowenig wie künſtleriſchen Ueber-
raſchungen begegnet. Löfftzs Landſchaften zeichnen ſich
durch eine beſonders ſublime Behandlung der atmo-
ſphäriſchen Stimmung aus, wodurch ſeine an und für ſich
reizarmen Naturausſchnitte an maleriſcher Charme gewinnen.
Wengleins, Finks und Anderſen-Lundbys ausgereifte Arbeiten
entbehren nicht eines Zuges ins Große. Ni; wird dieſen treff-
lichen Vertretern der Winterlandſchaft der Schneezu maleriſch
ſtumpfen Stellen; etwas nüchtern wirkt diesmal das winter-
liche Taunusbild Wucherers, das trotz mancher Feinheit
des Details auf einer kleineren Leinwand einen intenſiveren
Eindruck hinterließe. Bürgels kräftigen Landſchaften, den
Bildern des viel ruhiger gewordenen Strützel und den theil-

weiſe etwas ſtark dunkel gerathenen von Willroider wird
man ſchöne Qualitäten nicht abſtreiten dürfen, ein Kanal,
deſſen romantiſches Mühlenmotiv kein unbekannter Keiz
mehr iſt. Fritz v. Wille erweiſt ſich in ſeinem Eifelmotiv
wieder als ein Landſchafter von ſtarker Eigenart.

Paul Thiem zeigt ſich in ſeinem vornehm abgetönten
Bilde als ein eminenter Beobachter der Wolken und
Schatten, auch Hellrath hat feintonige Qualitäten wie
X. Alb. Baur, deſſen Gewitterſtimmung ein ſchönes Stück
reifer Kunſt bedeutet. Dann wäre noch zu nennen der
herbzügige Feldmann, die freundlich romantiſchen Winfkel .
K. Leſſings und Jul. Jacobs kräftig herausgearbeiteter
herbſtlicher Laubgang. In der Wiedergabe des ungewiſſen
Halblichtes zeigt Kallmorgen bei „Frühmorgens bei
Treibeis auf der Elbe“ ſein virtuoſes Können. Karl Raupp
und Konrad Wimmer finden am Chiemſee ihre bewährten
Motive. DenUebergangzum Thierbildebildet Frenzel, dem
die Stimmung des Septembernachmittags wie die Wieder-
käuer gleich gut gelingen; dann nenne ich nur noch Braiths
fein gezeichnete Schafheerde und Köſters Enten, deren Ge-
fieder ſo frappant wahr gemalt iſt. In der Marinemalerei
offenbart wieder Hans Peterſen ſein großes, wenn auch
dekoratives Können; auch Bachmann, Böhme und Rafch
bieten Gutes. Veben Strandbildern des Letzteren ſind auch
diejenigen Ulr. Hübners zu nennen.

Wir wenden uns nun Geſterreich zu. Dieſes iſt
durch die „Künſtlergenoſſenſchaft“ und die beiden Separatio-
nen: „Hagenbund“ und „Sezeſſion“ vertreten. Den beiden
Sonderbunden, welche ſich ſtolz hors concours geſtellt
haben, iſt eine kokette gris-de-perle-farbige Beſpannung
von Wänden und Boden und ſtark primitive Möbel ge-
meinſam. Die Bilder ſind mit viel Raumverſchwendung
gehängt; ſonſt iſt wenig vorhanden, was imponirt; vom
Hagenbund z. B. nur die großzügigen Landſchaften von
kKasparides, und aus der Zahl der Impreſſioniſten Graf,
der, den lichtglänzenden, nächtlichen Bahnkörper mit Derve
zu ſchildern verſteht. Die Sezeſſion hat Klimts viel-
geſcholtene „Medizin“. Bizarr und vieldeutig, hat das Bild
doch maleriſche Qualitäten, die nicht überſehen werden
dürfen. Das Licht, in das die Geſtalten getaucht ſind, iſt
mit Bravour gemalt. Flott aus dem Bandgelenk malt
Klimt elegante Damen, ſowie er aber Judith und Holo-
fernes oder dergl. bieten will, wirkt er gekünſtelt. Die
Landſchafter der Sezeſſionen ſind meiſt Pointilliſten von nur
techniſchem Intereſſe. Bacher hat ein Doppelbildniß zweier
alten Damen gemalt; er brillirt nicht mit Technik, wie die
Anderen. Schlicht und einfach ſind dieſe Geſtalten mit den
reſignirten, aber nicht unfrohen Geſichtern gegeben. Aus
der „Genoſſenſchaft“ erwähne ich die großgeſehene Szene
aus dem Tiroler Freiheitskampfe, in welcher Egger-Lienz
in der ungezwungenen Anordnung der Maſſen ſein ſchönes
Können kund giebt. Für die Vielheit der Geſtalten iſt. die
Charakteriſtik der von Begeiſterung und Verzweiflung er-
füllten Geſichter ſehr bemerkenswerth. Als Genremaler
bieten Jul. v. Blaas und Merode Anſprechendes. Frau
wiſinger-Florians herbſtlicher Waldweg iſt von ſtarker
Empfindung durchweht; die ganz als Staffage gehaltene
ſchwarze Frauengeſtalt flaut die Stimmung etwas ab.
Sehr fein empfunden und mit ſtarker Eigenart geſehene
Landſchaften bietet T. Blau. Zoffs und Charlemonts
feintonige Bilder ſind noch erwähnenswerth, ebenſo die.
herber geſehenen von Rob. Ruß.
 
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