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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 2
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Der Kunsterziehungstag in Dresden
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0034

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mit der Natur einerſeits und mit der freien Entwickelung
der künſtleriſchen Individualität andererſeits.“

Uns dünkt, der Bedner ſchießt hier weit über das
nothwendige Ziel hinaus. Er verkennt, daß das Hiſtoriſche
ein weſentlicher Bildungsfaktor iu unſerer Schulerziehung
iſt und es dieſer Thatſache wenig entſpräche, das Hiſtoriſche
aus den äſthetiſchen Gebieten zu eliminiren. Kein ver-
nünftiger Pädagoge könnte dergleichen billigen; und über-
dies würde die Langeſche Forderung in der That die
Grundlage nicht nur der humaniſtiſchen Lehranſtalt umge-
ſtalten, wie es der „Kunſterziehungstag“ doch nicht beab-
ſichtigte. Prof. Lange iſt ein Idealiſt im umgekehrten
Sinne, wie es der deutſche Philolog früher war, der über
die Leidenſchaft für das alte Griechenland nichts für das
neue Deutſchland übrig behielt. Er hat ſich in Cübingen
anſcheinend ſo vollkommene Begriffe von der Bedeutung
und Ausgiebigkeit der modernen Kunſt gebildet, daß er
glaubt, „naive Anſchauung der Natur“ und „moderne
Uunſt“ ſeien unbedingt daſſelbe. Andererſeits verwechſelt
er wohl Schule mit Univerſität, wenn er den äſthetiſch zu
bildenden Kindern philoſophiſche Gedanken über hiſtoriſche
Stile unterſchiebt und es für dringend hält, die Kinder
über die Neuheiten der Kunſt ſtets auf dem Laufenden zu
halten. Alſo: Die Methode der Kunſterziehung eines
Quartaners müſſe fortwährend eine andere werden und der
Herr Quartaner müſſe zur lebendigen Kunſt der Gegenwart
erzogen werden!

Es wäre doch recht wünſchenswerth, daß nunmehr auf
Seiten der Kunftlehrer und Erzieher, welche nicht allen
pädagogiſchen Anſichten der Dresdener Seidlitzgruppe hul-
digen, nicht länger mit verſchränkten Armen geſchwiegen
werde. Die eifrige Sorge, die der „Kunſterziekungstag“
für das Wohl der Schule kundgab, hat ſeine heimliche
Propaganda für beſtimmte künſtleriſche Sonderzwecke nicht
verhüllen können. Darüber ſollten die Lehrer wie die
Regierungen rechtzeitig Klarheit erhalten.

Berliner Lupstschau.

Von Franz Imhof.

ie letzte Ausſtellung bei Ed. Schulte mag die
unterhaltendere ſein, die vorige war unbedingt


beleuchtete Porträt der jugendlich friſchen Mad. Acté von
der Pariſer Großen Oper, das Werk des finiſchen Meiſters
Alb. Edelfeldt, vor dem 13. Gktober noch nicht geſehen,
iſt das zurückgebliebene Bild jetzt eine angenehme Ueber-
raſchung, ſelbſt wenn es hier neben den Bildnißſchöpfungen
von Boldini und Sargent hängt. Boldini iſt freilich ſchon
viel glücklicher geweſen, als in dieſen beiden mageren,
nüchtern ſchwarzgekleideten Knaben, deren junger Mutter,
der Gattin eines exotiſchen Geſandten in Berlin, die geiſt-
volle Art Sargents etwas unvergleichlich Schlichtes und
vornehmes verlieh. In einem hellfarbigen, behaglichen
Zimmer ſitzt die brünette Dame im ſchwarzbeſetzten weißen
Kleide läſſig am Klavier, die ſanften blauen Augen auss
drucksvoll nach vorn gerichtet. In dem großen Konterfei
einer älteren Komteſſe von Henri Bover, das ſehr an den
Prunkſtil Louis XVI. erinnert, giebt es dagegen manche
künſtleriſch todte Stelle.

Eine Reihe Pariſer und an der Seine anſäſſiger
fremder Pinſelführer hat ſich dieſes und das vorige Mal
bei Schulte ein Bendez-vous gegeben, und es iſt unſerm
Publikum dabei viel blendender Chik, aber auch viel ehr-
liche tiefe Empfindung gezeigt worden. Letztens intereſſirte
3. B. ſehr ein kaum Vielen bekannter Landſchafter: Leon
Tanzi. Er war bald im engern Rahmen fein und delikat
in Behandlung und Ton, u. A. in einem „Parkteiche“ mit
einer angelnden Dame, bald gab er auf großen Flächen
dioramenartige Perſpektiven, wie „Kap Brun bei Toulon“
und „Schloßpark von Maintenon“, wobei neben der ſtil-
vollen Großlinigkeit der Szenerie eine vollendete Wahrheit,
zumal in den Waſſerſpiegelungen, ein vornehmer Ton und
eine köſtliche Stimmung, ſei es der Morgen-, ſei es der
vesperſtunde, den Beſchauer entzückte. E. Marché bot in
einem einſam gelegenen Dorfkirchlein bei hereinbrechendem
„Abend“ ein innig empfundenes Stimmungsbild. Henri
le Sidaner weiſt ſich in drei landſchaftlichen Arbeiten als
ein Luminiſt von feiner Qualität aus. Anglada giebt in
zwei Studien derbſinnliche Eindrücke eines pariſeriſchen
und eines ſpaniſchen Tanzes. Henri le Riche bringt die
Reue der nackten Magdalena, die ſich leidenſchaftlich am
Boden auf den Leichnam Chriſti preßt, in einer mehr dem
Vaturell der ſchönen Sünderin, als der frommen Ergriffen-
heit angemeſſenen Weiſe zum Ausdruck. Zwei Bildchen,
„Narziß“ und „Fleurs de ruines“, von idealer, farben-
reicher Phantaſtik, ſind von Desvallières, einem Künſtler,
der an Moreau und Wolfrom erinnert.

Als Koloriſten eigener Art haben in der vorigen
Sammlung ferner Rupert Bunny und Cecil Nea eben-
falls intereſſirt; Bunnp gab eine ideale Szene mit eleganten,
ſchönen, faſt nackten Frauen, eine berückende Allegorie,
während Rea derbere Frauenakte, ruhend oder bewegt in
gärtneriſcher Umgebung, arkadiſche Szenen ſchilderte, die
bald „Votturno“, bald „Champs Elyſées“ genannt waren.
Der blaſſe, farbige „ſchottiſche“ Ton der Leinwand ent-
kleidete die Kompoſitionen beider Künſtler der gewöhnlichen
Alltäglichkeit und machte ſie zu reinen Poeſien. Auch
walter Gay, Paris, kultivirt den blaſſen, diſtinguirten
wniſtlerton, wie ihn hier letztens drei kleine, ſchlichte
Zimmerinterieurs zeigten. Dieſen durchſichtigen, ſo male-
riſchen Nebelton bevorzugen in Paris jetzt übrigens auch
die völlig realiſtiſchen Landſchafter, wovon bei Schulte
einige hübſche Beiſpiele von Loir Luigi und Carlos
Lefebpre in den beiden letzten Ausſtellungen vorhanden
waren. Schluß folgt.)

2
8

Das Künſtlerhaus hat, entgegen einer früheren
Nachricht, mit der Wiederaufnahme ſeiner im letzten Jahre
verunglückten Ausſtellungen, begonnen. Die übliche Sig-
natur der Schauräume des Dereins iſt dieſes Mal durch
eine dreigetheilte Rieſenleinwand „Chriſti Begräbniß“ des
magyariſchen Malers Arpäd de Feszty unterbrochen.
Der Künftler iſt ein nachgeborener Zögling der Pilotyſchule,
ſozuſagen ein zweitrangiger Munkacſy. Wie letzterer macht
auch er aus der Chriſtustragödie ein Senſationsſtück mit
robuſten heftig erregten Figuren. Das Mittelftück mit
dem zwiſchen Blumen bewegten Leichenzuge verbindet die
pathetiſche Kreuzabnahme und das Gartenidyll der Marien-
trauer an der geſchloſſenen Gruft unter tiefblauem Himmel.
Ueber dieſe Bichtung der religiöſen Malerei, die ſtatt des
vertieften Ausdrucks durch eine nicht einmal ſehr geſchickte
Cheatralik der Gebehrden blenden will, ſind die Akten der
 
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