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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 4
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0070

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ſtattung der Bäume, die durch Seitenlicht bezw. durch
elektriſches Oberlicht erhellt ſind, zeigt ſich das bewährte
Geſchick des Herrn Waldecker. Der Salon wird hoffent-
lich auch mit ſeinem vereinfachten Programm die alten
Freunde zu feſſeln wiſſen.

*
*

Das Bohenzollern-Kunſtgewerbehaus, das
kürzlich in ſeinen neuen Räumen in der Leipzigerſtraße
den umfangreichſten Kunſtbazar Berlins eröffnete, hat ſich
auch den Aufwand geſtattet, moderne Zimmereinrichtungen
und wechſelnde Gemäldeſammlungen zur Schau zu ſtellen.
Ob durch letztere einem gefühlten Bedürfniß abgeholfen
werden ſoll, will ich zwar nicht zu behaupten wagen, da-
gegen, daß Herr Hirſchwald in jenen Zimmerauzſtattungen
dem Zuge der Zeit zu folgen glaubt, indem er dem Aus-
land glänzende Avancen macht. Der Genius des Herrn
H. van de Velde mit ſeinem Schnörkelweſen ſchwebt dieſer
Abtheilung des großen Unternehmens ſichtlich voran. Auch
die Bilderabtheilung trägt dieſes Mal eine fremde Firma,
die des beliebten Pariſer arrikaturiſten Georges
Jeanniot, der uns indeß nicht auf ſeinem urſprünglichen
Gebiete, ſondern als vielſeitiger Künſtler, als Sittenmaler,
Soldatenſchilderer, Zeichner und Badirer von Geſellſchafts-
typen aller Art, ſogar als Landſchafter vorgeführt wird.
Jeanniot iſt in jeder Beziehung ein viel reiferer Künſtler
als der hier früher vorgeſtellte junge Schweizer Ranfft,
der auf demſelben unerſchöpflichen Pariſer Boden ſeine
zeichneriſchen und maleriſchen Studien macht. Jeanniot
iſt ein ſcharfer Beobachter des Alltagslebens. Wenn er Ar-
beiterfamilien oder ſonſtige kleine Leute im größeren Rahmen
malt, in deren Mitte ein franzöſiſcher Infanteriſt als Sohn
oder Liebhaber ſelten fehlt, ſo ähnelt er in der ſtupenden
Genauigkeit des Figürlichen und Stofflichen unſerm Leibl,
und das iſt wohl kein geringes Kompliment. Urſprüng-
licher wirken freilich ſeine flotten, zum Theil delikaten
Schilderungen der Lebewelt, zumal die weiblichen Sterne
der Cafés chantants, Reſtaurants, Modemagazine, Benn-
plätze u. ſ. w., die mit Pinſel, Stift, Kreide, Radirnadel
gleich virtuos gegeben ſind. Ebenſo bereiten ſeine keck hin-
geworfenen Kreideſkizzen in Schwarz und Both, ſeine
Farbendrucke, welche die Friſche der Originale bewaͤhren,
ſeine leicht getuſchten Blätter mit Charakterköpfen, Sol-
daten beim Marſche, Modedamen, Stutzer u. ſ. w. dem
Beſchauer prickelndes Vergnügen. Und endlich muß man
in Jeanniot den Tandſchafter ſchätzen, der ſo friſche
Veduten aus der Pariſer Umgebung, ſo zarte Naturſtim-
mungen zu ſchaffen vermag, wie ſie hier überall vertheilt
hängen. Alles in Allem: ein vielſeitiger Maler von Geiſt
und tüchtigem Können, deſſen Bekanntſchaft ſich lohnt.“

* *
*

F. E. wolfrom hatte Anfang November in ſeinem
Atelier eine Anzahl Blumenſtillleben zuſammengeſtellt, die
ſämmtlich jüngſten Datums ſind und demnächſt ſeiner für
eine Pariſer Ausſtellung beſtimmten Kollektion einverleibt
werden ſollen. Von ſeinen früheren Blumenſtücken unter-
ſcheiden ſich dieſe ebenfalls in Tempera gemalten Still-
leben größeren und kleinen Formats durch ihre leuchtende
Helltönigkeit, durch die aber die harmoniſche Farbenpracht,
die Wolfrom ſo ſehr liebt, nicht im Mindeſten beeinträchtigt
erſcheint. Der Künſtler wählte durchweg Herbſtblumen,
zumal verſchiedene Typen von Chryſanthemum, und ſeine
Abſicht war nicht etwa, botaniſch genau zu malen, ſondern

koloriſtiſch packende, dekoratir wirkſame Blumenarrangements
zu komponiren. Beſonders die kleineren Stücke ſind köſt-
liche Arbeiten vornehmer Stilllebenmalerei; ſie dürften
gerade in Paris auf Verſtändniß rechnen.

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Die Photographifhe Geſellſchaft hat in ihren
Räumen eine Sammlung von Photogravüren nach Werken
der „Sezeſſion“ und nach Bildern des Pariſer Musée du
Luxembourg zur Schau geſtellt. Im Ganzen ſind es
110 Nummern. Der Ausdruck „Sezeſſion“ iſt wohl nicht
ganz glücklich gewählt; es ſind Namen wie Vöcklin, Thoma,
L. Dettmann, Schuſter-Woldan, Piglhein, Weishaupt n. 1
vertreten. Das reproduktive Derfakren hat ſich für die
Wirkung der Bilder recht gut bewährt. Die photogra-
phiſchen Aufnahmen im Luxembourgmuſeum waren mit
erheblichen Schwierigkeiten verbunden, über die der räſon-
nirende Katalog dieſer Sammlung im Vorwort Aufſchluß
gewährt. Dort heißt es weiter über die getroffene kleine
Auswahl von Gemälden: „In den gewählten 26 Kunſt-
blättern wird die Entwicklung der franzöſiſchen Kunſt der
letzten Jahrzehnte vollſtändig veranſchaulicht; die Namen-
liſte der Künſtler zeigt, daß in knappſtem Rahmen that-
ſächlich nur die Elite der franzöſiſchen Künſtlerſchaft vor-
geführt wird. Keine Bichtung iſt bevorzugt, aber auch
keine Bichtung unvertreten geblieben. Jedes Blatt iſt
nicht nur ein in ſich abgeſchloſſenes Kunſtwerk, ſon-
dern eröffnet gleichſam den Ausblick auf eine ganze
Künſtler⸗-Gruppe, bildet das Programm einer Schule.
Jedes der gewählten Werke iſt „sui generis,“ keines
ähnelt dem anderen. So wird man beim Betrachten dieſer
Eunſtblätter einen klaren Ueberblick über die Mannig-
faltigkeit der zeitgenöſſiſchen franzöſiſchen Kunſt erhalten.“
Die Vamen der bevorzugten Künſtler lauten: Baſtien-
Lepage, Baudry, Besnard, R. Bonheur, Bouguereau,
F. Breton, Cabanel, Carrière, Cazin, Chaplin, Collin
B. Conſtant, Cottet, Dagnan-Bouveret, Detaille, Fantin-
Latour, Friant, Lefebvre, Lerolle, Lhermitte, Meiſſonier,
Monet, Moreau, Morot, Puvis de Chavannes, Boll.

* *
2

Für gewiſſe Beſtrebungen, auch im Bereiche der bil-
denden Kunft, ließ ſich mit Fug und Becht der Vergleich
mit dem Ueberbrettl wagen. Ueberbrettl-Architektur, Ueber-
brettl⸗Ornamentik u. ſ. w. hatten wir ſchon lange; doch
das ſind ernſthaft gemeinte Dinge, die nur unabſichtlich
komiſch wirken können. Aber mir geht es ſicherlich nicht
allein ſo, daß mich unfreiwillige Komik mehr zum Lachen
reizt als der präparirte Witz, der mit lachendem Munde
erzählt wird. Mit ſolchem Witz vergleiche ich die kürzlich
nach ihren erfolgreichen Debuts in München und Dresden
auch in Berlin eipzigerſtraße 117/118) eröffnete luſtige
moderne Aunſtausſtellung (Unternehmer Herr
M. Schmeißer aus Leipzig) die ſchon durch ihren Unter-
titel „Sehzeſſion“ beſagt, daß hier beſonders nach einer
Seite hin parodirt wird. Eine ſolche Verulkung von Kunſt
und Künſtler iſt nicht gerade neu. Sie richtete ſich ſtets
einerſeits gegen die künſtleriſche last novelty, andererſeits
gegen die prononzirte Art einzelner berühmter Meiſter.
Sie hat an den Wänden der Künſtlerkneipen, bei Stiftungs-
feſten, in Witzblättern längſt triumphirt, zum Theil ſtärker
gewirkt, weil zu ihrer gebührenden Würdigung die erregte
Feſtſtimmung oft erheblich beitrug. So war bisher in
deutſchen Kunſtorten Gelegenheit genug, jene bewunderns-
 
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