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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 6
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0106

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als verhauene Skizzen in die dunkelſten Ecken geſteckt
waren, alſo bedenkliche Atelierſchmarren, aus denen die
Familie, angeſichts der günſtigen Konjunktur, ſchnell einen
„künſtleriſchen Nachlaß“ für einen unwürdigen Ausſtellungs-
handel zuſammenſtellte. Das Hauptſtück der Sammlung mit
zwei lebensgroßen Frauengeſtalten „Malerei und Dichtung“
iſt zwar eine farbenprächtige Leinwand von echt böcklini-
ſchem Gepräge, aber ſicherlich nichts Bedeutendes. Ferner
könnten die rothgekleidete, ausdrucksvolle Figur des „Paulus“
in einer Bogenöffnung, wie die monochrome „Nacht“ und
ein „Jagdzug der Diana“, nebſt einer landſchaftlichen
Vorſtudie hierzu, noch Billigung finden. Von den Porträts
ſteht der ſubtil gemalte Profilkopf der blutjungen Gattin,
mit dem rothen Netzpuß des Haares, in der Frühmanier
Böcklins, obenan; auch das als „Melancholie“ bezeichnete
Bildniß könnte hingehen. Geradezu unglaublich aber iſt
der Anblick u. a. einer Skizze des Kopfes von Gottfried
Keller und der beiden Porträts der Frau Bruckmann, be-
ſonders des Knieſtückes. Eine dunkle Waldlandſchaft, noch
aus der Schirmerperiode, iſt kunſtgeſchichtlich von Intereſſe.
Das Ganze aber hat, wie geſagt, dem Berliner Publikum
eine Enttäuſchung bereitet, die um des Andenkens des
großen Meiſters wegen ſehr ſchmerzlich berührt.

Die ſkandinaviſche Abtheilung bei Schulte hat das
Bild, das von dem Schaffen der ſchwediſchen, norwegiſchen
und däniſchen Maler bisher bekannt war, nicht verändert.
Nur treten in dieſer Gruppe zwei Meiſter, Björck-Stock-
holm als Bildnißmaler und der Norweger Anshelm
Schultzberg als Landſchafter mit außerordentlich feſſeln-
den Leiſtungen in den Vordergrund. Schultzberg liebt es,
in einer Beihe von Gemälden den Effekt der untergehen-
den Sonne in der Einſamkeit einer ſchneebedeckten Ebene
oder des Waldes mit feierlich gedämpftem Pathos zu ſchil-
dern. Zu dieſem Pathos, zur Einſamkeit ſeiner heimath-
lichen Waldnatur paßt die großzügige, formal feſte Ein-
fachheit, die gleichſam epiſche Tonart der Szenerie, wie
überhaupt die Schlichtheit ſeiner maleriſchen Ausdrucksweiſe.
Der Stockholmer Sjöberg giebt ebenfalls Schneelandſchaften,
aber aus arktiſchen Regionen, trotz des kleinen Rahmens
breit hingeſtrichen, ohne Detail, nur in blauen Tönen
modellirt. Erik Werenskioldüberraſcht dieſes Mal durch
eine kräftige Waſſerſpiegelung „Die Barſchfiſcher“. Der
Schwede G. Kallſtenius ſchuf in der großen, fein beleuch-
teten Landſchaft mit den Eichen ein wirkungsvolles Stück
romantiſch empfundener Malerei. Auch der „Auguſt-Abend“
von B. Norſtedt-Stockholm gehört zu den ſchönen Arbeiten
dieſer Gruppe. O. Björck iſt am glücklichſten in mehreren
kraftvoll gemalten Männerbildniſſen, z. B. in denen des
Miniſter- Lewenhaupt, des greiſen Profeſſors A., des
Kronprinzen von Schweden in ganzer Figur, nonchalant
daſitzend. Der Dichter von Heidenſtamm poſirt ein Bischen
zu ſekr auf dieſer Leinwand mit dem weiten Waſſerhinter-
grunde. Eine hübſche junge Dame in Ballrobe, ganz
himmelblau und weiß gekleidet und ſtaffirt, zeigt mehr die
pariſeriſche Note als die perſönliche des Künſtlers.

Mit engliſchen Werken iſt man bisher in Berlin
nicht gerade ſehr verwöhnt worden. Um ſo mehr erfreut
G. Sauters in Farbenton und Stimmung gleich köſtliches
Gemälde „Sonate“, das den weihevollen Eindruck eines
Duettſpiels gleichſam in die maleriſche Sprache transponirt
giebt. Don dem berühmten Watts ſind vorhanden: eine
kleine Allegorie, eine braun kolorirte Begegnung von Jakoh

und Eſau und zwei erſtrangige Bildniſſe. Das der jungen
Lady Somer wirkt entzückend farbenfreudig und zugleich
als echt engliſcher Typus, wie das ebenſo vornehme dunkle
Porträt des John Stuart Mill. So hoch als kunſtwerke
ſtehen hier die in ihrer Art ja meiſterhaften Bildniſſe von
Lenbach, Sprague-Pearce und B. Wegmann freilich nicht.
Lenbach hat übrigens den Prof. Schmoller vorzüglich ge-
troffen. Der nachdenkliche ältere Frauenkopf von Bertba
Wegmann hat den rechten Ausdruck für die Bezeichnung
„Rückblick“ erhalten. Die ſchlanke Damen-Figur Sprague-
Pearces in gelber Empiretracht will nichts weiter als ein
Hoſtümbild ſein. In drei zierlichen Porträts von
E. Carrière ſehen wir die bekannte koloriſtiſche Manier
des Pariſer Meiſters dieſes Mal im kleinen Format. Die
große Leinwand von Parlade y Heredia „Dame und Hund“
zeigt den traditionellen grauen Ton und die ſchwarzen
Schatten der klaſſiſchen Schule von Sevilla. Die Kollektion
des Müncheners Otto Tragy enthält allerlei gangbare
Sächelchen, Köpfe von feinem Ausdruck und Figürliches von
weichlicher Eleganz des Vortrags. Dagegen wirkt der
Schweizer Mar Buri mit ſeiner friſchen, roſigen Gruppe
„Mutter und Kind“, die vor eine echte Schweizer Land-
ſchaft mit grünen Matten und blauen Bergſeen geſtellt iſt,
wie eine ſtrotzend geſunde Kraftnatnr.

Noch drei Ausſteller erregen hier höheres Wohlgefallen.
Klara Montalba, zumal mit ihren duftigen, wie hinge-
hauchten Aquarellen aus Denedig, Dalmatien und London;


den Darſtellungen eines alten Franziskaners, einer magern
Bauern-Greiſin, einer „Dame mit Grchidee“, eines nackten
Bogenſchützen, eines Schoßhündchens, eines Hügelabhangs,
einer Draperie u. ſ. w. ſich in feinſte Detaillirung verliert
und dadurch ſein eminentes zeichneriſches Können von
Neuem erweiſt. Als Dritter iſt A. Oberländer mit zwei
farbigen Blättern zu nennen, einem dörflichem Idpll „Motiv
aus Landsberg a. L.“ und dem „Fehmgericht“, das König
Gambrinus über einen Schenkkellner abhält. Ueberſehen
möchte ich ſchließlich weder die fleißig durchgeführten Land-
ſchaften von O. Günther-Naumburg und Müller-Hurzwelly,
noch die vortrefflichen Bronzen von Sandor Jaray und
Cifariello, von denen letzterer eine ſcharf individualiſirte
Böcklinbüſte ausſtellt, erſterer u. a. mit dem feinen, aus-
drucksvollen Kopf eines jungen Gelehrten erfolgreich iſt.

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Bei Honratk von Baerle, Unter den Linden,
kann man neben einer Auswahl erleſener Malereien von
modernen ſpaniſchen und italieniſchen Meiſtern zur Zeit
auch mehrere recht bemerkenswerthe deutſche Arbeiten
finden. Genre und Landſchaft ſind die Gattungen von
Bildern, die in dieſem konſervativſten Berliner Kunſtſalon
faſt ausſchließlich gepflegt werden. Eine herbſtliche Park-
landſchaft des in Rom lebenden Düſſeldorfers Hans Röder
erfreut durch kräftiges Kolorit und das wirkſame Motiv
aus Verſailles. Von Wopfner ſind ebenfalls gute Land-
ſchaften vorhanden, von A. Achenbach u. a. eine ältere
Mondſcheinſzenerie, eine hölländiſche Gracht, im Helldunkel
ähnlich, nur feiner wie ein alter van der Neer. Kon Hans
Gude ſah ich eine ſchwediſche Küſtenlandſchaft von zartem
maleriſchen Reize, und Friedrich Voltz iſt der Urheber eines
prächtigen größeren Viehſtückes. Die ſüdliche Landſchaft iſt
am beſten durch die Arbeiten von Enrique Serra, Munoz
und Senét vertreten; letztere beiden ſind zumal Meiſter
 
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