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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 17
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Harrach, Max: Düsseldorf 1902: Deutsch-nationale Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0299

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Yr I

großen, figurenreichen Kompoſition: „Madonna, von
ſingenden Engeln umgeben“. Der Effekt, die Geſtalt
des Bambino als ſtrahlende Lichtquelle wirken zu
laſſen, iſt zwar nicht neu, aber von Marr in beſon-
ders glücklicher Weiſe angewandt. Ein Porträt von
ihm iſt ſchlicht und vornehm in Farbe und Auffaſſung
— eines der beſten Bildniſſe der Ausſtellung über-
haupt. Löfftz hat außer zwei Landſchaften eine
große „Elegie“ ausgeſtellt; die Abſicht, ein kaltes
Blau zu einem dominirenden koloriſtiſchen Effekt zu
verwerthen, kann nicht als völlig geglückt bezeichnet
werden. Lenbach hat drei Porträts hier, über deren
Hualitäten nichts Neues mehr zu ſagen iſt. Fried.
Aug. v. Kaulbach hat außer einem eleganten Bild-
niß zwei pikante Skizzen für Wanddekorationen ge-
ſandt. Walthex Sirle, der einſt durch ſeine große
Tragödie „Im Trauerhauſe“ Aufſehen erregte und
ſich nahe an Uhde und Israels plazirte, iſt im
Laufe der letzten Jahre zu zahmen genreartigen
Mädchendarſtellungen zurückgekehrt, hat ſich aber in
dem hier gezeigten großen Bilde: „Frauen an der
Leiche Chriſt“ wieder an eine ſchwierige Aufgabe
gemacht, die zwar nicht mit beſonderer Eigenart, aber
mit vollendeter Aunſt und Geſchmack gelöft iſt.
Defregger iſt ſeiner alten Liebe treu geblieben:
„Die Vertheidigung Tirols 1809“ führt, wie alle ſeine
Bilder in das maleriſche Bergland jenſeits des Brenners
mit den ſchneebedeckten Felshäuptern und dem derben,
urwüchſigen Menſchenſchlag. Wilhelm Räubers


Roſa getauchter Frauenakt von tüchtiger techniſcher
Durchführung; Roub auds „Tſcherkeſſen“ und Joſ.
v. Brandts „Pferdemarkt in Balta“ ſind Bilder
von jener ſpielenden Dirtuoſität der techniſchen Durch-
führung, die in weiſer Berechnung die Mitte hält
zwiſchen altmeiſterlicher Pinſelfertigkeit und modernem
Pleinair. Anſpruch auf abſolute Bollſtändigkeit kann
die Münchener Abtheilung wohl ebenſowenig als die
Berliner erheben. Namen wie Ernſt Simmermann,
Alexander Wagner, Joſ. Wenglein, Ed. Grützner,
Joh. Herterich u. A. m. fehlen. — Mit größeren
Bildern, die ſchon nahe in das ſezeſſioniſtiſche Lager
hinüberweiſen, haben ſich die beiden Schuſter Woldan
eingeſtellt: Memento vivre“ und „Der getreue Ekke-
hardt“. Mit gewohnter Tüchtigkeit erfüllt die Cand-
ſchafterſchule Münchens die Erwartungen. Da iſt
der ältere Joſ. Willroider mit zwei tüchtigen
Landſchaften, die in der Tuftbehandlung etwas Un-
gemein Friſches und Befreiendes haben; da iſt der
vor Jahren fo außerordentlich vielverſprechend auf-
getretene Karl Hartmann mit einer prächtigen
„Keuernte“; da iſt der derbkräftige umd uͤrwüchſige
Fritz Baer, deſſen „Vorfrühlingsabend“ wie ein
„Todſchläger“ wirkt und der elẽgiſche Mondnacht-
ſchilderer Charl. Palmié, der nur im Format zu-
weilen über das vernünftige Maaß hinausgeht. Das
Marinebild, das in München faſt garnicht gepflegt
wird, iſt lediglich durch Peterſens gelbgkünẽs
„Meer“ repraͤſentirt — abgeſehen von Tden drei
holländiſchen Motiven, die der ausgezeichnete Aqua-
relliſt Hans v. Bartels ausgeſtelll hat. — Don
bekannten Künſtlern ſind noch weiter zu nennen:
Edmund Harburgers feuchtfröhliche Zechertypen und
Wilh. v. Diez' pikant gemalte, altmeiſterliche,Maro-—
deure“, die mit unglaublicher Feinheit gemalten
Miniaturen Carl Seidlers und Wilh. Löwilhs, und
Math. Schmids melodramatiſche Hochgebirgsſzene:
„Fürs Vaterland“.

Lun zur Sezeſſion! Auch hier begegnen wir
einer Ausleſe trefflicher hauptwerke aus Dden letzten


Jahren, aber das wirklich Neue und Packende iſt
auch hier ſehr dünn geſäet. Neu iſt weder Uhdes
„Sommerfriſche“ mit der übrigens ſüperben Ereilicht-
malerei, noch Stucks: „Dämoniſche Furien“; weder
Albert Kellers großes, koloriſtiſch intereſſantes
Figurenbild: „Glück“, noch Hubert v. Hevdens
mit ſprühender Lebendigkeit gemaltes „Hühnerbild“
und Jul. Exters „Ländliche Szene“. Alle dieſe
Werke der Matadore der Sezeſſion haben ſchon ge-
legentlich der Münchener Jahresausſtellungen einge-
hende Würdigung in der „Kunſt-Halle“ gefunden, und
ich kann es mir darum verſagen, nochmals auf dieſe
Werke zu ſprechen zu kommen. Veu iſt meines
Wiſſens Habermanns Damenporträt und Sam-
bergers Herrenbildniß — erſteres von jenem faſt
krankhaft outrirten Chikismus, der nichts Nätürliches
mehr an ſich hat, letzteres von einer techniſchen Ver-
voſität und haſtigen Pinſelführung zeugend, die wohl
im Voraus auf die Zuſtimmung jener Kreife zu ver-
zichten ſcheint, mit denen ein Bildnißmaler in erſter
Linie zu rechnen hat. Hierl-Deronkos „Fandango“
iſt eines der größten Bilder der ganzen Ausſtellung,
aber unwillkürlich drängt ſich einem die Frage auf:
— Warum ſo großd Die Tänzerin ſteht in dem
weiten dunklen Raum ganz in der äußerſten vorderen
Ecke, die Mitte iſt leer und an der Seite rechts ſitzen
die zwei muſizirenden Gitanos. — Viel Taleut ver-
räth die große Darſtellung des: „Hl. Antonius von
den Frauen verführt“ von dem jungen Ferd. Goetz.
In der Phantaſielandſchaft ſind die ſtiliſirten Natur-
ſchilderungen von Edm. Steppes („Adagio“) und
Herm. Urban („£ago di Nami“) bemerkenswerth.
Im Bildniß iſt außer Lenbach wenig Auffälliges zu
zu verzeichnen, ausgenommen ein auf dunklen Ton
geſtimmtes Herrenbildniß von Walther Thor und
ein Paſtell von Rich. Scholz. Die „Jüngſten“ der
Münchener haben hier Fritz Erler, Rud. M. Eichler,
Ad. Münzer, Walther Georgi u. A. ins Treffen
geſchickt. Angelo Janks: „Märchenbild von der
Prinzeffin und dem Schweinehirten“ iſt in dieſer
Gruppe das beſte Bild voll Drollerie und Grazie.

Dresden erhält durch die Bilder Gotthard
Kühls das Signat. Sein „Artushof in Danzig“,
ſeine Waiſenhausinterieurs und die Dresdener Archi-
tekturen ſind Proben ausgeſprochener Vaturaliſtik;
dieſe Bilder ſind wirklich vor der Natur entſtanden
und fertig gemalt: „Freiluft und Freilicht“ iſt die Deviſe
dieſer Kunſtanſchauung. Wenn ich Saſcha Schneider
noch als Dresdner bezeichnen darf, ſo muß ſeine
große Maſchine: „Um die Wahrheit“ hier zuerſt ge-
nannt werden. Gewiß iſt Schneider ein phantaſie-
voller Geiſt, der am ſtärkſten auf graphiſchem Ge-
biet zum Ausdruck gelangt. Aber welch vermeſſene
Hantirung mit Farben und Leinewand auf dem hier
gezeigten Bilde! Unangenehm roſagefärbte Männer-
geſtalten auf ſchwarzgeſtrichenem Hintergrunde, un-
verſtändliche Geſtalten und Geſten auf unzuſammen-
hängenden Gruppen und Feldern — nein, hier liegt
unzweifelhaft eine der bedenklichſten Proben künſt-
leriſcher Verirrung vor, und das Publikum hat Recht,
wenn es aus dem Saale, wo dieſe tolle Ausgeburt
verirrter Phantaſie und unzulänglichen Könnens eine
wüſte Orgie feiert, ſo raſch wie möglich flüchtet.
Die ernſthafte Kritik erweiſt dem Maler durch ehr-
lichen Tadel ſicherlich größeren Dienſt, als die gewohn-
heitsmäßigen Lobhudler alles deſſen, was ſich als
„modern“ gebehrdet, durch ihr Lob.

Im Saal der Dresdener ſind ferner bemerkens-
werth: Eugen Brachts „Deutſcher Eichwald“ in
ſeiner heroiſch geſtimmten Auffaſſung, Carl Bantzers
 
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