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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 23
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Marasse, Margarete: Am Hofe der Gonzaga, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0406

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Yir. 23

anpaſſung die Familie Lodovicos IL, des Markgrafen,
der Mantegna an ſeinen Hof berufen, und auch
Alberti mit dem Bau der großartigen Kirche von
S, Andrea beauftragte, bewunderten wir ſtillvergnügt
und nach Herzensluſt.

Köftlich lebenswahr ſpricht dieſe Mantegnaſche
Schöpfung zu dem Beſchauer, ſie wirkt nicht wie die
hiſtoriſch wichtigen Florentiner Repräſentationsbilder,
ſondern wie eine beinah gemüthliche, glückliche,
liebebeſeelte Hausſzene. Hätte Otello in ſeinem
Thatendrang es nicht vorgezogen, in der Stube des
Kuſtoden bäuchlings auf der Erde zu liegen und
allerliebſten, neugeborenen Kätzlein das Elend des
Daſeins ſchmerzhaft zu demonſtriren, ſo würde er
wahrſcheinlich in ſeiner einſchmeichelnden Methode
behauptet haben, der Hauch von ruhig ſtiller Har-
monie ſei ein Sieg des Deutſchthums, ginge von
Barbara, der Enkelin des erſten Kurfürſten von
Brandenburg, aus. In der That trägt die ganz
en face aufgenommene Matrone in voller Wahrheit
des Charakters die ſchöne Bildung einer geſtrengen
deutſchen Hausfrau, der die Erziehung ihrer 9 Kinder
einiges Kopfzerbrechen bereitet. Ueber der Thür
zeigt eine Inſchrifttafel die Jahreszahl 1424, glück-
bringende Putten halten das Schild, umflattern es
mit Zchmetterlingsflügeln, ſtrahlen von lebendigſtem
Humor, daneben ſehen wir abermals den Mark-
grafen und ſeine Söhne, aber diesmal in hiſtoriſcher
Situation, in vornehm weltlicher Tracht.

Eine bemalte Decke zu ſtudiren, verurſacht in
der Regel eine leichte Genickſtarre, eine die Intelligenz
verſchlingende Gehirnerſchütterung, aber ſolch unſäg-
liches Unbehagen hat man bei Mantegnas Decken-
fresko in der Camera degli Sposi nicht zu befürchten, ſie
bietet göttlichen Genuß ohne geſundheitsſchädlichen Bei-
geſchmack. Die Kaiſerbildniſſe und die mythologiſchen
Szenen verblaſſen vor der reizenden Illuſion des
leuchtend blauen Himmels, um den herum auf täuſchend
gemalter Brüſtung übermüthige, nackte, geflügelte
Bübchen turnen und die runden Gliederchen dehnen.
Auch Frauen mit begehrlichen Augen, eine ſchalkhaft
lachende Mohrin, ein farbenprächtiger Pfau lugen in
das Simmer und horchen neugierig — vielleicht auf
einen graziös verhauchenden Hymnus lenzfreudiger
Liebe. Vielfach von unberufener Hand angetaſtet,
beſchädigt, zerſtört, ſchlecht reſtaurirt, bleibt der vor-
handene Keſtbeſtand der Camera degli Sposi ein
künſtleriſcher Beſitz, der durch ſeine Größe der Nach-
welt Anlaß zu ſtarker idealer, tief innerlich empfun-
dener Freude giebt. ;

Den Sutritt zum Stadtſchloß, Corte Reale, er-
hielt ich ohne Schwierigkeit. Dieſes ſehr bemerkens-
werthe Gebäude, einer der umfangreichſten Paläſte
Europas, wurde ſchon 1302 begonnen, iſt jetzt
zum Theil Kaſerne, lockt aber durch die maleriſche
Ausſchmückung Giulio Bomanos, ſeit 1524 Architekt
und Bofmaler in Mantud, in anderen zu-

gänglichen Räumen des Gebäudes zu anregendem
Beſuch.

Freilich wirken die prächtigen Dekorationen,
blühender Farben voll, die ſchimmernden Marmor-
fußböden, die reichen Stuckaturen zu Einfaſſungen
von Gemälden, die feine Grnamentirung der Decken
nur auf die Augen, das Gemüth wollen ſie nicht er-
wärmen, und ſelbſt die berühmte Sala del Lodiaco,
all die allegoriſch mythologiſchen Darſtellungen, die
Szenen aus dem trojaniſchen Krieg wollen dem durch
Mantegna vornehm gebildeten Geſchmack nicht recht
munden. Der Uuſtode zeigt uns — diesmal hat es
Gtello in herablaſſender Milde nicht verſchmäht, den
Abſtecher ins Beich der Kunft mitzumachen — das
Simmer, in dem Napoleon I. geſchlafen hat. Er
bedenkt den großmächtigen Korfen nicht gerade mit
koſenamen. Die Franzoſen ſind für dieſen ſtreitbaren
Cerberus⸗-Räuber, Bechtsüberwinder, die herrliche,
unſterbliche Werke aus dem Palazzo verſchwinden
ließen. In der That befinden ſich Mantegnas „Ver-
treibung der Laſter durch die Weisheit“ und ſein
„Parnaß“, zwei Bilder, die, für das Studiolo der
Iſabella Gonzaga beſtimmt und nach ihren Angaben
— heute im Louvre, ebenſo wie die Ma-
donna della Vittoria mit dem ſtark idealiſirten Porträt.
des Markgrafen Gianfrancesco.

Die Produktivität Giulio Nomanos zu bewundern,
hatten wir noch im Palazzo del Te Gelegenheit;
hier in dieſen ſtumm gewordenen Sälen tauchte die
Viſion einer Frau, deren außerordentlicher Geiſt, ihre
Schönheit, Anmuth und Gelehrſamkeit ſie für lange
Jahre zum Nitttelpunkt einer künſtleriſch gebildeten
Gemeinde machten, übermächtig vor uns auf.

Iſabella D'Eſte ward nach prächtiger, 8 Tage
dauernder Hochzeitsfeier mit allerlei lärmenden Luſt-
barkeiten und reicher Prunkentfaltung im Jahre
1490 die Gattin Gianfrescos III. Ein goldenes
Seitalter der Kunſt brach unter ihrer Herrſchaft an,
alle großen Künſtler ihrer Epoche beſchäftigte die
junge Markgräfin. Mit Lionardo da Vinci, deſſen,
reizendem, paſtellartig ausgeführtem Bildniß der.
großen Dame des Cinquecento im Louvre wir von
all ihren Porträts den Vorzug geben möchten, ſtand
ſie in reger Korreſpondenz, Tizian hat ſie mehrfach
gemalt und Bubens dieſe charakteriſtiſchen Bilder
kopirt, Giulio Romano empfing von ihr Aufträge
und Anregungen. Als die vielumworbene Frau im-
Winter 1514—15 in Bom weilte, feierte man ihr zu
Ehren Feſte, denen Papſt Leo X., der Gönner der
Dichtungen, Beimſpiele, Improviſationen, perſönlich
beiwohnte. Calandria, das älteſte italieniſche Luſt-
ſpiel des vielſeitigen Kardinals Bibbiena — Raffael
hat den Ztaatsmann, Dichter und Mäcen gemalt,
das Griginal des bekannten Bildes befindet ſich in
Madrid — , eine Kopie im Pitti — wurde aufgeführt.
Den architektoniſchen Proſpekt dazu malte Baldaſſare
Peruzzi; alſo lobte Daſari das Werk: „Man kann
 
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