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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 23
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Pudor, Heinrich: I. internat. Ausstellung für moderne dekorative Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0410

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Vr. 23

und klare und iſt als ſehr gelungen zu bezeichnen.
In der Farbe wirkt der Saal allerdings etwas ein-
förmig; es fehlt eine dem Blau ein gewiſſes Gegen-
gewicht bietende Farbe. In dieſem Saal ſind Vitrinen
mit Erzeugniſſen des Dresdner Kunſtgewerbes auf-
geſtellt, und zwar in erſter Linie herrührend von Prof.
Groß, ſowohl Goldſchmiedearbeiten wie Zinnarbeiten
(beſonders erwähnenswerth eine Schüſſel mit Deckel,
deren Henkel Hahnenköpfe in Nachbildung zeigen).
Erſtere können ſich zwar neben den beſten Arbeiten
Frankreichs und Belgiens, alſo denjenigen Taliques
und Wolfers, nicht ſehen laſſen, und zwar um deſſent-
willen, weil ſie ſich in der Hauptſache mit einfachem
Liniendekor begnügen, ſtatt in der Verwendung reicher
Pflanzen-, Frucht- und Thierformen die Phantafie des
Künſtlers in Wirkſamkeit zu zeigen, aber ſie können
ſich getroſt demjenigen, was z. B. ‚,La Maison moderne“
in Paris oder die Arts und Crafts Exhibition m
London, oder was die Wiener und Budapeſter
Goldſchmiede zeigen, an die Seite ſtellen. Aehnliches
gilt von den Schmuckarbeiten Hermann Behrends;
derſelbe hat auch Emailarbeiten von Rappaport, die
man auch in der Abtheilung La Maison moderne
ſieht, mit Silbermontirungen nach Entwürfen Dufresne
ausgeſtellt. Endlich ſind auf dieſem Gebiete die vor-
züglichen Arbeiten des Dresdner Goldſchmiedes Wil-
helm Bergers nach Entwürfen P. Ciſſarz, Erich
Aleinhempels u. A. zu erwähnen, von denen Aehn-
liches, wie von den Arbeiten des Prof. Groß, gilt:
eine reichere Verwendung von Vaturformen iſt auch
dieſen Künſtlern anzuempfehlen.

Die Königlich Sächſiſche Manufaktur hat leider
wenig geſchickt (ein ſchönes Tafelſervice erwähnens-
werth), dagegen hat die ſächſiſche Porzellanfabrik in
Potſchappel (Carl Thieme) prächtige Arbeiten aus-
geſtellt, beſonders mit Kryſtallglaſuren in lichten grau-
grünen Farben, mit gelben Tönen untermiſcht, ähnlich,
wie ſie Sevres neuerdings fabrizirt. Auch gutes
Lüſterporzellan hat dieſelbe Firma ausgeſtellt. Einen
ganz hervorragend guten Eindruck macht ferner die
Dresdner Firma M. Seifert u. Co., welche Metall-
arbeiten, namentlich Beleuchtungskörper, nach Ent-
würfen erſter Künſtler, wie Prof. Behrens, Rich.
Müller, in großer Zahl ausgeſtellt hat, darunter
prächtige Stücke, einzelne geradezu einen klaſſiſchen
Eindruck machend und wie eine künſtleriſche Gffen-
barung wirkend, ſo z. B. der famoſe Schirmſtänder
in Meſſing, der Klavierſtuhl, der Votenſtänder 2C.
Leider verbietet uns der beſchränkte Raum auf die
reiche Auswahl vorzüglicher Kronleuchter in Meſſing
und Bronze, die dieſe Firma ausgeſtellt hat, des
Näheren einzugehen.

Wir gehen nunmehr wieder auf die der eigent-
lichen Wohnungskunſt dienenden Bäume über.
Die Berliner, die Münchener, die Stuttgarter, die
Dresdner, die Darmſtädter, die Karlsruher, ſie alle
ſind hier mit zum Theil ausgezeichneten Innenein-
richtungen vertreten, jedoch etwas Durchſchlagendes,
was man für die Zukunft als Norm aufſtellen wollte,
iſt nicht vorhanden. Kaum daß etwas Senſationelles,
abgeſehen etwa von dem in gelbem indiſchen Sitronen-
holz ausgeführten Theezimmer des Prof. Olbrich,
ſich bietet. Im Allgemeinen iſt ein Einlenken aus
den hpperſezeſſioniſtiſchen Bahnen deutlich erkennbar.
Zugleich ſcheint man ſich aber über die Grundfor-
derungen einer modernen Wohnungseinrichtung immer
noch nicht im Klaren zu ſein — der Eine verſucht
es auf dieſe, der Andere auf jene Weiſe, ſie alle
experimentiren und ſchaffen Hermittelungsglieder
zwiſchen der Tradition, dem Zuge der Zeit und ihrem

perſönlichen Empfinden, wobei das letztere immer
noch zu kurz kommt. Mit einem Wort, die rück-
ſichtslos auf ſich ſelbſt ſich verlaſſenden Individualitäten
fehlen. Der bedeutendſte Raum bleibt das Veſtibül
des Prof. Behrens, das aber freilich kein Wohnraum
iſt. Auch die nächſtdem am bedeutendſten wirkenden
Räume, der Kaiſerſaal und der Dresdner Saal,
wollen keine Wohnzimmer ſein. Danach erſt folgen
die Glbrichſchen Simmer und der Möhring-Raum.
Von Möhring darf man vielleicht auf dieſem Gebiete
noch recht viel Gutes erwarten. Die Olbrichſchen-
Zimmer wirken beſonders nach Rückſicht des Farben-
eindruckes intereſſant. Sie ſind Whiſtlerſche Farben-
harmonien, übertragen auf das Gebiet der Innen-
einrichtung. Das Theezimmer ſtellt ſich als eine
Harmonie von Gelb in Weiß mit rothbraunen
Zwiſchentönen, das Schlafzimmer als Harmonie von
Dunkelbraun in Weiß mit rothen und braunen
Zwiſchentönen dar. Wenn man die Farbenfreude
des einen Simmers zur Genüge genoſſen hat, wird
man aufs Veue angeregt durch die Farbenluſt des
anderen Zimmers. Die ſehr gewiſſenhaft gearbeiteten
Möbel ſind von Glückert (Darmſtadt) ausgeführt.
Nach einer ganz anderen Bichtung bedeutend wirkt
das von GOreans (Karlsruhe) entworfene badiſche
Zimmer. In der Farbe eintönig, faſt ermüdend.
In der Mobelarchitektur theilweiſe geſucht originell
und den ſicheren Boden des Gebrauchszweckes ver-
laſſend. Aber es geht ein Zug von Innigkeit, von
deutſcher Wohnlichkeit durch dieſes Simmer, dex es
uns nicht vergeſſen läßt. Es macht einen ſpezifiſch
badenſiſchen Eindruck, daher auch die dunkle tiefe
Schwermuth, die über dem Ganzen ausgegoſſen liegt.
Und endlich wirkt es ausgeſprochen bäuerlich im
beſten Sinne des Wortes. Dieſe Bäuerlichkeit cha-
rakteriſirt ja im Allgemeinen das badiſche Kunſtge-
werbe und ſeinen erſten Vertreter Max Läuger, und
wir möchten in demſelben gerade dieſen Sug am
allerwenigſten miſſen.

Indieſelbe Kategorie von Wohnungseinrichtungen,
wie der letzgenannte Raum, fallen die von dem künſt-
leriſchen Leiter und Organiſator der deutſchen Ab-
theilung, Herrn von Berlepſch Valendas, entworfenen
bayriſchen Zimmer, nur daß ſie bei weitem freudiger
wirken und hellen Stimmungscharakter haben. Aber
auch er geht auf das ſchlicht-Bürgerliche zurück und
vermeidet jede ſezeſſioniſtiſche Extravaganz. Und
einen ähnlichen Charakter tragen die in denſelben
ausgeſtellten Möbel. Auch die Dresdner Werkſtätten
für Handwerkskunſt haben tüchtige Proben ihres
Könnens geſchickt. Aus der preußiſchen Abtheilung
ſeien noch die ſehr gewiſſenhaft entworfenen und
mit feinem Empfinden abgewogenen Interieurs von
Anton Huber, Arno Koering und Curt Stoeving
erwähnt.

Wenn wir uns nunmehr wieder den deutſchen
Materialgruppenausſtellungen zuwenden, ſo bemerken
wir wiederholt, daß es weder unſere Abſicht, noch
angängig iſt, jeden Gegenſtand oder auch nur jeden
Ausſteſler nanientlich zu erwähnen. In den hervor-
ragendſten Darbietungen des deutſchen Kunſtgewerbes
auf der Turiner Ausſtellung gehören die Wand-
teppiche der Scherrebeker Kunſtwebeanſtalt in Schles-
wig. Hier finden wir das ſo oft vermißte „Aus
dem Geiſte des Materials Herausarbeiten“, dabei
eine ſehr lebhafte Farbenwirkung und einen ausge-
ſprochenen germaniſchen Charakter. Die Entwürfe
rühren zum Theil von Chriſtianſen, zum Theil pon
Eckmann her. Weiter hat hier die Berliner Juwelier-
firma J. H. Werner modernen Frauenſchmuck aus-
 
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