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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 1
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Zimmern, Helen: Giorgio Kienerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0013

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Nr. I

Die Aunst-Halle.

5

Richtung" heuchelte, so ziemlich das Gegentheil von
dem that, was er bald darauf als eine heilige Pflicht
des Kunstvereins erklärte. Der Verfasser des Protestes
beschwert sich darüber, daß er, obwohl dem Herrn
persönlich bekannt, obwohl von Herrn T. gelegentlich
einmal „um seine Meinung befragt", obwohl seit
fahren regelmäßig in den Hamburger Aus-
stellungen vertreten, zu senen „Renitenten" ge-
hörte, die von dem Herrn Direktor und seinen zwei
Adjunkten, die mit den Vorbereitungsgeschäften betraut
waren, einfach in der Tiste der Einzuladenden ge-
strichen wurden. Auf die ungeladene Sendung von
mehreren Arbeiten wurde nur „die unscheinbarste und
nach eigenem Dafürhalten schwächste" als geeignet
zurückbehalten, alles Uebrige remittirt, und ihm in
einer offiziellen Rkittheilung eröffnet, daß die sog.
Ausstellungsjury weder Refüsirtes noch Neues mehr
aufnehmen würde. Dagegen wurde — ja, Bauer,
das ist etwas Anderes! — einem Tichtwark-Spezialisten
während der Ausstellung „ein verkauftes Lntenbild
sofort durch ein anderes, vorher nicht angemeldetes
verkäufliches Entenbild" (Hauptsaison-Artikel in Ham-
burg) ersetzt. „Genützt hat es dem Herrn zwar nichts,
denn unser Kunstverein steht thatsächlich auf
dem neutralen Boden, den Herr Dir. T. fälschlich
für sich in Anspruch nimmt, und trat, nach eingelegter
Beschwerde, nut seiner Autorität bereitwillig für die
gerechte Sache ein, wodurch dann die Ausstellung
weiterer Arbeiten bewirkt wurde."
Diese absolut authentischen Thatsachen stellen den
Sachverhalt genügend klar dar. Sie beweisen, mit
welchem Eifer der Herr Professor ausschließlich für
seine „jungen" Propaganda macht und und wie er
alle die Künstler empfindlich zu schädigen sucht, die sich
nicht, freiwillig oder dem Drucke des mächtigen
Mannes nachgebend, in seine Schablone zwingen
lassen. Sie beweisen aber auch, mit welcher kecken
Stirn er sich zum Sprachrohr der edlen Bestrebungen
des Hamburger Kunstvereins machte, indem er in jenem
vortrage als die wichtigste Aufgabe bezeichnete:
neutral zu bleiben. . .
Es würde nur den Eindruck der drei Hauptpunkte
der Anklage abschwächen, wollte ich auf die übrigen
Punkte der Protestes eingehen. Das Gesagte möge
daher genügen. Nur ein Zrrthum der Broschüre,
die an eine Prahlerei des Vortrags (S. s P anknüpfend
bemerkt, das Ausland, namentlich Berlin, beneide
Hamburg „um eine so hervorragende Kraft", kann
nicht übersehen werden. Da muß doch betont werden,
daß man in Berlin in amtlichen wie in außeramt-
lichen Fachkreisen die (Qualität dieses Herrn meist
richtig taxirt, des produktiven Kunstschreibers,
den man einen „kleinen" Tübke nicht nur deshalb
nennt, weil er statt dickleibiger Texikonbände — Duodez-
büchlein für den Nippestisch unermüdlich auf den
Markt wirft. Die Bewunderung beschränkt sich viel-
mehr auf einen engen, freilich zur Zeit noch sehr

einflußreichen Ning, eine Tobassekuranz-Gesellschaft
gegründet auf Gegenseitigkeit, deren Mitglieder sich
auch untereinander biographisch verherrlichen. Das ge-
wöhnliche Reklamegeschäft besorgt dann ein journa-
listischer Anhang, der dafür auf den zugeworfenen
Knochen rechnet. DieHerren sind „modern8an8pbra.se",
schwärmen, obwohl ihre eigene Methode in der Regel
engherzig, zopfig, chinesenhaft ist, natürlich für das
Zndividualitätsprinzip, unter dessen Schilde ja auch
Eitelkeit und krasse Selbstsucht gedeihen. Sie hassen
und bekämpfen „das Alte" nicht darum, weil sie
aus Ueberzeugung jede Tradition, alles Bestehende
für bedenklich halten, sondern weil ihnen die ein-
gesessenen Machthaber im Wege und hinderlich
sind, schnell die leitende Nolle zu spielen. So sie
allein die einflußreichen Führer, jeder an seinem
Orte, sind, mag dann das Schicksal der Ver-
führten, d. h. der jungen Künstler, die ihnen
blind Glauben schenken, sein wie es wolle. Das Alles
haben wir in Berlin ebenso wie in Hamburg und
Dresden erlebt. Aber schließlich kommt das Publikum
dahinter, wenn die taktische Klugheit einer der Größen
im entscheidenden Falle nicht ausreicht, wie jetzt in
Hamburg wird es auch anderwärts geschehen, und
wenn es wahr ist, daß die Kamaraderie in einem
Berliner Galleriedirektor den einzigen fähigen Kopf
besitzt, so werden die Uebrigen ohne diesen Kopf
wohl in absehbarer Zeit sämmtlich in die Versenkung
rutschen, weil — wie Tichtwark so richtig in seinem
Vortrag bemerkt — „es in der Natur der Dinge
begründet liegt, daß nur das in sich Gesunde und
Starke auf die Dauer zur Geltung gelangt, während
alles Andere es im besten Falle zu einem rasch
welkenden Modeerfolge bringt".

Giorgio Ikienerk.
von Helen Zimmern, Florenz.

Z^^^^ann werden Sie sich denn entscheiden, welchem
Kunstzweig Sie sich auf die Dauer zuwenden
wollen?" So wird Giorgio Kienerk be-
ständig von Freunden aus dem Publikum gefragt,
die nicht ahnen, wie sehr er in der Bethätigung
seiner Kraft gerade durch den Umstand begünstigt
wird, daß er des künstlerischen Ausdrucks zweisprachig
mächtig ist. wie vortrefflich dieser junge Künstler
aber in seinen beiden Sprachen zu reden weiß, davon
hatte ich noch bisher keinen vollen Begriff, so sehr
ich mich auch seit längerer Zeit für seine künstlerische
Persönlichkeit als eine solche von wahrhaft gedie-
genen Eigenschaften interessirt habe.
Als Kienerk mir auf meine Anfrage, ob ich sein
Atelier besuchen dürfe, persönlich Bescheid brachte,
 
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