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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 3
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0054

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Die Run st-Halle

Nr. 3

besser Lottet, der mitunter Thoma'sche Schlichtheit zeigt,
dann aber wieder, wie in der Gbstverkäuferin, sich in der
Bravour gewisser Spanier gefällt. Der Russe Botkin,
den wir neulich eben hier kennen lernten, hat zwei
weitere seiner, plakatstyl mit praeraffaelismus verquicken-
den zarttönigen Frauenbildnisse ausgestellt. Endlich sei
noch Baillet's radikalimpressionistisches Distelfeld mit
Eseln in rothgoldigein Morgendunst erwähnt. . . Der Rest
ist Schweigen — wenn ich auch wollte, ich könnte nichts
mehr namhaft machen, einfach weil es eben nicht haften
geblieben ist. Es wäre interessant zu erfahren, wer diese
Sammlung französischer Bilder auf Reisen geschickt hat-
Lin Dienst ist damit der Kunst unserer Nachbarn nicht
erwiesen worden. 4-
Ein hiesiges Konnte hat eine „Deutsche Plakat-
Ausstellung" in einem Lokal der Leipzigerstraße ver-
anstaltet und aus der Theiluahme, die das Unternehmen
bei Künstlern u. a. Interessenten fand, darf geschlossen
werden, daß man auch bei uns allmälig erreichen wird,
was hier erfolgreich begann. Ueber den künstlerischen
Werth des Plakats läßt sich streiten, der ökonomische
bleibt davon unberührt. Die Maler, die, fchulmäßig
gründlicher Ausbildung ermangelnd, sich manchmal aus
reiner Noth einer traditionsfeindlichen „modernen" Richtung
anschlossen, weil ihr Temperament sie zur selbständigen
Ausübung des Metiers vorzeitig drängte, werden im
plakatfach viel eher das können, was sie wollen, als in
der hohen Malerei. Das schließt nun keineswegs aus, daß
auch tüchtige und anerkannte Künstler gelegentlich zur
leichten, derben, kecken Art der Affiche herabsteigen, um
sich in dieser vulgären Region zwangslos mit Stift und
Farbe zu vergnügen.
Line Besprechung von Plakat-Ausstellungen ist wohl
jetzt, da Jeder die Sache genügend kennt, nicht mehr er-
forderlich. Den deutschen Zeichnern hat man kürzlich so
viel von französischen, englischen, amerikanischen Affichen
erzählt und vorgeführt, daß man erwartete, es würde nun
auch auf diesem Felde eine Fluth der Nachahmung herein-
brechen. Wenn die Gefahr glücklich vorüberging, so lag
und liegt das wohl mehr an den Konsumenten als an
den Produzenten, den Künstlern, die bei uns bekanntlich
gern die überlegene Ligenart fremder Nationen annehmen.
Den deutschen Konsumenten, die sich lediglich an die
Bedürfnißfrage halten, ist aber mit jenen aufdringlich
grotesken, farbenschreienden Riesenblättern, denen in
New-Hork, London, Paris weite Mauerflächen gegönnt
werden, nur in ganz vereinzelten Fällen gedient, da
unsere Affichen, außer im Rahmen runder „Litfaßsäulen",
doch wohl vorzugsweise Interieur-Plakate sind, die eine
mehr bildmäßige und saubere Behandlung erwünscht
machen.
Bezüglich der Tendenz des Plakats — wenn hier
überhaupt von Tendenz oder System zu sprechen ist —
herrscht große Verschiedenheit auch auf dieser Ausstellung.
In erster Linie steht natürlich der rücksichtloseste Reklame-
zweck! Db die Idee der Darstellung Geist, Sinn oder
künstlerischen Geschmack verräth, ist eine freilich inter-
essante — Nebensrage. Ls soll gern zugestanden werden,
daß wir hier einer ganzen Zahl gut erfundener, geschickt
ausgefühlter Arbeiten begegnet sind. Unter den Aus-
stellern figuriren bekannte Namen wie R. v. Heider,
p. Meyerheim, I. Rösl, M. Slevogt, I. Schwemminski.

wirkungsvolle Blätter sieht man außerdem von M.Schlichtung,
F. Rehm, L. Edel u. a. Das Resultat des Unternehmens,
dem sich in einem Nebenraume die Konkurrenzentwürfe,
die eine deutsche Lhokoladenfirma ausstellt, anschließen,
darf als recht erfreulich bezeichnet werden.
von velasquez, dessen zoo. Geburtstag in das
nächste Jahr fällt, kennt man bei uns ziemlich wenig, so-
weit es sich um Griginalgemälde handelt. London, Wien,
Paris, vor Allem natürlich Madrid, wo allein 6^ Werke
von seiner Meisterhand aufbewahrt werden, sind die
Stätten, wo man ihn studiren kann. Die Phot. Gesell-
schaft hat jetzt eine größere Anzahl von Kopien und gra-
phischen Reproduktionen von Bildern des spanischen Meisters
ausgestellt. Die Anzahl ist sogar recht stattlich: 20 Kopien
und ^58 graphische Blätter — Photogravüren, Kohle-
drucke und Foliophotographien — sind gewiß geeignet eine
Vorstellung, wenigstens von den Darstellungsgebieten und
dem Umfang des Schaffens des velasquez zu geben.
Ls sind auch angeblich vier Originale vorhanden, auf die
aber, mit einer Ausnahme, weniger Gewicht zu legen ist.
Die iin Besitz der Frau Wesendonck in Berlin befindlichen
Iagdstücke geben in Folge des gelben Lackes von der
Palette dieses großen Koloristen doch wohl keinen ganz
richtigen Begriff und das Hundeportrait, das Herr Klein-
schmidt-Kassel aus Spanien mitgebracht, dürfte von
velasquezkennern am Ende gar angezweifelt werden. Da-
gegen erscheint mir die dunkeltönige Skizze zu den
„Weberinnen" werthvoll zu sein, und um so interessanter,
als sich hier zeigt, daß jenes Bild Abweichungen von
dem ursprünglichen Entwurf, der wohl nach der Natur
entstand, aufweist. Das berühmte Gemälde selbst wird
u. A. in einer trefflichen Kopie von Frau paczka-wagner
vorgeführt. Die übrigen Kopien sind von Wm.
M. Lhase in New-Hork, Fr. pradilla, Eduard Ballo-
Budapest, Kleinschmidt-Kassel, Margarethe Meyer-Berlin,
Betty Wolff-Berlin, Franz Paczka-Berlin angefertigt,
von den fünf Hauptbildern des velasquez im prado-
museum ist hier in Kopie außer den erwähnten „Hilanderas"
das berühmte Königliche Familienbild „Las Neninas"
zu sehen. Lhase hat es in wirklich meisterlicher weise
kopirt. Die andern drei Hauptbilder— „Die Trinker", „Die
Schmiede des Vulkan" und die „UebergabevonBreda" — sind,
wie übrigens auch die beiden vorgenannten, in Photo-
gravüren und Kohledrucken mehrfach vorhanden, von
den Kopien verdienen noch besondere Beachtung pradilla's
„Merkur und Argos" und „Zwerge", Kleinschmidts
„Prinzessin Margarita", Ballo's portraits des Zwergen
Bobo de Loria , des Bildhauers Montanez und Innocenz X.
Lin übersichtlicher Katalog macht die Besichtigung all' dieser
Linzelblätter und des Velasquez-Albums zu einer lehr-
reichen Beschäftigung, wer sich Zeit nimmt, kann hier
velasquez wirklich kennen lernen, wenigstens in allen
seinen großen charakteristischen Zügen. Er überzeugt sich
dann wohl auch wieder einmal davon, wie nichts unter
der Sonne neu ist und daß die „bahnbrechende" Schule
von Barbizon eigentlich nichts weiter gethan hat, als ge-
lernt, Natur und Menschen mit des velasquez Augen an-
zuschauen, der also ihr direkter Vorläufer war. Allerdings
war es schon ein Verdienst, auf dieses Vorbild zurück-
zugreifen. D- N-
 
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