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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 22
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Hedberg, For: Etwas von Nordischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0388

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538

4- Die Aunst-Halle

Nr. 22

gemeinen wenigstens zu nationaler Ligenart entwickelt.—
Die Berührung mit der Muttererde hat aufs Neue
die tiefliegenden charakteristischen Ligenschaften zum
Lieben erweckt, das Streben, Natur und Leben des
Heimathlandes wiederzugeben, hat die Ausdrucksweise
zu einem intimeren Zusammenhang mit der nationalen
Anschauung modifiziert. Gleichzeitig sind die Bande
zwischen Alt und Neu wiedergeknüpft worden; wie
verschieden auch die Darstellungsart bei der älteren
und bei der jüngeren Generation ist, in der Mahl
der Motive, in der Art zu sehen und aufzufassen,
herrscht oft eine schlagende Uebereinstimmung.
Am stärksten tritt diese Uebereinstimmung wohl
in der dänischen Kunst hervor. Hier ist der Bruch
nie so stark gewesen, hier ist die Lntwickelung Schritt
für Schritt vorwärts gegangen, und die neuen Ideen
haben ungesucht, ohne sichtbare Anstrengung die alte
Anschauungsweise befruchtet und verjüngt, ebenso
wie sich der alte Inhalt ohne Schwierigkeit in die
neuen Formen gekleidet hat. Das treue anspruchslose
wirklichkeitsstudium, die intime liebevolle Auffassung
hatte die dänische Malerei schon lange ausgezeichnet,
als die neue Farbentechnik siegreich ihren Linzug
hielt und ihr die Mittel an die Hand gab, ihre Ziele
reicher, empsindungsvoller und überzeugender zu ver-
wirklichen. Aber die Stoffe, die die alten Maler
darzustellen liebten, finden wir bei den Jungen wieder,
und auch die Art, sich dem Stoff zu nähern, ist die-
selbe : auf dem Wege der persönlicheu Intimität. Jetzt
ebenso wie damals haben wir das Gesicht, daß die
Stoffe, die sie zum Gegenstand ihrer Schilderung
machen, nicht blos zufällige Gäste in ihrer Phantasie
sind, sondern vertraute Freunde; wir fühlen, daß ihre
Augen lange auf diesen Linien geruht, sich lange mit
diesen Farben vertraut gemacht, ehe die Hand sie auf
der Leinewand dargestellt. Treue und Verläßlichkeit
ist jetzt wie früher der hervorstechendste Zug in der
dänischen Kunst. Aber diese Treue macht sich jetzt
mehr auf den: Gebiete des Gefühls und der Stimmung
geltend, als auf den: der Beobachtung und der
exakten Wiedergabe, wo die Alten beschrieben, da
deuten die Jungen an, wo die Alten umständlich und
genau erzählten, da begnügen sich die Jungen damit,
die Phantasie des Beschauers in die gewünschte
Nichtung zu lenken. Die ganze Darstellungsart ist
mehr lyrisch geworden. Die Räume liegeu uicht
länger in einen: harten nüchternen Licht da, den Be-
schauer einladend, ein Inventar des Hausraths auf-
zunehmen; das Oü:ir-ob8eur breitet seinen geheimnis-
vollen Schleier über die Gegenstände und verschönt
diesen kleinen Winkel der Welt; wir fühlen uns nicht
versucht, aus dem Gesichtsausdruck der geschilderten
Person das Wort zu errathen, das sie aussxricht,
sondern es lockt uns, von der Welt von Gefühlen
und Gedanken zu träumen, die sie verschweigt; wir
verstehen, daß dieses kleine Stück der dänischen Natur,
das der Künstler geschildert, ihm so lieb gewesen ist,

das er es uns in all seiner ungeschminkten Wahrheit
geben wollte, aber wir begreifen auch, daß er da
geträumt und gedacht hat, und daß die äußere
Wirklichkeit und die innere, das, was er empfangen,
und das, was er gegeben, für seine Phantasie eins
geworden ist. wir ahnen ein reicheres und wärmer
pulsierendes Leben hinter den kleinen Bildern aus der
Sphäre des Heims und des Alltagslebens, das die
dänischen Maler jetzt wie früher darzustellen lieben.
In der schwedischen Kunst ist die Zusammen-
gehörigkeit wohl nicht so in die Augen springend,
aber sie ist doch auch hier vorhanden. Das Pathos,
die Neigung, mit großen Stoffen und großen Formen
zu arbeiten, (um nun nicht von großen Leinwänden
zu sprechen,) die bei der älteren Künstlergeneratisn
ihren Ausdruck in der Schwärmerei für das Dor-
nordische fand, die aus Höckert, der dominierenden
Gestalt in dieser Lpoche, einen Maler von hohem
Rang machte, und die in dem Grafen von Rosen,
zu Kronberg, Hellquist, Lederftröm ihren stets
nüanzierten charakteristischen Ausdruck erhalten hat —
die finden wir in der Malerei der jüngeren Schule
wieder, weuu auch audere Ausdrucksformen suchend,
und mit anderen Rütteln arbeitend. Sie wurde eine
Zeit lang von den: Detailstudium der realistischen
Periode in den Schranken gehalten, aber so wie der
Impuls zu einer freieren Stoffwahl und einer
persönlicheren Behandlung der künstlerischen Formen
gegeben war, kam sie wieder zum Ausdruck, wenn
ich nach einem Schlagwort suche, das, in den: Maße
wie Schlagworte dies können, die Produkte der jetzigen
schwedischen Malkunst charakterisiert, so finde ich kein
anderes als Pathos, ein Pathos, das sich sowohl in
der Auffassung wie in der Ausführung geltend macht.
Ls kann sich mehr auf der Oberfläche halten und
sich als Bravour äußern, in der Breite und Kühnheit
des technischen Dortrags, es kann hauptsächlich in
der Wahl des Stoffes selbst hervortreten, und es
kann endlich die ganze Auffassung durchglühen, und
in seiner Farben- und Formensprache die Intensität
oder Gewaltsamkeit des Gefühls verdolmetschen. Die
schwedischen Maler bewegen sich gerne in starken
Farben, starken Lichteffekten, starken Kontrasten, starken
Gefühlen; ihre Bilder sind Produkte einer Auffassung
der Kunst als des Ungewöhnlichen in: Leben, und
wenn sie uns zu sich bitten, geschieht es nicht „in
aller Linfachheit", sondern sie laden uns zu Festen,
mögen es nun dann Freuden- oder Trauerfeste sein.
Die norwegische Kunst hat nicht so alte Ahnen
wie die dänische und schwedische; sie hat keine
Tradition, die ihre Lntwickelung bindet, aber die
gleichzeitig den Formen Stetigkeit verleiht und dem
unruhigen Suchen einige feste Anhaltspunkte giebt.
Soweit ich sie kenne, und das ist hauptsächlich durch
ihre Ausstellung im vorigen Sommer in Stockholm,
trägt sie ein starkes Gepräge des in der Bildung-
begriffenseins, des Suchens nach einen: Style. Ihre
 
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