Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

DOI Heft:
Nummer 23
DOI Artikel:
M., C.: Dresden: Deutsche Kunstausstellung 1899, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0410

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
358

Die Aunst-Halle

Nr. 23

vresclen:
veutzcbe I^unztauzstellung isyy.

II.
ie Mehrzahl unserer Leser wird Max Klingers
„Christus im Olymp" wenigstens aus Nach-
bildungen soweit kennen, daß wir hier nicht auf die Dar-
stellung des Dorgangs, die Komposition des Ganzen und
die Idee des Bildes näher einzugehen brauchen. Don
dieser Idee behaupten die Linen, sie sei von kaum je da-
gewesener Tiefe philosophischer Weltanschauung, von hoher
Originalität, und ihr Ausdruck fei der denkbar umfassendste
und künstlerisch erschöpfend: die Andern wieder halten sie
für oberflächlich und werthlos und finden in ihrer Dar-
stellung nichts fesselndes, ja sogar viel (nicht nur) religiös
Abstoßendes. Das ist ein Streit, den wir ruhig den
Schriftgelehrten überlassen können: viel wird nicht dabei
herauskommen, denn Niemand läßt sich so leicht vom
Gegentheil überzeugen, wenn die Gegensätze so stark sind
wie hier. Betrachten wir hier nur das Bild in seiner
äußeren Erscheinung, abgesehen von dem künstlerischen
Werth der Idee. Ls ist ihm, wie gesagt, ein eigener
Raum gewidmet und es ist nach Klingers eigenen Angaben
aufgestellt worden, so daß wir annehmen dürfen, die
dämmerige Beleuchtung fei der Wunsch des Künstlers ge-
wesen; die koloristisch unerfreuliche Wirkung, die kaum
Jemand leugnet, ist also nicht aus ungenügender Be-
leuchtung zu erklären, sondern ist im Bilde selbst begründet
und das ist nicht überraschend, denn Klinger hat noch nie be-
wiesen, daß Malen seine besondere Stärke sei: und das muß
ungescheut ausgesprochen werden, wenn es sich um ein ge-
maltes Bild handelt, wer Klinger hoch schätzt und ver-
ehrt als Künstler, der meint ihn stets als Griffelkünstler
und Zeichner, als welcher er wohl seines Gleichen sucht:
für ihn wird die färbe geradezu lähmend und hinderlich
Ivie herrlich sind seine radirten figuren, aus dem Ganzen
geschaffen, voll innerlichen Ausdrucks und starker Empfindung
und wie träge und trocken klebt die färbe aus den
formen, wie ledern und in der Modellirung zerrissen sind
sie gemalt: wie muß man sich mühsam Alles zusammen-
suchen, um es in Bewegung und Ausdruck zu verstehen,
weil die farbige Anschauung fehlt, weil Alles auseinander
klebt trotz mühsam hineingequälter Reflexion und färbchen.
So kommt es, daß jede gute Reproduktion nach dein Bilde
genießbarer ist als das Original, das eben schon aus
6 Meter Entfernung, der geringsten, die man bei der
Größe der Leinwand haben muß, keine klar gegliederte
Wirkung hat. Und das ist und bleibt ein Mangel, der die
Betrachtung erschwert, trotz allen seinen geistreichen Be-
ziehungen und trotz mancher schönen Einzelheit, wunder-
voll aber ist die Predella in ihrer kühnen Komposition und
ihrem erstaunlichen Reichthum an Bewegung in dem
knappen Raume, ein Werk, über dem man gerne vergißt,
was das Pauptbild darüber schuldig bleibt. Die Klinger-
Enthusiasten, die ihn auch als Maler wie einen Gott an-
sehen und von Allen verehrt wissen wollen, behaupten hie
und da, so vollendet wie Klinger könne eben Niemand
nackte Körper imfreien malen und dergl. m. Diesen zu wider-
sprechen wäre ebenso nutzlos, wie wenn man Jemanden,
der behauptet, Nachts sei es Heller wie am Tage, ernsthaft

belehren wollte. Don den plastischen Werken Klingers, die
wieder einen erstaunlichen Reiz in der Oberflächenbehandlung
zeigen, sei eine Amphitrite ohne Arme und eine „Badende"
in Marmor hervorgehoben, interessante Werke von seiner
plastischer Empfindung. Nebenan ist eine kleine Kollektion
Seffnerscher Werke, Büsten und Reliefs, ausgestellt, die die
hohe Porträtkunst ihres Urhebers im besten Lichte zeigen.
Aus der anderen Seite folgen zwei dunkle Kabinette, wo neben
Anderem auch ein vortreffliches Werk von dem ernsten
Rob. Haug wenig würdig ausgehängt ist; dann müssen wir
durch ein Kabinet, das mit scharf violettem Stoff aus-
geschlagen ist und nur Bilder von Pans Unger, die wunder-
barer weise alle auf eiuen ebenso scharsblauen Ton ge-
stimmt sind, enthält: näher aus solche verfehlte Experimente,
die bedenklich nach Lharlatanerie aussehen, einzugehen, ist
hier nicht der Platz: gut als Arbeit ist nur sein Selbst-
porträt. Die nun folgenden reizend eingerichteten Zimmer
mit dem Meißner Porzellan, sowie die kunstgewerblichen
Räume, die recht seltsame formen ausweisen, müssen wir
hier des beschränkten Raumes wegen übergehen, ebenso wie
die reichhaltige Kranachausstellung (vgl. den I. Artikel).
Aus den folgenden Räumen ist vor Allem die genial
gemachte Gruppe „Zwei Mütter" von p. Gppler zu er-
wähnen und von den Weimaranern, die fast alle ungünstig
hängen, Thedys großes Bild , aäorLtio crucis' und Land-
schaften von Pagen, von den norddeutschen Künstlern ein farbig
vortreffliches Interieur von Julius von Ehren und von
Pans Olde eine Bauernsamilie in voller Sonne, eins jener
Bilder, von denen der naive Beschauer zu behaupten pflegt,
daß es dort bunte färbe regne; nichtsdestoweniger aber
von starker Wirkung.
Berlin ist besonders gut in der Landschaft vertreten
durch Wilhelm feldmann, Oskar frenzel, Pans Permann,
dessen alte holländische Stadt für die Gallerie erworben
wurde, fr. Skarbina und Ludwig Dettmann, dessen
figurenbild „fischer-pochzeit" ebenfalls eine achtung-
gebietende Leistung ist. Sonst wäre noch das im Ton
tiefer gestimmte dekorativ prächtig wirkende Bild „Blumen-
pflückende frauen" von Ludwig von posmann und
Koners bekanntes Bildniß des fürsten perbert Bismarck
zu erwähnen. Die anschließende Abtheilung der Aquarelle,
pandzeichnungen und graphischer! Arbeiten ist so reich-
haltig, mehr als 600 Nummern umfassend, daß wir nur
hie und da Einiges hervorheben können, ohne damit nur
annähernd das Beste auszuzählen, denn diese Abtheilung
enthält viel mehr davon, als die anderen, und das Mittel-
maß ist nur ganz gering vertreten. Don Otto Greiner
seien 26 Aktzeichnungen und ein Steindruck „Damen-
bildniß" hervorgehoben, ferner Algraphien von Cornelia
Paczka, die kräftig breit gemachten Lithographien von
Rudolf Schulte im pofe, Arbeiten von Vrlik, Leopold
Pros. Kalckreuth, Pans von Dolkmann, Meyer - Basel,
peinrich Wolff-München, Georg Jahn-Dresden, Mackensen
und die geistreich gemachten federzeichnungen zu Amor und
Psyche von Max Klinger.
Das Lenbach-Kabinet endlich zeigt die gewohnte
Physiognomie: als besonders schön seien nur die Pastell-
zeichnungen der Eleonore Düse und des Kaisers Wilhelm I.
erwähnt, während unter den Oelgemälden manches recht
befremdliche ist. C. M.
 
Annotationen