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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 2
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0035

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C


kunſtgeſchichte ſchon geſchloſſen, und ſelbſt der rühmliche
Fleiß der Ausführung kann daran nichts ändern. Das bei
weitem beſte hat zu dieſer Oktoberausſtellung ein Bild-
hauer, Wilh. Wandſchneider, beigeſteuert; kleinere
Idealfiguren in getönter Bronze wechſeln mit vortrefflichen
Büſten in Marmor, Bronze und Gips ab, Porträts von
Herbert Bismarck, Erzellenz von Oertzen, Frau von Pod-
bielski u. ſ. w.; ein feiner Mädchenkopf (Beatrix) iſt ganz
im Stile florentiniſcher Frührenaiſſance gehalten. Weitere
Plaſtiken ſind von Brütt, Upkues, H. Hausmann, Aichele
vorhanden. Unter den zahlreichen Gemälden gehören zu
den reifſten Arbeiten der altmeiſterlich wirkende ausdrucks-
volle „Leiermann“ von Ernſt Hausmann, die köſtlichen
wieſen- und Gartenidylle von Ernſt Henſeler, H. Baſe-
dows Landſchaft „Gelbe Blumen am Bache“, zwei feine
Gouachen (Waldrand und Teltower See) von Mar Fritz,
Ernſt Koerners „feuriger Abend am Nil“ u. a. Werke
mehr. Auch W. Trübner's „Gutshof“ iſt für den eigen-
artigen Meiſter bemerkenswerth. Eine Kollektion von
humoriſtiſchen Zeichnungen und getuſchten Blättern, Köpfen,
Landſchaften u. ſ. w. von Franz Jüttner verdient gleich-
falls Beachtung. Schöne Leiſtungen ſind endlich die zum
Theil ſehr großen radirten Blätter von Zanetti Gene-
tianiſcher Kanal), G. Erler (Hartoffelernte), O. Graf-
Freiburg Gietà) und, G. Jahn.

*

In Caſpers Salon in der Behrenſtraße iſt eine
Anzahl moderner Bilder mit älteren, zum Theil engliſchen
werken vereinigt. Ein Stallinterieur von George Morland
iſt wohl auch gegenſtändlich eine Kurioſität für dieſen alten
Genremaler. Der ſchon im vorigen Hefte hervorgehobene
„Maſter Fleming“ von R. Brough iſt das breit und paſtos
hingeſtrichene Bildniß eines vornehmen Knaben auf feurigem
Braunen. Die Landſchaft mit der Mühle und einem düſter
geſtimmten Wolkenhimmel trägt den Namen von C. Vi.
wimperis. Bon moderner Auffaſſung ſind dagegen die
bäuerlichen Typen von Charles W. Bartlett in „Daughter
of Friesland“ und „Laſſitude“, der Schilderung einer mit
ihren Kindern auf dem Felde raſtenden Mutter. Laverys
feintoniges Damenporträt mit grauem Pelzkape wurde
ſchon anderwärts gezeigt. Von Belgiern ſind hier zumal
Courtens und Gilſoul gut vertreten, letzterer mit zwei
farbenſatten, kräftigen Allee-andſchaften, erſterer mit dem
Bilde einer durch die Morgenröthe wenig erhellten Hanal-
gegend. Elinkenbergs Anſicht aus Botterdam iſt friſch
und fein gemalt, ebenſo die Mechelner Uanalperſpektive
von G. Eaverne. Don den ſüdlichen Meiſtern dieſer
Sammlung iſt der Grieche Nathiopulos mit eleganten
Frauentypen und G. Segantini mit einer kleinen melan-
choliſchen Szene „Schäfer mit ſeiner Heerde“ bemerkens-
werth. Die Arbeiten der deutſchen Maler Heilemann mit
einer Mädchenſtudie, F. Skarbina, Liebermann, Heffner
B. Kauffmann, Basmuſſen u. a. treten gegen die der Aus-
länder in den Hintergrund.

* *
2

Unter den nicht zahlreichen Bildhauern, deren ge-
meißelte oder gegoſſene Porträts eine wirklich plaſtiſche
Formenempfindung beſitzen, gehört Harro Magnnſſen,
der kürzlich zu einer Ausſtellung ſeiner Werke in ſeinem
Atelier im Grunewald einlud, zu den ſympathiſcheſten.
Im Phantaſiegebiete wurzelt die friſche Uraft dieſes
Künftlers allerdings nicht; ſie lehnt ſich vielmehr begierig
an die Natur. Einige wundervolle Frauenakte, die als

Lichtträger oder um ihrer ſelbſt? willen vorhanden ſind,
auch die hiſtoriſchen Perſonen, die Magnuſſen neuerdings
für monumentale Zwecke öfters gebildet hat, feſſeln nicht
durch den Zauber der poetiſchen Erſcheinung, ſondern
durch eine herbe, eindringliche, manchmal ſogar großzügige
Charakteriſtik. So hat er ſelbſt die junge Maria von
Jever (1500) und einen glänzenden Hohenzollernfürſten
für die Siegesſäule als hiſtoriſch echte fürſtliche Charakter-
bilder der Renaiſſance aufgefaßt, ohne den Nimbus beider
Geſtalten, den Volksſage und Dichtung ſchufen, noch
weiter zu verklären. Noch mehr kam es ihm bei den
Uoloſſalſtatuen von Bismarck, Moltke und Boon für die
Oberlauſitzer Ruhmeshalle in Görlitz, die eben in licht-
grauem Carraramarmor fertig wurden, darauf an, lediglich
ſchlichte moderne Typen dieſer Diplomaten und Feldherrn
porträtgetreu zu geſtalten, nicht aber durch ſtiliſirte Heroen-
bilder die Dolksphantaſie mächtig anzuregen. Ein überaus
geglücktes Werk iſt die Lionardobüſte, die im Anſchluß an
die bekannte Turiner Selbſtbildniß-Studie des greiſen
Meiſters mit dem wuchtigen mürriſch-ſchmerzhaften Ausdruck
der Züge gemeißelt wurde; ſie hat durch eine farbige
Frührenaiſſance-Niſche eine ſehr angemeſſene Umrahmung
erhalten. Unvergeßlich für jeden ſind dieſe Züge, die
Alter und Erfahrungen ſo markirten und die ſorrecht das
zeigen, was Magnuſſen an Männerköpfen überhaupt zu
begeiſtern pflegt; während er auch andererſeits in Frauen-
köpfen Anmuth und Schönheit erfolgreich giebt. Als Bei-
ſpiele erſterer Gattung möchte ich, außer den ſchon früher
geſehenen energiſchen Büſten, 3. B. die Köpfe eines katho-
liſchen Geiſtlichen aus Jever, des Profeſſors Kohler, des
Konfuls Harlan, des Baumeiſters Ziller, eines Hamburger
Herren und eine neue ſorgfältig durchgeführte Marmor-
büſte Bismarcks nachtragen, nicht zu vergeſſen die minder
anſpruchsvollen Köpfe des Daters und des Schwagers des
Uünſtlers, die einſt beide Maler von Bang und Talent
waren. Die Sammlung im Atelier von Harro Magnuſſen
bietet das bemerkenswerthe Ergebniß eines rüſtigen
Schaffens, auf deſſen weitere künſtleriſche Früchte man ge-
ſpannt bleibt. 22

2
Runſtehronik.

* Berlin. Das Hohenzollern-kunſtgewerte-
haus in der Leipzigerſtraße hat ſich nach dem Vorgang der
Kunftfalons zu der Neuerung entſchloſſen, fernerhin ſeine
kunſtgewerblichen Sammlungen und häufig wechſelnden
Sonder Ausſtellungen auch zur zwangloſen Beſichtigung
gegen Eintrittsgeld geöffnet zu halten. Zehenswerth iſt
pefonders die Graphifche Abtheilung, Leſezimmer und Thee-
raum. Die Ausſtellung im Empfangsraum enthält Ge-
mälde von Bichard Ranft, Paris.

Leipzig. Im Kunſtverein hat der Leipziger Bild-
hauer Eugen Fuchs polychrome marmorreliefs ausgeftellt,
das Hauptſtück mit einer auf Andreas Hofer hezüglichen
Schilderung. Die Bemalung geſchieht nach einem beſonderen
techniſchen Verfahren, indem man die Oberfläche des Steines
zunächſt aufrauht. Bei *— mittentzwey-Windſch
findet'ſich gegenwärtig eine Kollektion von Stillandſchaften
des eigenartigen Münchener Künſtlers Edmund Steppes.
— Del Dechios Uunſtausſtellung bietet zur Zeit eine
Sammlung von Hriginal⸗Lithographien des Karlsruher
Künftlerbundes von Meiſtern wie Kallmorgen, von Volk-
mann, G. Kampmann, Bieſe, Franz Hein u. a. ferner
franzoͤſiſche Plaketten pon Roty, Chaplin, Dupre, Dupvis,
Eharpentier, Cazin, Jeureſſe u. a. hervorragenden Der-
tretern dieſer Kunſtgattung.
 
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