Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

DOI issue:
Nr. 6
DOI article:
Dworaczek, Wilhelm: XII. Kunstausstellung der Wiener "Sezession"
DOI article:
Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0105

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Lr. 6


aber ehrliche und darum künſtleriſche Bekenntniſſe einer
bedeutſamen Individualität. Neben einer Anzahl ſeiner
geſpenſtiſch ſtiliſirten Seichnungen hat Toorop einige ſubtile
Studienköpfe ausgeſtellt, die an Khnopff gemahnen, und
ein paar Porträts („Die drei Töchter“ u. A.) welche zeigen,
daß er auch friſch und fröhlich und vor allem geſund in
Licht und Farbe zu ſchauen vermag.

Auch Arel Gallön iſt ein bedeutender Künſtler, der
bannt und feſſelt. Sein Bilderzyklus zu dem finiſchen
Epos „Kalewala“ zeigt einen prächtigen Zeichner, friſch
und wuchtig in der Farbe, groß und eindringlich in der
Hompoſition. Auch ſeine Landſchaften und Porträts zeigen
eine feſte, vielleicht herbe, aber deſto urſprünglichere Art, die
jeden Vorwurf zu zwingen verſteht. Gallén iſt vielleicht
der bedeutendſte Gewinn dieſer Ausſtellung.

Auch eine Reihe nordiſcher Landſchafter, Krogk, Bieſe
Helmi, Prinz Eugen vonSchweden, G. A. Fjaeſtad,
(Arwika) u. A., die vornehmlich in der Löſung der Licht-
probleme ihrer Schneelandſchaften große Virtuoſität zeigen,
und die herben Schönheiten ihres nordiſchen Vaterlandes
mit viel künſtleriſcher Beredtſamkeit zu ſchildern wiſſen,
wirken durchwegs ſehr erfreulich. Auch die Ruſſen Konft.
Somoff Getersburg) und Wilh. Purwil Giga) erzielen
ſtarke und reine Eindrücke, wie denn überhaupt in der
Landſchaft die moderne Kunſt die tiefſtgehenden Erfolge
zu verzeichnen hat. In der Plaſtik muß Hermann Hahn
(München) mit Anerkennung genannt werden. Er geht
auf den Spuren Meuniers bei dem „Bergmann“ mit
gutem Glück, bei dem „Auferſtandenen Chriſtus“ allerdings
in mißverſtandenem Sinne. W. Szvmanowski Garis)
hat eine prächtige Bronze „Mutter und Kind“ und 8 Ka-
ryatiden ausgeſtellt, die durch kräftige und eindringliche
Modellirung und eigenartige Auffaſſung angenekm auf-
fallen. Noch muß zum Schluß des Ruſſen Arthur Anbert
(Petersburg), Gipsſtudie „Fee Caraboſſe“ erwähnt werden,
die mit ſtarken polychromen Wirkungen einen ganz gräu-
lichen Hexenkopf von ſo grandioſer Häßlichkeit darſtellt,
daß derſelbe thatſächlich etwas Ueberirdiſches an ſich hat.
Sollte das etwa gar die böſe Fee der „Sezeſſion“ ſein, die
in den armen Köpfen ſchon ſo boshaft ſpukte? Dann
müßte man ſie in den erſten Saal ſtellen — an einen
Ehrenplatz, etwa vor den „Auserwählten“ des Ferdinand

— —
5
Berliner Kanstschaa,

Von Franz Imhof.

IJ. winterausſtellung der „Sezeſſion“.
(Vorbericht.)

Die hieſige „Sezeſſion“ hat ihre vierte Kunſtausſtellung
eröffnet und ſie den zeichnenden Künſten gewidmet.
Um es gleich zu ſagen, der Erfolg iſt ungleich größer, als
er bei den früheren Gemäldeausſtellungen war. Das will
indeß nicht heißen, daß künſtleriſche Ueberraſchungen irgend
welcher Art dieſes Mal vorliegen. Denn die hier in die
Augen fallende techniſche Vielfältigkeit, dieſes auf großer
Uebung beruhende erfreuliche Kunſtgeſchick der Zeichner iſt
für alle Eingeweihte wohl nur ein ſelbſtverſtändlicher Aus-
druck der heutigen vielen Möglichkeiten in der Thätigkeit
des modernen Zeichners und Illuſtrators.

Wwenn man an die Zuſtände der voraufgegangenen
Kunftepochen denkt, an das früher ſo primitive Illuſtrations-
weſen, an die Unvollkommenheit der Beproduktionsmittel,
dann muß man ſich in der That ſagen, daß die gegen-
wärtige Blüthe der zeichnenden Künſte gar nicht das Ver-
dienſt der Sezeſſionen repräſentirt, ſondern vor Allem an-
zuſehen iſt als eine Folge der neuzeitlichen Entwickelung
der Technik und der gewachſenen buchhändleriſchen Unter-
nehmungsluſt, welcher Blätter wie die „Jugend“, die
„Luſtigen Blätter“, „Meggendorfer“, „Simpliziſſimus“
u. ſ. w. zu danken ſind. In der vorliegenden Sammlung
nehmen denn auch die Originale der zuerſt und zuletzt erwähnten
illuſtrirten Wochenſchriften einen ziemlich breiten Raum
ein. Neben den oft genannten Zeichnern aus dieſem Kreife,
wie O. H. Engel, L. Feininger, Fritz Erler, Walter Georgi,
Tk. Th. Heine, E. Heilemann, A. Jank, E. Uirchner,
E. M. Lilien, H. Looſchen, Ad. Münzer, Bruno Paul,
B. Pankok, FS. von Beznicek, Ed. Thöny, R. Wilke — ſtehen
mehrere anerkannte Größen, u. a. Mar Klinger (68 Num-
mern), G. Kuehl, L. von Kalckreuth, L. von Hofmann,
m. Liebermann, F. Skarbina und auch einige Unberühmte
von wirklicher Begabuug, wie die Berliner Wilhelm Schulz
und H. Zille, mit ganzen Reihen von Arbeiten im Vorder-
grunde.

An dem oben ſkizzirten Bilde der modernen Verhält-
niſſe würde noch etwas Weſentliches, ein charakteriſtiſcher
Zug fehlen, wollte man hinzuzufügen vergeſſen, daß das
Calent der Mehrzahl dieſer Künſtler bei ſeiner, durch die
Eindrücke des heutigen Lebens, viel beweglicher gewordenen
Phantaſie naturgemäß weit glücklicher in der ſchnell fertigen
Zeichnung ſein muß, als in dem Gemälde, zu deſſen kunſt-
gemäßer Durchführung es leider nur zu häufig an Können
und Sorgfalt fehlt. So dürftig die Durchſchnittsleiſtung
auf den bisherigen Gemäldeausſtellungen der Berliner
„Sezeſſion“ ſich ausnahm, ſo anregend und vielverheißend ſind
hier die Arbeiten dieſer deutſchen Zeichner, die dieſes Mal
auch die Mitwirkung des Auslandes entbehren konnten.

II. Die Kunſtſalons.

mit der gegenwärtigen Ausſtellung von Ed. Schulte
ſcheint hier die Saiſon ſchon jetzt ihr: Höhe erreicht zu
naben; wenigſtens ließe ſich die Sahl der Werke, von be-
rühmten Meiſtern geſchaffen und aus intereſſanten Kunft-
ſtätten ſtammend, in einer einzigen Halbmonatsſchau kaum
noch ſteigern. Die Leiſtungsfähigkeit dieſes Salons iſt
ſchlechtweg unübertreffbar. Hervorragende Werke von G.
F. Watts und George Sauter aus London hängen in einer
böchſt reſpektablen Sammlung ſkandinaviſcher Bilder. Und
dazu eine Saalwand von 22 veritablen Böcklinmalereien!
Keine Ausſtellung ohne Böcklin, ſcheint jetzt das Schlag-
wort, und je mehr, um ſo beſſer, ſelbſt ohne Auswahl.
wenn unſere Goethepfaffen behaupten, jeder Papierfetzen,
der bloß den Namen des Dichters trägt, ſei wichtig genug,
ſo muß rechtzeitig gewarnt werden, ſolchen Kultus künftig
mit dem Nainen Boͤcklin zu wiederholen. Beweiſt doch die
Uollektion bei Schulte, daß manches Stück für die Erkennt-
niß der eigenartigen Kunſt des wahrhaft großen Meiſters
nicht nur unwichtig iſt, ſondern ſogar geeignet, deſſen An-
ſehen empfindlich zu ſchädigen, das Publikum in ſeinem oft
günſtig geſtimmten Dorurtheil (!) ſo ſchwankend zu machen,
daß es ſich gegenüber den Werken Böcklins total einge-
ſchüchtert fühlt. Es ſind hier überwiegend Studien zu
ſehen, zum Theil ſolche, die wohl bei Lebzeiten Böcklins
 
Annotationen