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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 7
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0125

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Bis auf einen Fall, wo der göttliche Kaftor von dem
Giganten Idas umſchlungen wird und der Ausgang des
Kampfes noch unentſchieden iſt, ſiegen die Olympiſchen
beinahe mühelos. Wie unter dem Drucke eines ihnen be-
kannten Schickſals, dem ſie ſich unterwerfen müſſen, ſinken
die Söhne der Gäa dahin. Dennoch ſpiegeln ſich die
Wogen der durch künſtleriſches Maaß beherrſchten Leiden-
ſchaften in dem kräftigen Ausſchreiten der Kämpfenden,
den tief einſchneidenden Gewandfalten der Göttinnen,
dem Springen der Roſſe und Hyppokampen, dem wüthenden
Beißen von Schlangen, Löwen, Wolfshunden, Adlern.
Für die urſprüngliche Anordnung der Gruppen ſcheint ein
künſtleriſcher Geſichtspunkt nicht maßgebend geweſen zu
ſein, ſondern die Reihenfolge des Frieſes ſich völlig zwanglos
aus dem Aacheinander der betheiligten Götterkreiſe er-
geben zu haben. Die Wiederzuſammenfügung der Bruch-
ſtücke, unter Leitung der Bildhauer Freres und Poſſenti
in der Werkſtätte der Kal. Muſeen, erforderte eine Arbeit
von faſt zwanzig Jahren. Dabei wurden die tauſende
von Brocken mit den größeren Plattenreſten wieder in
die richtige Verbindung gebracht, manche Figuren auch
zum großen Theil nur aus Splittern erneuert. Moderne
Ergänzungen aber hat man grundſätzlich vermieden.
Bezüglich der Fundſtücke, Plaſtiken und Inſchriftfrag-
mente, die im Umgang des Saales ſtehen, ſei auf den
amtlichen „Führer“ verwieſen. Darin lieſt man auch
Näheres über den koſtbaren Moſaikfußboden aus einem
Gemache des pergameniſchen Königspalaſtes, der hier in
der Lücke der Freitreppe des Altars in den Boden ein-
gelaſſen wurde. Dahinter führt eine abſteigende Doppel-
treppe nach dem Lichthofe des Altarbaues. Hier fällt der
Blick zunächſt auf eine koloſſale Marmornachbildung der
berühmten Phidiasſchen Athena Parthenos aus Athen,
über deren kunſtgeſchichtliche Bedeutung ein abſchließendes
Urtheil noch nicht zu gewinnen iſt, ferner eine Sammlung
zum Theil prächtigem Architekturtheile aus Pergamon,
Miagneſia am Mäander und Priene, die aus helleniſtiſchen


grabungen von Bumann und Weigand zu danken ſind.
Wir ſchließen mit dem Wunſche, daß das neue Per-
gamon-Muſeum Künſtlern und Laien eine nie ver-
ſiegende Quelle der Anregung zum Schönen und Edlen
ſein möge.

2. Die Kunſtſalons.

Die vor einigen Wochen eröffnete Ausſtellung des
Künſtlerhauſes überragt in Zahl der Meiſter und
Qualität der Werke ziemlich beträchtlich den hier üblichen
Durchſchnitt. Das Hauptbild des Eingangsſaales iſt Diktor
weishaupts (arlsruhe) große Flachlandſchaft mit
weidendem Vieh; es rivaliſirt in Einfachheit und Größe
der Anſchauung, Kraft und Wahrheit des Ausdrucks der
bei faſt neutraler Beleuchtung gegebenen Schilderung mit
einem der berühmten alten Paul Potterſchen Viehſtücken.
Don den Münchenern haben Franz Hoch und Fritz Baer
realiſtiſche Naturdarſtellungen durch energiſche Stimmung
belebt, hat Walther Thor in zwei Frauenbildniſſen,
„Dame in Schwarz“ und „Die Künſtlerin“, eine bemerkens-
werthe Formen- und Tonſicherheit erreicht. Von den
heimiſchen Kräften ſind zumal F. Hoffmann-Fallersleben,
Hans Buſſe, W. Pape, L. Sandrock, Ernſt Hausmann mit
verdienſtlichen Arbeiten betheiligt.

Den Mittelpunkt der gegenwärtigen Sammlung bildet
aber eine Gruppe von modernen Italienern, die Bielen
einen unerwartet hohen Begriff von dem künſtleriſchen
wollen und Können dieſer ſüdlichen Meiſter gewähren.
Einzelne, wie Ginſeppi Pellizza (aolpedo) ſuchen durch
eine hart an die Manier ſtreifende, aber höchſt virtuos
geübte Malweiſe — etwa nach dem Vorbilde Segantinis
oder Henri Martins — ſich eine intereſſante per-
ſönliche Note zu verſchaffen. Pellizzas „Landmädchen
im Beisfelde“ wirkt durch die geſtrichelt-weiche Behandlung
der glatten Malerei wie eine große herrliche Tapiſſerie.
Tief empfundene Bilder ſind F. Sartorellis (Venedig)
träumeriſche Abenddämmerung und Silvio Bottas „Per-
laſſene Gemäuer“, in deren grauen Schatten lichtſcheue
Geſtalten huſchen. Antonio Rizzi behandelt in ſeiner
„Heimkehr am Abend“ ein bekanntes Arbeitermotiv nach
Art der nordiſcher Naturaliſten, nur techniſch entſchieden
vollender als die Mehrzahl jener. Pio Joris brillirt mit
einem feierlichen römiſchen Kircheninterieur, einer Prozeſſion
weißgekleideter Frauen darin, alles wundervoll gemalt.
Eine beſondere Hervorhebung verdienen endlich die land-
ſchaftlichen Radirungen und der packende Holzſchnitt-Fyklus
„Das Lied der Arbeit“ von Alberto Martini (Creviſo);
ſie bekunden auch für das graphiſche Gebiet die eminente
Fähigkeit eines italieniſchen Künſtlers.

* *

Bei dem letzten Bilderwechſel im Dezember iſt in
Ed. Schultes Salon neben dem „artiſtiſchen“ Geſichts-
punkte auch der weihnachtliche mehr zum Ausdruck gelangt,
namentlich in einer Anzahl weiblicher Arbeiten, die ſehr
aus dem anſpruchsvollen Rahmen des Salons herausfallen.
Die letztens beſprochenen Porträts des Schweden Biörck
ſind jetzt in einem Raume vereinigt und erhöhen ſo den
günſtigen Eindruck, den ſie ſchon früher machten. Ebenſo
präſentirt ſich der „künſtleriſche Nachlaß“ von Böckliu jetzt
durch die elektriſche Beleuchtung eines Nebenſaales und die
paſſender gewählte Nachbarſchaft vortheilhafter, als in dem
großen Gberlichtſaale. Zu dieſer Nachbarſchaft gehören
zwei in altdeutſcher Farbenbuntheit und Empfindungsweiſe
geſchaffene Gemälde von Albert welti, „Porträt meiner
Eltern“ und „Deutſche Landſchaft“, und eine Anzahl von
Köpfen eines bisher Unbekannten, Bichard Guhrs-
Berlin, deſſen porzellanartig glatte und detaillirende Mal-
weiſe an die eines B. Denner erinnert, während die Em-
pfindung mehr quattrozentiſch berührt. So wirkt ein kraus-
blonder Frauenkopf gröberer Gattung mit verweinten,
wimperloſen Augen an einen Johanneskopf von einer
Pietà Mantegnas oder van der Weydens. Einzelne dieſer
ſcharf geſchnittenen Bildniſſe Guhrs zeigen röthlich-braunes
Inkarnat und intenſive Beleuchtung.

Im Gberlichtſaale bei Schulte konzentrirt ſich gegen-
wärtig das Intereſſe auf zwei ſchon anderwärts bekannt
gewordene Werke, H. Schuſter-Woldan's „Katten-
fänger“, der als fein nüanzirte Malerei wie als Märchen-
ſchilderung vortrefflich wirkt, und ein Hiſtorienbild von
A. Egger-Lienz, „das Kreuz“, eine Tiroler Landſturm-
ſzene von 1809. Ich räume ein, daß der Paroxysmus dieſer
Bauerngruppe, die ſich unter Vorantragung eines Kruziftxes,
mit Senſen und Heugabeln in den für ſie heiligen Kampf
ſtürzt, gar nicht eindringlicher zu geben war; aber als
malerei wirkt die große Leinwand unerfreulich roh. Da-
neben haben mehrere namhafte Mitglieder des Düſſel-
 
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