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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 9
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Das Zollgesetz und die Kunst
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Die amerikanische Kunstindustrie
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Vr. 9


bildenden Antiquitätenhandel aufmerkſam, dem man
Schwierigkeiten nicht in den Weg legen ſolle. Vor Allem
ſei aber das Kunſtgewerbe hier in hohem Maße intereſſirt.
Staatsſekretär Freiherr v. Thielmann bittet, den Anträgen
nicht Folge zu geben. Deutſchland ſei keineswegs das Land
des Antiquitätenhandels; Paris verfüge über einen größeren
Antiquitätenhandel, als eine ganze Beihe deutſcher Groß-
ſtädte zuſammengenommen. Der Zoll treffe nur die Ein-
fuhr durch Händler. Zu berückſichtigen ſei auch, daß viele
Händler gefälſchte Antiquitäten aus dem Auslande
einführten, wo es förmliche Fabriken für dieſe Zwecke
gebe. Es liege doch kein Grund vor, ſolche Gegenſtände
zollfrei einzulaſſen, was die Folge ſein würde. Abg. Stadt-
hagen (Sozd.) vertheidigt den Antrag ſeiner Partei unter
Voranſtellung des Satzes: „Die Aunſt iſt international“.
Die Einfuhr ausländiſcher Kunſtgegenſtände, kunſtgewerb-
licher Sachen, Bücher ꝛc. dürfe man deshalb nicht er-
ſchweren. Abg. Bettich (konſ.) verweiſt auf den Zoll
Amerikas, betr. die Einfuhr deutſcher Gemälde; die
deutſchen Künſtler klagten ſehr über die Schwierig-
keit, ihre Gemälde nach Amerika zu verkaufen.
Es empfehle ſich die Anahme der Vorlage. Abgeordneter
Dr. Beumer (natl) erklärt, für ihn ſtehe nicht das Intereſſe
der Händler, ſondern das der Künſtler im Vordergrunde:
Das würde durch die Begierungsvorlage gewahrt. In
Deutſchland hätten wir viel zu viel internationale Uunſt-
ausſtellungen; die Kunft müſſe national ſein. Abg. Speck
(Ztr.) ſagt, als Münchener ſei er der Anſicht, Uunſt-
ausſtellungen müßten international ſein; in dieſem
Punkte ſtimme er auch ausnahmsweiſe mit dem Abg. Stadt-
hagen überein. Allerdings ſeien Zollplackereien bei Kunft-
gegenſtänden thunlichſt zu beſeitigen. Staatsſekretär Frhr.
v. Thielmann hob hervor, die Zollfreiheit von Antiquitäten
ſei ſchon deshalb unzuläſſig, weil ſie auch zu Gebrauchs-
gegenſtänden dienten, Mißbräuchen alſo Thür und Thor
geöffnet würde. Abg. Dr. Paaſche (natl.) ſteht auf dem
Standpunkt, daß Antiquitäten Luxus ſind, demnach kein
Grund vorliege, reichen Leuten, die ſich dieſen Luxus ge-
ſtatteten, Zollfreiheit zu gewähren. Unterſtaatsſekretär
v. Fiſcher weiſt beſonders darauf hin, daß bei Erfüllung
der Wünſche der Linken z. B. auch theure Bronzen, die
ſich nur reiche Leute kaufen könnten, zollfrei eingehen
würden. Nach einer Zwiſchenbemerkung des Abg. Speck,
daß ihm als Berichterſtatter für die Petitionen offiziell
noch keine Petitionen zugegangen ſeien, ſpricht ſich Abg.
Dr. Heim (Str.) dafür aus, daß „öffentliche“ Bibliotheken
Zollfreiheit genießen ſollen und zeigt ſich im Uebrigen dem
Antrage der Sozialdemokraten geneigt. Abg. Singer er-
weitert den Antrag ſeiner Partei durch Aufnahme folgender
Worte: (hinter „Bibliotheken“) „oder andere Sammlungen,
die einen öffentlichen Charakter tragen“ ... . Abg. Dr.
von Komierowski (Pole) tritt für den Antrag ein, Abg.
Brömel (frſ. Vgg.) verlangt auch für Privatſammlungen
Zollfreiheit, da auch dieſe mehr und mehr der Oeffentlich-
keit zugänglich würden. Zur Begründung dieſes Punktes
fehle es an Material bei der Regierungsvorlage. Direktor
im Reichsamt des Innern Wermuth antwortet, daß über
die Frage der Einfuhr von Kunſtwerken und Antiquitäten
im Wirthſchaftlichen Ausſchuß nicht verhandelt worden ſei
Bei der Abſtimmung wird Ziffer ı1 unter Ablehnung
der Regierungsvorlage und des Antrages Gothein
folgende — ſich der ſozialdemokratiſchen Faſſung
anſchließende — Faſſung angenommen: Zollfrei ſind Kunſt-.

ſachen, welche zu Kunſtausſtellungen oder für öffentliche
Kunſtanſtalten oder öffentliche Sammlungen oder zu Lehr-
und Anſchauungszwecken eingehen. Die Frage der Gegen-
ſeitigkeit kommt hierbei nicht in Betracht.

v
Die amerikaniiche Kunsfindustrie.

Zee amerikaniſche Kunſtinduſtrie iſt eine ſehr junge
und moderne Pflanze. Noch bis vor Kurzem
mußte Alles, was im Bereich der Gewerbe auf

kKunſtwerth Anſpruch erhob, eingeführt werden. Xa es wird
vielleicht noch Manche verwundern, zu hören, daß unſere
heimiſche Induſtrie ſich in vielen Fächern zur Kunſtinduſtrie
erhoben hat, d. h. künſtleriſche, individuelle Handarbeit
vielfach die Maſſenproduktion abgelöſt hat und wir ſomit
nicht mehr nach London, Paris, Berlin, München oder
Wien zu reiſen brauchen, um uns ſchöne Möbel, Vaſen
eigenartig ausgeſtattete Bücher u. ſ. w. zu holen.

Aber daß der Fortſchritt im Kunſtgewerbe hier ein
verhältnißmäßig langſamer war, hat eben zum großen
Theil ſeinen Grund in dem merkwürdigen Vorurtheil der
Amerikaner gegen heimiſche Produkte auf dem Uunſtge-
biete. So übertrieben eingebildet der Amerikaner in vielen
Dingen auf ſeine Derdienfte iſt — auf dem Gebiete der
Kunſt und Kunſtinduſtrie, ſowie überhaupt der gediegeneren
Induſtrie verfällt er in das andere Extrem. Alles, was
auf dieſen Gebieten für ſchön gelten ſoll, das glaubt er
aus Europa oder aber dem Grient beziehen zu müſſen. Luſt.
und Zeit, ſich zu einem ſelbſtſtändigen Geſchmack emporzu-
arbeiten, hat bisher den Meiſten gefehlt; die Marke „im-
ported“ mar daher das bequemſte Zeichen, um ſicher zu
ſein, das Geld für etwas Werthvolles auszugeben.

Es fehlt hier zu Lande keineswegs an Calenten, aber
während durch den Mangel an Beeinfluſſung durch die
Kunſtwerke vergangener Zeiten das Emporwachſen von
Kunſt und Kunſtinduſtrie ohnehin erſchwert iſt und dadurch
Ueberlieferungen und Anregungen wegfallen, die „drüben“ ge-
radezu als ſelbſtverſtändlich gelten, ſo hat das Urtheil des
Publikums gegen einheimiſche Arbeiten noch dazu lähmend
eingewirkt und das Emporblühen der Kunſtinduſtrie im
vergleich mit den Errungenſchaften Amerikas auf tech-
niſchen Gebieten zu einem ſehr langſamen geſtaltet. Mit
verhältnißmäßig raſcheren Schritten ſind Skulptur und
Malerei emporgekommen, und viele amerikaniſche Künftler
der Palette und des Meißels genießen heute auch euro-
päiſches Anſehen, ſind allerdings auch größten Theils in
Europa als Meiſter gereift — und man wird beobachten
können, daß deren amerikaniſcher Ruhm meiſtens dem eu-
ropäiſchen erſt nachhinkt.

Die Kleinkunſt des Hauſes, das Kunſtgewerbe, iſt mehr
wie ihre großen Schweſtern auf die Heimath angewiefen.
Sie ſoll für die heimiſchen Lebensverhältniſſe paſſen und
ſoll die heimiſchen Produkte verwerthen. Deshalb gerade
iſt es ein Unding, die Einrichtung und den Schmuck des
Hauſes durchweg von draußen zu beziehen.

So haben wir wohl in der Cheilnahmloſigkeit des
Publikums, das hier nur maſchinelle Arbeit und Maſſen-
produktion ſuchte, und in den erſchwerenden Umſtänden des
Studiums die Gründe dafür zu ſuchen, daß die Kunft-
induſtie nicht nur der Technik, ſondern auch den großen
 
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