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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 10
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Holländischer Brief
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Oelsner, Fr.: Münchener Brief
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ur. 10


zauberhaften Refleren, ſo iſt Breitner der Poet des Kolorits
irdiſchen menſchlichen Lebens. Sein hier ausgeſtellter
Zyklus Gemälde gewährt einen faſt vollſtändigen Ueber-
blick ſeines Wirkens und Schaffens bis heute. Jedes
einzelne Stück ſpiegelt die Seele des Künftlers wieder,
ſo feinfühlig, ſo ſenſibel, ſo liebenswürdig iſt Alles bis
in die vielen Details. Dieſe beiden in den Sujets ſo
divergirenden Künſtler, doch eins in der Genialität der
wiedergabe ihrer Auffaſſung, verdienen die ihnen zu Theil
gewordene Anerkennung. Vergleicht man deren Ent-
wicklungsphaſe bis heute, ſo wird man, trotzdem Jeder
ſeine eigene Wege ging, behaupten dürfen, daß der von
ſeiner poetiſchen Empfindung getragene Geſchmack, das
mächtige Wollen nicht in der Farbenpracht liegt, ſondern
im großen Können und in den erreichten Zielen: dies
ſpricht aus jedem Wellenſchlag in Mesdags See, aus
jedem Strich der Breitner'ſchen Farbenſymphonien,

Das Muſeum im Haag Mauritshuis) iſt wieder um
ein ſeltenes, prächtiges Gemälde reicher geworden, einen
Jan Steen. Ich habe das Bild noch nicht geſehen, doch
ſoll es, wie mir Augenzeugen verſichern, eins der geiſt-
vollſten, pikanteſten und ſorgfältigſten Gemälde dieſes
meiſters ſein, das nicht nur eine jener Szenen, wie ſie
Jan Steen ſo gern malte, darbietet, ſondern auch als
Landſchaft große Reize hat.

Fr. Helsner.

Ilünchener Briei.

lga wiſinger-Florians Kollektion im Kunſt-
wverein iſt eine künſtleriſch-vielſeitige und bringt
nur erſtrangige Arbeiten der Wiener Malerin.
Drängt ſich in ihren Blumenfeldern vor Allem die Be-
herrſchung des Raumes auf, ſo heben andere Bilder das
Körperlihe der Blumen mit ſtarkplaſtiſcher Eigenart her-
vor. Spachtelt ſie in ihrem Cyanenacker und Brachfeldern
impreſſioniſtiſch drauf los, ſo ſind ihre nahe geſehenen
Blumen mit liebevoller Sorgfalt ausgemalt. Ihr Koloris-
mus iſt ſatt, ohne ſchwer zu wirken. Wie wunderbar ſind
in der Farbe die Roſen an den ſtämmigen Stöcken, „als
ob ſie bluten könnten, roth“, und wie fein klingen ſie mit
den röthlichen Dämmertönen des Himmels zuſammen.
Welch' duftige Frühlingsfriſche liegt über den ſo fein ge-
malten graziöſen Birkenſtämmen, die in das lichte Blau
hinaufragen; ſtärker im Ton und Farbenauftrag iſt der
Parkweg unter den ſommerlich tiefgrünen Bäumen. Die
ſtärkſten Töne ſchlägt die Künſtlerin in dem Gewitterbild
an. Aber auch idplliſchere Motive, von ſüdlich ſtarker
Sonne beſchienene Bauernhäuſer und Ententeiche, mit
Waſſer durchſichtig und flott gemalt, erhöhen den Eindruck
der Dielſeitigkeit und überall gleich ehrlicher künſtleriſcher
Arbeit.

Der Aquarelliſt Hans von Bartels zeigt eine Anzahl
holländiſcher Motive, oft von großem Mmfang, in denen
er in ſeiner Fähigkeit, den Waſſerfarben — ich möchte
ſagen — Temperament und Wärme zu geben, vielleicht
noch weiter gediehen iſt. Den ſonnigen Strand, wie die
ſich im Unwetter thürmenden Meereswogen, die ſtille Fläche,
in der Himmel und See in eins zuſammenklingen, zeigt er

mit tiefem Naturempfinden und virtnoſer Technik. Von
gleich treuer Beobachtung ſprechen die Figuren, welche
feine Bilder beleben. Die Mädchen am Strande, die in
angſtvoller Sorge in den Seeſturm nach den Kähnen aus-
blickende Frau des Fiſchers, wie die wegen des Nebels in
dumpfer Unthätigkeit am Strande hockenden Schiffer —
alle ſind in realiſtiſcher Treue charakteriſirt; ſie zeigen
manch' fein erſpähten Einzelzug, ohne darum minder flott
gemalt zu ſein.

von ſcharfer Beobachtung ſprechen E. Laboureurs
Arbeiten. Kraft, aber auch weitgehenden Spott zeigen
ſeine Schilderungen von Caféinterieurs, Renn- und Straßen-
ſzenen. Am ausgeglichenſten erſcheint mir das Schiffswerft.
von Walter Thors Porträts waren mir ein Theil be-
kannt. Sie zeigen einen kraftvollen Kolorismus, ſeltene
Sicherheit der Zeichnung und eine gewiſſe Ruhe des Dor-
trags. Aeußerſt lebensecht iſt das Bild des hieſigen
Bürgermeiſters v. Brunner und von den Anderen, ob
Bauer, ob Malerin oder Kind, hat man die Ueberzeugung,
daß fie die Betreffenden ähnlich und in faſt zu greifender
Charakteriſtik darſtellen. —

Die zweite Ausſtellung der „Phalanx“ giebt im
Ganzen keine neuen Geſichtspunkte. Waſſily Kandinsky,
den ich in der Herbſtexpoſition geſchildert habe, zeigt ſich
wieder als Suchender, der in vielerlei Techniken nach
glänzenden Farben ſtrebt. Wieder muß ich ſein Calent
anerkennen, obwohl der Stimmungsinhalt ſeiner Bilder mich
fremd anmuthet. Der Gewitterabend in Lackfarben 3. B.
iſt nur ein intereſſantes Experiment, mehr nicht. A. Salz-
mann bringt wieder ruſſiſche Jahrmarktsſzenen, er giebt
viel Charakteriſtik bei ziemlich primitivem Stil. Am
ſympathiſchſten iſt mir Leon Kojen; ſeine „Dorfidelle“ 2C.
fein im Ton und von einem erleſenen Kolorismus, der
z. B. die blauen Kleider unter dem grünen Blätterdach
famos bewältigt.

moritz Bauernfeinds ewiger Jude ſpringt ſchon
ins Karikaturenhafte über, Kousnitzows Radfahrer in
vollem Lauf iſt techniſch mit Verve gemacht. Ein Berliner
Gaſt vervollkommnet das Gebotene. Freilich giebt es
vollendetere Werke von L. von Hofmann. Fein in der
Stimmung iſt das Mädchen am Meere.

„Maͤrchen, Phantaſie und Träume“ iſt das Beſte, eine
zart⸗andeutende Paſtellkunſt von lyriſchem Hauch; dann
„das Schiff auf dem Meere bei Nacht“ und „ruhige See“
ſind techniſch erfreuliche Marinen.

So einfache, überzeugende Kunft aber, wie den Hirten-
knaben im vorjährigen Glaspalaſt zeigt die Kolleftion
in ihren vielerlei anregenden und angeregten Techniken
leider nicht. — Die beiden Bildkauer Hecker und Hüsgen
bieten wieder mancherlei flotte Porträts. Von Letzterem
iſt die Charakteriſirung Frank Wedekinds das Beſte, wie
das vorige Mal. Hecker bringt den Kopf eines Pariſer
Ueberbrettlers mit temperamentvoller Mache. Es ſind
ferner einige Darmſtädter angegliedert. Boſſelt mit
ſeiner ſchönlinigen Ernſt Ludwig-Medaille, dann kunſt-
gewerbliche Sachen von Chriſtianſen, Behrens, Patriz

Huber u. A.

Leopold Guſtav.
 
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