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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 15
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V. Ausstellung der Berliner "Sezession"
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Schaarschmidt, Friedrich: Noch einmal: die Düsseldorfer Schule in der skandinavischen Malerei
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Vr. 15


geſchaffenen Werke iſt Feineswegs unerheblich. Aber dafür
machen ſich auch die rohen, talentloſen und dilettantiſchen
verſuche wie immer nicht wenig breit. Schließlich verläßt
man dieſe Ausſtellung mit genau denſelben gemiſchten Ge-
fühlen, wie man die früheren Schauſtellungen der „Sezeſſion“
verließ — dabei gern dem Bekenntniß ihres Katalog-Vor-
worts zuſtimmend: daß das Veue oft unverſtändlich und —
„die Unverſtändlichkeit noch lange nicht der Beweis für
ſeine Güte iſt.“


ganz gewiß Aufmunterung; aber niemals werden wir einem
Künſtler gehorchen, der uns zwingen möchte, ſeine Neuheit
zu loben, die, ſtatt eines höheren Grades der Vervoll-
kommnung, wie die Arbeiten von Ed. Munch, ein Furück-
ſchrauben der künſtleriſchen Darſtellungsweiſe auf das
Niveau etwa der alten Lippe-Detmolder Externſteine beab-
ſichtigt. Munch nennt hier einen Zpklus von 22 ſchier
unbeſchreiblichen Bildern: „Keimen der Liebe“, „Vergehen
der Liebe“, „Lebensangſt“ und „Tod.“ Das Beſte daran
ſind jedenfalls die Titel. Von ſeinen übrigen Sachen zeigt
das Doppelbildniß der Maler Heran und Gontard ein Paar
jener verkümmerten Weſen masculini generis, denen wohl
keine Kaltwaſſerheilanſtalt mehr helfen könnte.

Dieſen Ausgeburten einer erkrankten Phantaſie und
eines entarteten Geſchmacks laſſe ich eine Reihe von Werken
folgen, die mit Genugthuung zu begrüßen ſind. Zunächſt
im Eingangsraume die Skulpturen von Max Klinger.
Klingers vom Vorjahre aus Dresden bereits bekannte herr-
liche Büſte der Schriftſtellerin Aſenieff übt eine geradezu
dämoniſche Wirkung aus, wie kein zweites modernes polp-
chromes Marmorporträt: ſolche Zauberin könnte wohl einen
Simſon berücken. Sein ſcharf geſchnitteter Liszt-Kopf da-
neben ſprüht förmlich vor Energie und Leben. Und das
kolorirte kleinere Gipsmodell des „Beethoven“ läßt all die
transzendenten Schönheiten ahnen, welche neuerdings an
der ausgeführten Schöpfung überſchwänglich geprieſen
wurden. Im Vebenſaale lenkt der formenſtrenge RBoſſelenker
von L. Tuaillon die Aufmerkſamkeit auf ſich.

Von den heimiſchen Malern ſchneidet Louis Cornith
beſonders mit einem friſchen „Selbſtbildniß mit Modell“
und den drei lebensgroßen Grazien günſtig ab. Philipp
Franck ſtrebt dieſes Mal in einigen Figurenbildern der
quattrozentiſtiſch herben Charakteriſtik des Grafen Kalck-
reuth ſichtlich nach, wie analog Franz Staſſen bei einer
Kreuzabnahme in der Stimmung und auch formal im
Klingerſchen Geleiſe wandelt. Ein prächtiges Frauenbild-
niß von Sargent feſſelt koloriſtiſch ungemein. Trübner
ſteht in zwei wuchtig breit geſtrichenen Reiterporträts und
einer Herbſtlandſchaft auf der Höhe ſeiner Eigenart. Ein
ſtarker Effekt geht von dem farbig frappanten „Geſell-
ſchaftsbilde“ Zuloagas mit mehreren lebensgroßen, roth-
gekleideten Damen aus. Die Zahl trefflich gemalter Frauen-
bildniſſe iſt dieſes Mal überhaupt bemerkenswerth: hervor-
zuheben ſind 3. B. noch die Arbeiten von H. von Haber-
mann, L. von König, R. Lepſius, G. Moſſon. Unter den
reichlich vorhandenen Landſchaften jeder Richtung kommen
mancherlei Schönheiten in der Auffaſſung des farbigen
Lebens der Natur zum Ausdruck, auf die noch ſpäter im
Einzelnen einzugehen wäre. Auch einige Meiſter, die zum
Theil längſt nicht mehr zu den Lebenden zählen, wie
viktor Müller, deſſen „Schneewittchen“ von graziöſeſter-
Poeſie iſt, hat man dieſes Mal wieder eingereiht; auch

Manet, Böcklin und W. Leibl leihen der Ausſtellung von
Neuem den Glanz ihres Namens.

Schließlich möchte ich zu der ſchon längſt mit Aplomb
angekündigten großen M. Liebermannſchen Leinwand
„Simſon und Delila“ Stellung nehmen. Die Anhänger-
ſchaft des Führers der „Sezeſſion“ hat ſich nach und nach
zu einer förmlichen Organiſation ausgewachſen, der gegen-
über ſelbſt die Gründe einer nicht unbedingten Zuſtimmung
unwirkſam bleiben. Man höre die Tonart des ehrgeizigen
Mannes: „Der Künftler zwingt uns ſein Schönheits-
Ideal auf — wir müſſen ihm gehorchen. Aicht der
mächtigſte Fürſt, der Künſtler allein“ u. ſ. f. Vun, mit
dem Schönheits-Ideal Liebermanns iſt es nicht ſehr weit
her. Das wird indeß jene Leute nicht hindern, hier eins
der größten Meiſterwerke der Zeit zu feiern, ihm einen
tiefen, ungewöhnlichen Sinn unterzulegen. Man wird den
Worten der Bibel die angebliche Wahrheitsempfindung
dieſes Künſtlers gegenüberſtellen, als wenn es für eine
bibliſche Geſtalt überhaupt eine andere Wahrheit als dieſe
Quelle gäbe, als wenn nicht jede Abweichung von dem
Sinn der Bibel auch eine Abweichung von der Wahrheit
bedeutete. Wie oft iſt nicht von der hiſtoriſchen Kunſt
dieſe unheimliche Ueberrumpelungsſzene Simſons gemalt
worden, hinreißend von Rubens und von Rembrandt. Die
Meiſten wiſſen davon nichts, und die Unwiſſenden werden
ſich vielleicht durch dieſes häßliche nackte Paar hier im-
poniren laſſen. Von Delila aber heißt es in der Hl. Schrift:
„Da ſie ihn aber bedrängte mit ihren heißen Worten und
ihn plagte, ward ſeine Seele matt bis in den Tod. .
— offenbaute Sinjom Hr all fem Her Aber —
Maler des Aaturalismus hat nur das Gemeine aus der
Szene herausfiltrirt, das nur darum nicht unanſtändig wirkt,
weil es gar zu ſchlecht gemalt iſt. Veredeln wird dieſe
Wahrheit zwar kein Gemüth; aber es entbehrt dennoch
nicht des Beizes der Originalität, daß die Liebermannſche
Phantaſie den feurig-frommen Helden des jüdiſchen Alter-
thums etwa als einen jüdiſch-galiziſchen Fuhrmann Henſchel
darſtellt, der in irgend einem ſchlechten Hauſe von einer
Dirne trunken gemacht, gefleddert und ſchließlich zum Hohne
ſeiner beiden Ringellöckchen beraubt wird. . . Alle Urſache,
bei der feſtlichen Eröffnung von Schönheitsidealen und
Genievorrechten zu ſprechen. An Beſcheidenheit haben die
Herren ſicherlich niemals gekrankt. G. G.

5

Noch einmal:

die düſſeldorfer Schule
in der ſRandinapiſchen Malerei.

Man ſchreibt uns:

Zu dem Aufſatz von Dr. Heinrich Pudor „Die Düſſel-
dorfer Schule in der ſkandinaviſchen Malerei“ in Vr. 14
der „Kunſt⸗Halle“ wären doch wohl einige Namen nachzu-
tragen, für deren Fehlen eigentlich kein ſachliches Motiv zu
entdecken iſt. Im Gegentheil ſind die Träger nicht nur
zum Theil heute noch am Leben, ſondern ſie nehmen in der
Düſſeldorfer Malerei Stellungen ein, die entſchieden be-
dentender ſind, als ſie die meiſten der von Herrn Dr. Pudor
genannten jemals eingenommen haben.
 
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