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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 22
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Zum Wiederaufbau des Campanile in Venedig
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Neues von Kunst und Künstlern
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0394

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venedig im Jahre 888. Daher die in Material, Struktur
und Formenſprache vollkommene Uebereinſtimmung der
beiden Glockenthürme von Torcello und Venedig; ebenſo
erklärt ſich die auffallende Steigerung aller Maße des
Campanile aus dem raſch wachſenden Anſehen des neuen
Schutzpatrons, das in wenigen Jahren auch das kirchliche
Uebergewicht für Venedig herbeiführte. Der Campanile
von S. Marco iſt für Venedigs Kirchen ein Typus ge-
worden, den man zu allen Zeiten trotz aller Stilwandlungen
treulich feſtgehalten hat .;. .“
„Ungleich ſchwieriger wird ſich der Wiederaufbau der
kleinen Loggetta geſtalten, weil hier nicht eine große bau-
techniſche Leiſtung in Frage kommt, wie bei dem Thurme,
ſondern es ſich nur um ſorgfältige Wiederherſtellungen
mehr oder weniger beſchädigter Kunſtwerke handeln wird.
Ohne hingebende Pietät für die alten Meiſter bei ſtetiger
Selbſtverleugnung des eigenen Schaffenstriebes ſeitens der
modernen Bildhauer iſt ſolches kaum möglich. Dennoch iſt
dieſe ebenſo ſchöne wie verantwortungsvolle Arbeit des
Schweißes der Edlen werth und der Erfolg iſt nicht aus-
ſichtslos. Die Loggetta, ein vielbewunderter Prachtbau der
Hochrenaiſſance, iſt die Löſung einer der ſchwierigſten Auf-
gaben geweſen, die je einem Architekten geſtellt worden
ſind. Das Programm, welches die Steine erzählten,
forderte den Bau eines geſichert hohen Standplaͤtzes für die
Staatsbehörden bei feſtlichen Gelegenheiten. Er mußte dem
Haupteingange des Dogenpalaſtes ſo nahe wie möglich
liegen und durfte von der für die Staatszwecke immer mehr
eingeſchränkten Piazzetta — man denke an die faſt gleich-
zeitigen Bauten der Zecca und Libreria — fo, wenig Raum
als möglich beanſpruchen. Für den Meiſter Jacopo San-
ſovino blieb keine Wahl, er mußte ſeine Feſthalle an den
Fuß des Campanile ſtellen —, den Zwerg neben den
Rieſen! Innerhalb ſo enger, ja unüberſchreitbarer Schranken
wußte ſein Genius das Unmögliche möglich zu machen und
hat Dank dem Vertrauen, dem Beichthume und dem Kunft-
ſinne ſeiner Bauherren Großes geleiſtet. Daher wurde
der zwiefach geſtufte Monumentalbau mit offenem Vor-
platze und überwölbter Halle in den reichſten Kunſtformen
und aus dem edelſten Materiale errichtet und mit ehernen
Standbildern und Marmorreliefs faſt überreich ausgeſtattet.
An der oberen, durch acht korinthiſche Säulen auf Stylo-
baten mit gekröpftem Gebälke und darüber aufſteigender
Attika prächtig erhobenen Bogenhalle ſollte in der alle-
goriſchen und ſymboliſchen Formenſprache jener ruhmſüch-
tigen Zeit durch zahlreiche große und kleine Reliefs an die
weitreichende Seeherrſchaft des mächtigen Inſelſtaates, an
Kandia und Sypern bis zum Hellesponte, erinnert werden.


niſchen der Hallenpfeiler — Merkur, Apollo, Pallas und


ſchaft. Indem dann die gewölbte Decke der Bogenhalle
die mit Dockengeländer verſehene Terraſſe der Muſiker truz
und die langen bequemen Marmorbänke längs des ganzen
Unterbaues zum Ausruhen für fleißige Arbeiter wie für
Müßiggänger täglich einluden, war für Alles trefflich geſorgt.
Praktiſche und ideale Zwecke waren gleichmäßig erfüllt.

Was der Campanile für den Markusplatz, war die
Loggetta für die Piazzetta, der — vom großen Kanale
geſehen — ebenfalls ſeitwärts liegende Mittelpunkt zwiſchen


muß in alter Schönheit wieder erſtehen, und jeder Tag,
welcher von neu geretteten Funden meldet, ſei ein weiterer
Sporn, um das Beſte für dieſe Perle von Venedig ver-
trauensvoll zu hoffen.“

Neues von Kunit und Künſtlern.

n einem Theil der deutſchen Preſſe regt man ſich
— über das abfällige Urtheil auf, das aus Anlaß
der ſogenannten Pro-Bur-Kunftausftellung
in Scheveningen von einigen holländiſchen Blättern über
den gegenwärtigen Stand der deutſchen Malerei ge-
fällt wird. Wie man hört, ſollen die Geſchenke Seitens
der deutſchen Künſtler und unſerer malenden Amatenre
recht erheblich wenigſtens an Zahl ausgefallen ſein. Schon
diefer gute Wille auf unſerer Seite für eine Sache, die
uns im Grunde genommen nur wenig angeht wiewohl
3. Zt aüch die „Kunſt-Halle“ der Veröffentlichung des
Aufrufs des Ausſtellungskomités bereitwilligſt Folge gab —,
hätte in den Kreiſen der holländiſchen Kritik ein gewiſſes
Taktgefühl wohl wecken können.
wir wiſſen nicht, was aus anderen Ländern nach
Scheveningen geſchickt wurde und ob die großen Meiſter
3. B. Fraͤnkreichs freigebiger geweſen ſind, als unſere
Koryphäen, die möglicherweiſe — mich drängtes nicht,
dies feſtzuſtellen — dürch Abweſenheit glänzen. Aber daß
man auͤs der rein zufälligen Zuſammenſetzung von Gaben,
deren Urheber nicht durch Erfüllung künſtleriſcher Forde-
rungen legitimirt erſcheinen, ſondern allein durch den Trieb
ihres guten Herzens oder ihres Ehrgeizes, an einem ehren-
vollen N ıternehmen. im Auslande betheiligt zu ſein —
Schlüſſe auf das künſtleriſche Niveau Deutſchlands zu ziehen
ſich bemüßigt, das wirkt auf unſere ernſten Kunſtkreiſe
zerade Fomifch genug, um nicht zu ſagen Mitleid erregend
für jene ſeltſame Kritik, die hoffentlich ein ander Mal den
Spruch eines ebenſo berühmten wie dankharen Muſikers
béſſer beherzigen wird: Einer geſchenkten Grgel — ſieht
man nicht in die „Gorgel“..
2 *

; * ä

In München geht es in öffentlichen Kunftdingen
ſeltſam zu. Die Träger edler Empfindungen und berech-
tigter wünſche ſind dort von einer Majoxität wiederholt
brutaliſirt worden; und ſelbſt das energiſche Eingreifen
eines verehrten Mitgliedes des kunſtſinnigen Mittelzbacher
Fürſtenkhauſes des Prinzen Ludwig Ferdinand, hat
nur den ephemeren Erfolg gehabt, daß in der kürzlichen
Sitzung der Kammer der Beichsrätbe gegen die von uns


Majorität in würdigſter Weiſe frondirt wurde. Einmal
hatte der Prinz zu Kapitel 23: Akademie der Conkunſt in
München und Mufiffchule in Würzburg geſprochen. Bald
darauf motivirte er den Antrag des Ausſchuſſes, der zu
Kap. 24 verlangte: die zur Erwerbung ausgezeichneter
Kunſtwerke, insbeſondere für die kunſtſammlungen des
Staates nothwendigen aber geſtrichenen 100000 Mart,
follen wieder eingefetzt werden. In ſeiner längeren Rede
heißt es zum Schluß?

Die Frößte Schädigung aber läge daxin, wenn münchen
ſeine jetzige hervorragende Ztellung im deutſchen Kunſt-
leben nicht meht behaüpten könnte und die Führerſchaft.
an eine konkurrirenoͤe Stadt abtreten müßte. Andere
deutſche Kunſtzentren widmen ‚ihr volles Intereſſe der
Kunft und ſie thun ſehr wohl daran. In dieſem edlen
wetikampfe darf Bayern nicht darauf verzichten, ſeine
Kunft im ſchweren Konkurrenzſtreit wie feither zu unter-
ſtützen. Das Gerede vom Liedergange Münchens
als Kunftitadt würde neue Nahrung erhalten. Anderen
Staaten wäre die Zurückſetzung der Bedürfniſſe der hare-
riſchen Kunft eher ein Anſporn, durch reichlichere Mittel-
gewährung den freiwillig eingeräumten vorſprung noch zu
dergroͤßern. Der Eindruͤck, daß Bayern nicht menhr die
Mittel zur verfügung ſtellen will, um in der bisherigen
 
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