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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Januar 1897
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Nr. 15
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0062

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daS Recht haben, Zeugen eidlich zu vernehmen, sie
auch die Mittel haben müssen, die Durchführung des
Zeugeneides zu erzwingen. DaS mag gerade für Re-
dakteure höchst peinlich sein, kommt aber auch in an-
deren Kreisen vor. Es gibt nur wenig Fälle, in
denen die Zeugnißverweig?rung gestattet ist. Es liegt
für die Regierung kein Anlaß vor, den Kreis der
zur Zeuguißverweigerung berechtigten Personen ohne
Noth zu erweitern. Der Minister kommt sodann auf
den von dem Abg. Stadthagen bei Berathung der
Justiznovelle dem Kieler Bürgermeister Lorey gemach -
ten Vorwurf des wissentlichen Meineids zu sprechen.
Abg. Lenzmann (freis. VolkSp.): Er sei in den
Fällen Schröoer und Ziethen damit beschäftigt, das
Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten. Er habe sich
dazu nach genauer Prüfung der Sache entschlossen.
Er bedaure, daß der Minister die betreffenden ge-
richtlichen Urtheile gleichsam als unfehlbar hingestellt
habe. Im Falle Schröder seien nach seiner Ansicht
die Geschworenen gegenüber den Entlastungszeugen,
welche Sozialdemokraten waren, vielleicht voreinge-
nommen gewesen. Ich werde neue, Nichtsozialdemo.
kratische Zeugen beibringm, welche beweisen werden,
daß Gendarm Münter gewaltthätig war, und die
sagen werden, daß Münter Schröder erfaßt und ge
stoßen hat. (Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten).
Der Fall Ziethen ist allerdings sehr dunkel und liegt
weit zurück, aber ich hoffe bei dem Wiederaufnahme,
verfahren die Angelegenheit in ein anderes Licht zu
rücken. Ziethen wird übrigens im Zuchthaus sehr
human behandelt. Der Barbiergehilfe, der sich selbst
wiederholt des Mordes an Frau Ziethen bezichtigt
hat, befindet sich zur Zeit im Grfänguiß der Frem
denlegion zu Algier. Ich habe dessen Vernehmung
nochmals beantragt. Man hat auch noch neue Zeu-
gen aufgefunden. Man hat ferner dem Ziethen nahe-
gelegt, die Gnade des Kaisers anzurufen. Er hat
dies im Gefühle seiner Unschuld abgelehnt. Den Zeug-
nißzwang gegen Redakteure und andere im Dienste
der Presse thätige Personen halte ich für bedauerlich
und seine Beseitigung für dringend erwünscht. Nach
dem bestehenden Gesetz halte er ferner den Zwang im
Verfahren gegen „Unbekannt" nicht für gesetzlich. Auch
wird das Verfahren nicht gleichmäßig gehandhabt.
Man ist gegen den Redakteur der „Hamburger Nach-
richten" in Sachen der staatsgefährlichen Enthüllungen
nicht vorgegangen, weil man wahrscheinlich fürchtete,
auf eine Person zu stoßen, der man nicht gerne zu
Leibe gehen möchte.
Justizmiuister Schönstedt bemerkt kurz, es habe
ihm durchaus fern gelegen, gegen das Wiederauf-
nahmeverfahren im Falle Ziethen Stellung zu nehmen.
Abg. Auer (Soz.) fragt an, wann endlich die Re-
gelung des Strafvollzuges stattfinden soll. Redner
geht auf einzelne Fälle ein, die eine Regelung dring-
end erheischen.

Ausland.
* Wien, 18. Jan. Aus Petersburg meldet die
„Pol. Korr.": In leitenden Kreisen erklärt man, die
Ernennung der Grafen Murawjew dürfe keine andere
Deutung erfahren als unveränderte Fortsetzung der
auswärtigen Politik Lobanows. Gegenüber ander-
weitigen Nachrichten wird erklärt, daß sich bei dem
Zaren infolge Ueberarbeitung eine gewisse Mattigkeit
eingestellt habe, so daß ihm die Aerzte mehr Schon-
ung seiner Perfon empfehlen müßten. Die vernarbte
Kopfwunde, Pie der Zar bei dem Attentate in Japan
erlitt, sei nicht aufgebrochen; aber es habe sich,in
ihrer Nähe ein kleiner knochiger Auswuchs gebildet,
der nicht gefährlich sei und durch einen kleinen chirur-
gischen Eingriff beseitigt werden könne. Zur Vor-
nahme dieser Operation wurde Prof. Bergmann aus
Berlin berufen.
* Vern, 18. Jan. Die Denkschrift des Bundes-
ratheS über die Eisenbahnverstaatlichung geht erst im
Juni der Bundesversammlung zu. Wegen des Um-
fanges, welchen die Denkschrift annimmt, kann sie
nicht schon im Frühjahr der Bundesversammlung unter-
breitet werden.
* Rom, 18. Jan. Neue Nachrichten aus Afrika
liegen nicht vor. Die.Regierung nimmt an, daß Ge-
neral Vigano heute 5000 Mann um Agordat kon-
zentrirt habe. — Der Ministerrath, der erste seit
einem Monat, der heute über die Wahlsrage ent-
scheiden sollte, verlief resultatlos. — Italien regte bei
den Mächten eine internationale Konferenz an wegen
Maßregeln gegen die Beulenpest. Alle Mächte, außer
England, stimmten zu. Die Konferenz findet in
Venedig statt- Italien wird durch Bavelli vertreten
sein.
* Lon-oa, 18. Jan. Die Erklärung Shermans,
daß er gegen eine Einmischung der Ver. Staaten in
die Angelegenheiten Cuba's sei, wird von der öffent-
lichen Meinung in Amerika wenig ernst genommen,
da er erst vor wenigen Wochen im Senat für die
Resolution zu Gunsten der Unabhängigkeit Cuba's
gestimmt hat und überhaupt seine Ansichten oft wechselt.
Diesmal, so meint man, habe er blos Mac Kinleys

Ansicht wiedergegeben, die hoffentlich ausschlaggebend
blriben werde.
* Konstantinopel, 18. Jan. Der Sultan be-
schloß, die Einsetzung einer internationalen Kontrol'
kommission bestehend aus 5 Mitgliedern, einem Schwei-
zer, einem Belgier, einem Holländer und 2 Türken,
der die genaue Prüfung und Durchführung des Bud
gets obliegt! Die diplomatischen Kceise sind, lt. „Fkf.
Ztg.", über diese plötzliche Maßnahme des Sultans
deshalb erstaunt, weil in den Konferenzen der Bot-
schafter ein fast gleichlautender Beschluß gefaßt wurde
und der Sultan, der augenscheinlich hiervon Krnntniß
erhielt, den Mächten zuvorzukommen beabsichtigt.
* Bornvay, 18. Jan. Nach amtlichen Ausweisen
sind gestern 3636 Erkrankungen an Pest und 2592
Todesfälle vorgekommen. Die Lage hat sich ver-
schlimmert. Die Auswanderung dauert fort.
Aus Baden.
Heidelberg, 19. Januar.
--- Die Umwandlung der badische« Staats
schuld ist nunmehr von beiden Kammern einstimmig
gutgeheißeu worden. Die Regierung legte, wie der
Finanzminister Buchenberger am Freitag in der zwei
ten Kammer erklärte, auf die Usbsreinstimmung aller
Fraktionen der Volksvertretung besonderen Werth,
„weil die Bevölkerung dem Gesetz mit gemischten Ge-
fühlen gegenüberstehe". Abweichende Meinungen waren
nur über die Ausfühlungsbestimmungen vorhanden
und zwar wollte eine Gruppe von 'Abgeordneten der
nationalliberalen sowohl wie der CentrumS Partei
die Tilgungsfrist, während welcher eine weitere Zins
Herabsetzung nicht erfolgen darf, auf acht Jahre, statt der
in der Vorlage geforderten zehn Jahre beschränken. Ed
war sogar Neigung vorhanden, diese Fristbestimmuvg dem
Ermessen der Regierung zu überlassen. Die Strömung
ist kennzeichnend für das Mißtrauen in die Stetigks t
des heutigen Geldverkehrs. Der Abänderungsantrag
vereinigte indeß nur 17 Stimmen auf sich. Als ein
der bemerkenSwerthesten Aufklärungen für die Noth-
wendigkeit der Umwandlung wird die Begründung
anzusehen sein, die der Crutrumsabgeordnete Hug als
Berichterstatter der Vorlage mitgab: nach den Ver-
hältnissen des Capitalmarktes sei eine 4proe. Verzin-
sung erstklassiger Staatspapiere finanzwirthschaftlich
nicht zu rechtfertigen, vielmehr eine ungebührliche Be-
günstigung der Staatsgläubiger, namentlich nachdem
große Staaten mit der Herabsetzung vorangegangen
seien. Allerdings mußte der Redner zugeben, daß in
Baden in beträchtlich größerem Umfang als beispiels
weise in Preußen das eigene Land, also wohl vor-
zugsweise Stiftungen, Mündel und kleine Rentner,
am Besitz der Staatsschuldverschreibungen betheiligt
seien. Die Umwandlung bat, das läßt sich nicht weg-
discutiren, ungünstige sozialpolitische Folgen. Am
meisten werden sie sich in den Kirchenfonds fühlbar
machen, deren Anlage immer eine engbegrenzte bleibt
Vielleicht hätte wenigstens in der 1. Kammer d rauf
hingewiesen werden sollen, daß das Fmanzgesetz mit
dazu beitragen müsse, die Aufbesserung einer Anzahl
Pfarreien zu beschleunigen. Denn es muß auch ein
Mal gesagt werden, daß wir in dieser Hinsicht nicht
au einem wunden, sondern vielfach auf einem tobten
Punkt angelangt sind.
— Die Weihuachtsrede des Heilige« Vaters
Leo XH1-, sagt die „Catholic Times", lenkt die Auf-
merksamkeit der Welt auf die immense Aufgabe, welche
der Papst als der geistliche Vater der Christenheit zu
erfüllen und auf die Schwierigkeiten, womit er zu
kämpfen hat. Zu ihm blickt die katholische Welt unter
allen Zonen um Leitung und Führung auf; denn
sein Tyron ist das große Bollwerk der Christenheit.
Er ist auch der Führer bei der Lösung der Arbeiter-
frage und anderer großen Probleme, welche die Welt
bewegen. Aber wie kann er diese edle Mission er-
füllen, wenn er nicht volle Freiheit und Unabhängig-
keit hat. Leo XIII. ist ein hochbetagter Greis. Seine
Zeit auf Erden kann nicht mehr lange dauern — u. wenn
er gegen die gegenwärtige Lage des PapstthumS Pro-
test erhebt, so geschieht es gewiß nicht aus irgend-
welchen persönlichen Beweggründen, sondern weil er
nur zu gut vor Augen sieht, daß die gegenwärtige
Lage des Heiligen Stuhles ein Schaden ist für die
Kirche, für Italien und für die Menschheit. — Die
frühesten Briefe Leo's XIII. an seine
Familie sind soeben von M. Boyer d'Agen einem
Freunde Signor Lodovico Prcci's, des Neffen dss
Papstes, bei Mame in Paris herausgegeben worden.
Die Briefe umfassen die Zeit von seinem Eintritte
in's Jesuitencolleg in Viterbo 1819 bis zu seiner Er-
nennung zum päpstlichen Delegaten von Benevent
1837 nach seinem Austritt aus der Akademie ägi
Xobili Leolssiastiei. Der bewundenSwertheste Zug
an der ganzen Correspondenz ist die erstaunliche Ein-
heit der Ideen, welche sich bei ihm von Kindheit an
bis zur Besteigung des päpstlichen Thrones mit jenem
Glanze entfalten, wie sie seitdem die Bewunderung
der Welt geworden sind.
— Die Lamdes-Wtheiluug des Katholische»
Lehrer - Verbandes i« Elsaß - Lothringen hat

ihren ersten Jahrbericht versandt, der ein erst
liches Wachsen bekundet. Die Mitgliederzahl
seit der Begründungs-Versammlung (9. April)
auf 395 gestiegen. Mit der Bildung des
Vereins Hagenau in den letzten Tagen der vcrB
neu Iah-es ist die äußere Organisation ausgeb"
Auch im Innern der Zweigvereine hat be«
eine segensreiche Thätigkeit begonnen. Eins 3^
schriften-Commission wurde gebildet, Vorträge geh'«
in Colmar auch ein zahlreich besuchter Eltern-M
veranstaltet, den Bürgermeister Fleurent sowie Sl".
Pfarrer Frey durch Ansprachen freudig begrüß«
Die Zahl der Zweigvereine beträgt 11. Möge "
äußerst wichtige Verein weiter blühen und wE
--- Ueber die Gestaltung des jirrtstW
Studiums finden Erörterungen zwischen den btt .
ligten Ressorts statt, die durch die bevorstehende
führung des Bürgerlichen Gesetzbuches veranlaßt sb"
den sind. Es komme darauf an, dem BücgerlE
Gesetzbuch eine centrale Stellung in dem juristN
Studium und in dem Lehrplan der juristischen F«
täten zu sichern, ohne bas ohnehin schon umfasst"
RechiSstudium noch mit einem Uedermaß weiterer «s
lesungen zu belasten. Dieser wichtigen und sch^,
gen Aufgabe tritt die weitere Aufgabe hinzu, bat
zu sorgen, daß von Seiten der Studenten des W
auch die ersten Semester besser auSgenützt werden?
dies jetzt leider vielfach der Fall ist.

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 18. Jannak
Präsident Gönner eröffnet um 12 Uhr
die dritte und zugleich die letzte öffentliche E,
der Zwecken Kammer in der außrrordentlicheu Sw
des Landtags. Die Gallerte des Rondellsaales
nur mäßig besetzt; auch die grünen Sitze wiesen §
zelne Lücken auf, da m hrere Abgeordnete am S""
tag nach Hause gereist und heute nicht mehr gw
men waren; entschuldigt hatte sich Herr Flüge.
Präsident Gönner theilt mit, daß die Erste KE
die Vorlage wegen Konversion der EisenbahnsE
am Samstag ebenfalls genehmigt hat. Nach f
weiteren Mittheilung soll der stenographische E
im Landtage neu organisirt werden behufs Veröst
lichung de« stenographischen Berichts. Die BeE
fassung sollte dem nächsten Landtage überlassen uE
Abg. Fieser ist damit einverstanden, ein M
spruch erfolgt nicht. .
ES folgt die Wahl des landständischen Ausschuß
auf Vorschlag de» Abg. Fieser werden die bish^
Mitglieder desselben per Acclamation gewählt:
Abgg. Lauck, Gönner, Fieser, Hug, Wacker, M
und Wilck nS. >
Avg. Wacker dankt dem Herrn Präsidenten M
loyale und gerechte Führung der Geschäfte,
wünscht, derselbe möge auch wieder in der külW
Tagung das Szepter führen. Die Abgeordneten'
heben sich zum Lank von ihren Sitzen. .
Präsident Gönner dankt für diese anerkenne"
Worten und wünscht den Abgeordneten eine glü«!
Heimkehr und Wiederkehr in nächster ordeE
Session.
Nunmehr verlassen die Abgeordneten den
letzterer wird zur Abhaltung der Schlußsitzung
richtet.
Nach halb 1 Uhr traten die Mitglieder der Ä
ten Kammer wieder ein, 5 Minuten nachher die A
glieder der Ersten Kammer, welche sich auf die"
gestellten Sessel niederließen, darauf das GssamE
sterium in kleiner Uniform, das sich auf die E
tribüne begab. Hier verlas StaatSministec No«,
Schlußrede, wonach die außerordentliche Session
Landtags nach Erledigung seiner einzigen Aufga^i
geschlossen erklärt wurde.
DaS übliche Hoch auf den Großherzog
Herr Leimdach aus.

Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik sind uns jederzeit willkommen.
Kosten werden stet» sofort ersetzt.)
* Heidelberg, 19. Jan. (Muthmaßliches W-tK
Mittwoch, 20. Januar.) Trübes u. nebeliges, jedoch Ü"
Wetter in Aussicht.
* Heidelberg, Id. Jan. Zu Mitgliedern des A
bahnrathes auf die Dauer von 3 Jahren wurden w"
Herren ernannt:
Freiherrn Güter von Ravensburg in Sulzfeld,
Markus Pflüger in Lörrach,
Kaufmann Max Reichert in Bade»,
Kommerzienrath Ferdinand Reiß dahier,
Oberbürgermeister Dr. Wilckens inHeidelb M
* Heidelberg, 18. Jan. Zu der am SamstaS A
in de» Räumen des „Bürger Casino" vom „Militärs,
veranstalteten Gedächtnißfeier dec Schlacht an derV,
hatten sich die Mitglieder des Vereins sehr zablrtt"
gefunden. Auch mehrere aktive und inaktive OsM^
ehrten die Feier mit ihrer Anwesenheit. Der Abends
unter dem Vorsitz des 1. Vorstandes des Vereins,
Stadtrath Hoffmann, einen günstigen Verlauf.
* Heidelberg, 18. Jan. Bei ver am letzten
im „Faulen Pelz" abgehaltenen General-Bersamin»N
„Stecbkassen-Verems Germania" wurden die b>so°
Vorstandsmitglieder wiedergewählt. Das Sterbegeld z
von 300 M- auf 325 erhöht. Dem 1. Vorstand dB
 
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