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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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März 1897
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Nr. 61
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0250

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* Berlin, 14. März. Entgegen der Forderung
des Verbandes der Berliner Schuhfabrikanten nahmen
die ^ausständigen Arbeiter zweier Berliner Schuhfa-
briken die Arbeit nicht wieder auf. Die dem Ver-
bände angehörenden 37 Schuhfabriken wurden deshalb
heute Abend geschlossen. 3000 Arbeiter sind auSge-
jperrt.

Ausland.
* Wie«, 13. März. Bei der Reichsrathswahl
in der allgemeinen Kurie wurden in Tyrol 3 Katho-
liken und in Vorarlberg 1 Katholik gewählt.
* Wien, 13 März. Bei den Reichsrathswahlen
der 5. Curie wurden in Böhmen gewählt: 6 Jung-
czechen, 5 Sozialdemokraten, 1 Deutsch-Fortschrittler.
— Das Prager Resultat steht noch aus. — Bei den
nöthig gewordenen Stichwahlen der 5. Curie wurden
in Böhmen gewählt: 2 Jungczechen, 2 Socialdemo-
kraten, 1 Deutsch-Fortschrittler. — In Graz wurden
gewählt: 1 Klerikaler, 1 Christlichsozialer, 1 Slavo-
nisch-Conservativer, in Zara 2 gemäßigte, kroatisch-
nationale Compromißkandidaten. Im Wahlbezirk von
Zoen haben dis 61 italienisch auwnomistisch gesinnten
Wahlmänner leere Zettel abgegeben
* Brün«, 14. März. Bei der heutigen Stich-
wahl wurde der Kandidat der Sozialdemokratie ge-
wählt.
* Madrid, 14. März. Die Kö.ngin weigerte
sich, die Abberufung des Generals Polavieja zu un-
terzeichnen. Es gehen Gerüchte über eme Krisis. Die
Regierung telegraphirte dem General Polavieja, er
dürfe angesichts snneS Gesundheitszustandes zurück-
treten. Der General antwortete soeben, er werde in
Bälde über seinen Gesundheitszustand berichten. Man
glaubt, daß die Lage des Kabinets gefährdet sei.

Der Streik der Schweix. Eisenbahn-
Angestellten.
* Konstanz, 14. März. Die Generaldirektion der
Badischen Eisenbahnen hat sämmtlichr Ue-
bergangsstationen angewiesen, Güter in die Schweiz
zurückzuweisen. Hier liegen viele Hunderte Poftstücke.
DaS streikende Personal der Nordostbahn zeigt fort-
gesetzt ein musterhaftes Verhalten.
* Zürich, 13. März. Der Streik bei der Nord-
ostbahn dauert unverändert fort. Seit gestern Abend
ist eine Kavallerieabtheilung zur Aufrechterhaltung der
Ordnung in Bereitschaft gestellt worden. Die Ordnung
ist bisher nirgends gestört.
* Zürich, 14. März. Nach Mittheilung des Aus-
ständigenauSschusses hat telegraphisch der BundeSrath
die Ausständigen benachrichtigt, daß der Direktor der
Nordostbahn sämmtliche materiellen Forder-
ungen der Angestellten angenommen habe und
völlige Amnestie gewähre. Das Personal acccptirt
das Schiedsgericht des Bundes, macht aber die Be-
dingung, daß der durch den Ausstand entstehende
Schaden nicht dem Bund der Eisenbahn-Augestellten
auferlegt werden darf. Heute Abend 6 Uhr steht das
Personal wieder zur Verfügung der Direktion. Die
Nachtzüge werden wahrscheinlich wieder verkehren.
Der telegraphisch einberufene Verwaltungsrath der
Nordostbahn genehmigte die Abmachungen zwischen
der Direktion und dem Personal, erklärt sich mit der
Einsetzung eines Schiedsgerichts einverstanden u. löst
den Untersuchungsausschuß auf.
* Berlin, 14. März. Die Direktion der Schwei-
zer Nordostbahn theilt hierher mit, daß der Ausstand
beendet ist und der Betrieb heute Abend 6 Uhr wieder
ausgenommen wird.

Die Unruhen auf Kreta.
* Athen, 13. März. Nachrichten von der Ab-
fahrt italienischer und österreichischer Soldaten nach
Kreta verursachen eine lebhafte Erregung. Die grie-
chische Regierung protistirte bei den Mächten und der
Türkei wegen der Befestigung des Golfes von Arta, die
entgegen dem Berliner Vertrage erfolgte. Diesem
Protest wird große Bedeutung beigelegt, wegen der
Folgen, welche sich ergeben könnten, wenn Griechen-
land gezwungen wäre, Kreta zu räumen.
* Kanea, 13. März. Der Kommandant der
Besatzungstruppen Amoretti verlangt die nochmalige
Verhaftung und Aburtheilung der GenSdarmerie-
Unteroffiziere Jsmsy und Ramanday, der Rädels-'
führer bei der kürzlich stattgehabten Meuterei. Amo-
retti hat inzwischen Beweise dafür erlangt, daß Js«
may auf den GenSdarmerie-Obersten Suleiman Bey
geschossen und daß Ramanday italienische Marine-
soldaten verwundet hat. Der englische Consul Billi»
otti that Schritte zu Gunsten Ramanday's des Ka-
wassen des Konsulats.
* Paris, 13. März. Der „Matin" erklärt, die
nachträgliche Verbalnote, welche Griechenland den
europäischen Kabinetten übermittelt habe, sei charakter-
istisch für sein unaufrichtiges Vorgehen. Die grie-
chische Regierung werde durch diesen neuen Versuch
vielleicht die öffentliche Meinung, aber gewiß nicht die

Großmächte täusche». Im Allgemeinen glauben die
Blätter, daß das akute Stadium der griechischen Krise
seinem Ende nahe sei.
* Rom, 14. März. AuS London wird gemeldet:
Hier verlautet beharrlich, unter den Mächten herrsche
jetzt der Entschluß vor, auf die griechische Note nicht
zu antworten, sondern unverzüglich zu Zwangsmaß.
regeln zu schreiten, die mit einer friedlichen Blokade
Kretas beginnen würden.
* Athen, 14. März. Die griechische Armee wurde
für in Mobilisirung befindlich erklärt.

Aus Baden.
Heidelberg, 15. März.
----- Ecbgroßherzo g F Nedrich von Bade», Com-
mandeur des 8. Armeicorps fuhr am Freitag Abend
von Köln nach Bonn. Der 2täqige Aufenthalt des
Ecbgroßherzogs in Kö n galt der Besichtigung der im
Stadtgebiet, in Mülheim a. Rh. und in Kalk gelege-
nen Kasernen, einiger neuer Forts, des Deutzer Mi-
litärlazareths usw. Am Donnerstag Nachmittag stat-
tete er dem Herrn Cardinal-Erzbischof einen
Besuch ab, welcher am Freitag von demselben erwi-
dert wurde.
— In der deutschen Armee steht ein großes
Avancement bevor. Am 1. April d. I. werden
auS 519 deutschen Ganz und 173 Halb-Bataillonen
der Infanterie 624 Voll-Bataillone insgesammt for-
mirt; infolge dessen müssen 21 General-Majore als
Brigade-Commandeure, 50 Obersten und eben so viele
Oberstlieutenants neu ernannt werden. Alle nieder»
Offiziere bis zum Lieutenant hinab rücken etwa um
110 Stellen vor, ausschließlich der bay rischen Be-
förderungen.
— Kaiser Jubiläum. Welch' schöner Gedanke
wäre es dez. welch' schöne Tönt würde es sein, wenn
das ganze diutsche Volk sich mit etwa 5 Pfg. pro
Kopf an einer Kaiser-Wilhüm-Stiftung beteiligte,
weiche dazu dient, unschuldig Verurteilten ein Sühne-
geld zu geben, worüber der Kaiser die Verfügung er-
hält! Die 5 Pfg. pro Kopf würden ein Capital von
mehrer en Millionen Mark ergebe» ».wahr-
lich niemanden drücken.
— Rudolf Propst, der Nestor der katholischen
Parlamentarier Württembergs, ist anläßlich der Voll
endung seines achzigften Lebensjahres am 9. d. M.
in Stuttgart durch eine große katholische Volkskund-
gebung gefeiert worden. Sämmtliche katholische Ver-
eine der Landeshauptstadt versammelten sich im Ver-
eine mit der vollzäblichen CentrumSfcaktion des
württembergischen Landtages am Abende des Tages
im Festsaale des dortigen „Europäischen HofeS" um
den würdigen Greis, der im Kreise seiner Familie,
deren ältestes Mitglied er ist, den Ehrenp atz emnahm.
Die Feier setzte sich vornehmlich aus den gemein-
samen Gesangsvorträzen dreier Vereinschö e und
Festansprachen auf den Jubilar zusammen. Namens
der katholischen Vereine, sowie auch des gejammten
katholischen Volkes in Württemberg sprach Redakteur
Eckard; Domkapitular Dr. von Linsenmann Namens
des Bischofs von Nottenburg und seiner Räthe, Dr.
Kiene, Vizepräsident der württembergischen Abgeord-
netenkammer Namens der württembergischen Cmtrums-
fraction. Die Thätigkeit des Gefeierten hat sich in
hervorragender Weise sowohl auf dem Boden des
katholischen Vereinswesens, als auch auf dem Boden
des öffentlichen Lebens vollzogen. Vom Jahre 1849 an
bis zum Jahre 1894 war er ununterbrochen Vertre
ter deS Bezirks Biberach im württembergischen Land-
tage. Ferner hat er dem Zollparlament von 1868
bis 1870 und dem deutschen Reichstage von 1871
bis 1873 angehört. Zwei Ideen waren es, die er
stets verfochten hat, das Volk und die Kirche — das
Volk in seinem verfassungsmäßigen Eintreten für die
Freiheit der Kirche und für die Vertheidigung christ-
licher Grundsätze im öffentlichen Leben, die Kirchs in
ihrem Eintreten für die Erhaltung deS christlichen
Lebens und d r christlichen Gesinnung im Volke, da-
mit dieses auch von seinen Rechten nur guten Ge-
brauch mache. Er ist nämlich in eine Zeit hinein-
gestellt gewesen, in der es etwas für das kirchliche
Leben zu thuu gab. Nach seinen eigenen Worten
war die Kirche zu Anfang unseres Jahrhunderts im
öffentlichen Leben Württembergs gewissermaßen wie
verschollen. In der württembergischen Verfassung stand
zwar das Wort „Autonomie der Kirche"; aber es
war eben nur ein Wort und der Minister des Innern
ordnete die GotteSdienstorduung an. Dieser ent-
würdigende Zustand veranlaßte Bischof Keller 1841 zu
einer Motion in der Kammer; damals waren es zwei
Katholiken, welche dem eigenen Bischof in der Kammer
in schärfster Weise entgegen traten; der eigene Ge-
neralvikar brachte durch einen Gegenantrag die Mo-
tion seines Bischofs auf die Seile. Da kam das
Jahr 1848. Viel überspannte Forderungen wurden zwar
damals gestellt, aber es war ein mächtiger politischer
Aufschwung, ein Ringen nach Freiheit, und auch die
Bischöfe der Kirche traten zusammen, um die Freiheit
der Kirche zu fordern. Besser wurde es in Württem-
berg, als der hochsinnige edle König Wilhelm I. da-

ran ging, die Selbstständigkeit der katholischen K^chk
durch ein Concordat mit dem apostolischen Stuhl nü-
zuerkennen. DaS Concordat wurde zwar verworfen,
aber der Kampf um dasselbe führte dazu, daß die
Katholiken in der württembergischen Kammer sich de'
mußt wurden, was sie ihrer Kirche, sich selbst und
ihrer Ehre schuldig waren. Damals war Rudolph
Probst durch eine glückliche Fügung zum Berichtet'
statter über das Concordat ernannt wocosn u. sämmt-
liche katholische Aogeordi-ete folgten ihm. Von da ab
folgte in Württemberg eine katholiche Bewegung.

Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik lind uns jederzeit willkommen. — Etwaig«
Kosten werden stets sofort ersetzt.)
* Heidelberg 15. März. (Muthmaßliches Wett-e für
Dienstaa. 16. März.) Nebeliges, tagsüber heiteres Weiter
in Aussicht zu nehmen.
O Heidelberg, 15. März. In der am Samstag, de»
13. d.,M. Üattg-Habten Bezirksrathssitzung wurden folgende
Fälle in öffentlicher Sitzung ertevizt:
1 Klage des Octsarmenv-rbauds Heidelberg gegen
den Oltsarmenverbaad Wiesenbach wegen Unterstützung
des Johann Treu wurde durch Vergleich erledigt.
2. Klaze desOctsarmenvnbands Heidelberg, gegen de»
Laidarmenv.'rba w Heidelberg, o-rtrrten durch den Kceis-
nusschuh Heidel,erg wegen Verpflegung der Kommissionär
Friedrich Heinrich Fischer Eaefrau im akademischen Kranken-
haus Heidelberg wurde vertagt.
3. Gesuch
der Karl Schmilt Eheleute dahier um Erlaubniß
zum Betrieb einer Schankwuthschaft im Hause Güterbahn-
Hof Nr. 19 wurde nicht genehmigt;
b. des Wolfgang Florange datier um Erlaubniß znw
Betrieb einer Schankwirthschaft ohne Branntweinausschank
in Lause Lauerstrabe Nr. 16 hier wurde genehmigt;
o. des Joh. Ludwig Ficher in Epp lheim um Eclaub-
niß zum Betrieb einer Schankwirthschaft in dem umgeball-
ten Hause Nr. 74 wurde nicht genehmigt;
<1. der Lchrocdl'schen Brauereigesellschaft dahier um
Erlaubniß zum Betrieb einer Schankwirthschaft in dem neu
zu erbauenden Hause Nr. 117 der Bergheimerstraße dahier
wurde nicht g nehmigt;
s. der Barbara Sieger Ehefrau dahier um Erlaubniß
zum Betrieb »ec Rewwirthschaft „zum Mohren" dahiec
wurde nicht genehmst;
1. des Curistian Frank dahi r um Erlaubniß zum Be-
trieb einer W-inwirthfchaft im Hause Bahnhofstraße Nc.9
dahier wurde nicht uenehmigt;
§. des Karl Nähr dahier um Erlaubniß zum Betrieb
der Schankwirthschaft ohne Branntweinausschank „zur Ein-
tracht" in. Ha"dschuhsheim wurde genehmigt.
4. Dem Georg Friedrich Günther il. Dossenheim
wurde die nachgesuchte Befristung der ihm unterm 19. IX.
1874 ertheilten Erlaubniß zum Betrieb einer Gastwtrth-
schafi daselbst ertheilt.
5. Gesuch des Metzgers Heinrich Künzer in Mönchzell
um Erlaubniß zur Errichtung einer Schlachtstätte daselbst
wurde genehmigt.
6. Milzbrand bei einer Kuh des Landwirths Leon-
hard Hege I m Eppelheim, wurde die aus Gr. Staatskasse
zu leistende Entschädigung festgesetzt.
* Heidelberg, 15. März. Finanz-Assessor Emil Müller
hier wurde zum Hauptamtsverwalter ernannt. -- Ex'
veditionsaffistent Heinrich Bcenec hier wurde bis zur
Wiederherstellung seiner Gesundheit in den Ruhestand
vers-tzt.
* Heidelberg, 15. März. Das griechische Konsulat
Mannheim-Neckargemünd (Herrn I. F. Menzer in Neckar-
gemünd) macht im Auftrag der griechischen Regierung de»
im Konmlatbezirke wohnenden griechischen Uarerthanen be-
kannt, da« durch Kal. Verordnung die Reservisten, welche
rn den Jahren 1866 bis mit 1873 geboren sind, zu den
Fahnen einberufc» und aufgefordert werden, sich zu diese«
Zweck ohne Zögern nach Griechenland zu begeben.
* Karlsruhe, 14. März. In der vorgestrige»
Sitzung des nat.lib. Vereins theilte Oberbürgermeister
Schnetzler mit, daß nach einer Mittheilung der Ober-
daudirektion der Karlsruher Rheinhafen
gesichert sei und in der nächsten Woche der Bürger-
ausschuß die erforderliche Vorlage erhalten werde, da-
mit alsbald mit dem Bau begonnen werde könne.
* Karlsruhe, 14. März. Der direkte Schnell-
zug Mailand-London konnte in Folge Defektwerdens
der Maschine bei Schallstadt nicht weiter und mußte
durch den nachfolgenden Gotthardschnellzug bis Frei-
bürg angehängt werden. Infolge dieses Vorfalles
erlitt der Londoner Zug 1 Stunde, der Gotthardzug
eine halbe Stunde Verspätung.
* Offenburg, 14. März. Letzte Woche sprach
hier in einer vom Volksverein einberufenen zahlreich
besuchten Versammlung Professor Quidde aus Mün-
chen über „Majrstä'sbeleidigungen." Er befürwortete
in erster Aufhebung des Majestätsbeleidigungspara-
graphen, tritt aber, um das Erreichbare zu erhalten,
dafür ein, daß: 1. Die Verjährungsfrist bei Mäje-
stätsbeleidigungen auf 3 Monate herabzusetzen sei)
2. verlangt er Aburtheilung der Angeklagten vor dem
Schwurgericht; 3. Beschränkung des Majestätsbeleidi-
gungsparagraphen auf die in der Oeffentlichkeit ge-
fallenen Beleidigungen; 4. Antrag zur Strafverfol-
gung durch den Kaiser oder den Justizmin ster. Die
Versammlung stimmte diesen Ausführungen unter leb-
haftem Beifall bei.
* Freiburg, 14 März. Vor der Strafkammer
kam eine Anklage gegen den Bankier Benjamin Grün
von Amsterdam wegen Vergehens gegen daS Reichs'
gesetz vom 8. Juni' 1871 zur Verhandlung. Der
Angeklagte hatte zwei Mal nicht gestempelte Juhaber-
papfl-re (Barletta-, Mailänder- und Türkenloose) ver-
sendet. Das Urtheil lautete nach der „Brsg. Ztg"
auf 600 Mark Geldstrafe.
 
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