genoffenschaften entzieht und an ein prozessuale-
Verfahren vor den Schiedsgerichten knüpfen will. Dir
Reichsregierung ist nun geneigter geworden, diesen
Antrag anznnehmeu, wenn die Schiedsgerichte der
Berufsgenossenschaft fortan territorial für kleinere
Bezirke gestaltet werden. Gegen letzteres dürste der
Reichstag am wenigsten etwas einzuwenden haben.
Für die Erledigung der JnvalidenversicherungSnovelle
dagegen ist wenig Aussicht, vornehmlich aus dem
Grunde, weil sich für diese kein Mensch erwärmen kann
außer den ostpreußischen Agrariern, deren Versicher-
ungsanstalt durch eigene Schuld finanziell sehr schlecht
steht. DaS Bestreben, diese Versicherungsanstalt durch
Annahme der Novelle herauszureißen, ist selbst
bei den übrigen Agrariern des OstenS nur in höchst
geringem Maße, wenn überhaupt, vorhanden. Ob
die Beamtenbesoldungsaufbessrrung zu Stande kommen
wird, hängt ab von dem Entgegenkommen der Reichs-
regierung gegenüber den berechtigten Wünschen des
Reichstages. Dieses Entgegenkommen ist in richtiger
Eckenntniß der Lage auf Seiten der Reichsregierung
unverkennbar in einem gewissen Maße vorhanden.
Es ist aber der Ausdehnung eben so fähig wie be-
dürftig. _
Deutsches Reich.
* Berlin, 9. April. De» Morgenblättern zufolge
stehe fest, daß die Beisetzung des Stawssetretärs von
Stephan am Sonntag Mittag stattfiade. Vorher werde
eine Trauerfeier im Prunksaale des Reichspostamts
abgehalteu.
* Berlin, 9. April. Der Kaiser nahm einen
längeren Vortrag des Reichskanzlers in dessen Amts-
wohnung entgegen.
* Berlin, 9. April. Das Staatsmini sie-
rium trat um 2 Uhr Nachmittags unter dem Vor-
sitz des Reichskanzlers zu einer Sitzung zusammen.
* Berlin, 9. April. Dem „ReichZanzsiger" zu«
folge telegraphirte der Kaiser an Frau von
Stephan: „So ist denn die bange Besorgmß, daß
Gott der Herr dem theursn Lebe« Ihres Gemahls
ein Ende setzte, zur traurigen Gewißheit geworden.
Was Sie und die Ihrigen in dem Verewigten verlo-
ren haben, empfinde ich selbst am Tiefsten. Zu Ihrem
Tröste muß es gereichen, daß mit Ihnen um den
Entschlafenen Ihr Kaiser und König, das Vaterland
und die ganze Welt trauert. Wie die Geschichte die
Erinnerung an seine genialen Schöpfungen bewahren
wird, so werden die hohen Verdienste, die er sich
um das Vaterland erworben hat, und die unentwegte
Treue, die er unter vier Königen und drei Kaisern
bis zum letzten Athemzuge bethätigte, alle Zeit un-
vergessen sein. Möge Gott Ihnen und den Zangen
die ganze Fülle seines Trostes geben. Wilhelm I. U."
Der Reichskanzler telegraphirte: „Ich erhalte
mit tiefer Betrübniß die Nachricht von dem Ableben
Ihres theuren, auch von mir so hoch verehrten Ge-
mahls. Mit Ihnen betrauert das Vaterland den
Verlust eines seiner verdienstvollsten, genialsten Männer,
dem es vergönnt war, in großer Zeit Großes zu
leisten."
* München, 9. April. Er ist tatsächlich richtig,
daß Bayern seinen Obersten Militärgerichtshof bean-
sprucht. Im Bundesrath scheint ein mit der Militär-
hoheit der Krone Bayern zusammenhängendes Zuge-
ständniß in dieser Richtung bereits gemacht worden
zu sein. Für das übrige Deutschland würde aller-
dings ein Oberster Militärgerichtshof eingerichtet, aber
das bayerische Kontingent wäre ihm im Frieden nicht
unterstellt. Im Kriege jedoch wird wahrscheinlich der
bayerische Oberste Gerichtshof ruhen oder in seiner
Kompetenz beschränkt werden.
Die Unruhen auf Kreta.
* Lyon, 9. April. Der armenische Bischof von
Adana berichtet in einem Briefe von der großen Hun-
gersnoth in Armenien. Ueberall herrsche Schre-
cken. Die Ereignisse auf Kreta erregten den Fanatis-
mus der Muselmanen. Täglich sterben Unglückliche
in Folge Hungers,
* Loudon, 9. April. Die „Times" melden aus
Konstantinopel vom 8 ds.: Die Pforte hat während
der letzten Woche 3 Rundschreiben an ihre auswärti-
gen Vertreter gerichtet, in welchen sie fordert, die
griechischen Truppen sollten Kreta räumen. Ferner
protestirt die Pforte im Voraus gegen dis Einsetzung
eines europäischen Gouverneurs durch die Mächte u.
beschwerte sich über die Ungerechtigkeit, die Muhame-
daner auf Kreta zu entwaffnen, während es den Grie >
chen erlaubt sei, die Waffen zu behalten.
* London, 9. April. Die „Daily News" mel-
den aus Canea unterm 8. ds.: Das russ. Kriegsschiff
„Nicolaus" geht nach Smyrna, um Kohlen u. Pro-
viant in Erwartung der Blokade Griechenlands ein-
zunehmen. — Der Commandeur des österreichischen
Kriegsschiffes „Kronprinzessin Stefanie" erhielt einen
Brief von den Insurgenten aus Kissamo, in welchem
erklärt wird, daß bei fernerem Vorgehen der Mächte
die Insurgenten verfahren würden, als wären sie im
Kriegszustände mit denselben. Der Kamps werde
stündlich erwartet. Der österreichische Admiral wird
morgen nach Kissamo gehen. Man hält er für wahr-
scheinlich, daß die Blockhäuser zerstört werden, um sie
nicht in die Hände der Insurgenten fallen zu lassen.
* Konstantinopel, 8. April. Eine Jrade ordnet
weitere Mobilisationen an. Die Redifregimenter 20
bis 28 der sechsten beziehungsweise siebenten Division
in Anatolien werden einberufen und von denselben
gehen 16 Bataillone unverzüglich nach Macedo men
ab. — DaS hochoffiziöse türkische Blatt „Jkdam"
meldet Folgendes: Zm Auftrag des Königs Georg
begab sich der Distriktschef von Arta gestern zum
dortigen türkischen Konsul und theilte demselben mit,
daß die Befehlshaber der griechischen Truppen den
förmlichen Befehl erhalten haben, jeden Angriff auf
die türkischen Truppen zu unterlassen. Der Distrikts-
chef ersuchte den Konsul, diese Erklärung den türkischen
Truppenkommandanten zu übermitteln, was der tür-
kische Konsul sofort that. — Gestern und heute sind
2 Eisenbahnzüge mit Pferden von Muradly nach
Karaferia adgeaangen. Morgen beginnt die Beför-
derung der 7. Redifdivrsion nah Karahiffar.
Aus Baden.
Heidelberg, 10. April.
--- Die Liberale« Glätter sind zur Zeit ent-
rüstet darüber, daß der Stadtrath von Mann-
heim es unterlassen hat, an den Fürsten Bis-
marck ein Glückwunschtelegramm zu senden. Der
dortige Amtsverkündiger, der Mannheimer General-
Anzeiger, macht sein-m Herzen in den Worten Luft:
„Vielleicht erlebe» wir es noch, daß unser Stadtrath
an Eugen Richter oder Aug. Bebel Glückwunschtele-
gramme schickt. Jcht halten wir alles für möglich."
Das schönste ist, daß der Stadtrath in Mannheim
auch letztes Jahr kein Glückwunschtelegramm nach
Friedrichsruh geschickt hat, obwohl damals die National-
liberalen die Mehrheit hatte«, auch von einem „Gat-
rüstungSschrei durch die ganze Bürgerschaft" wurde
damals nichts geschrieben — Heuer hingegen herrscht
die oppositionelle Partei, da muß man schon sein Urbri-
ges thun.
— Eise Erneuerung des Dreikaiser-Bänd >
«isfes gehört, so schreibt die „Köln. Volksztg.", zu
den Möglichkeiten auf dem Gebiete der hohen Politik,
die vor einem halben Jahre ernsthaft gar nicht hätten
erörtert werden können. In überschwänglicher Weise
feierte damals das officielle und nicht officielle Frank-
reich den Zaren, und am Schluffe des Taumels fiel
sogar das Wort von der französisch-russischen Waffen-
brüderschaft. Das französisch russische Bündniß hat
sich aber in dem ganzen Verlauf der diplomatischen
Verhandlungen wegen des eigenmächtigen Verhaltes
Griechenlands nicht bewährt, und im Augenblick
unterliegt es sogar keinem Zweifel mehr, daß Minister
Hanotaux im Fahrwasser oes Lord Salisbury segelt.
Dis französische Regierung verweigerte ihre Zustimm
ung zu der Ernennung des italienischen Admirals
Canevaro zum vorläufigen Gouverneur von Kreta —
im Gegensatz zu Rußland — und sträubt sich fort
gesetzt gegen die Blokade des PwäuS — ebenfalls im
Gegensatz zu Rußland. Auf der andern Seite da-
gegen sehen wir ein Zusammengehen Rußlands,
Oesterreichs und Deutschlands, das bisher wie es
scheint, durch keine Meinungsverschiedenheit beeinträch-
tigt worden ist und wohl noch weiter andauern wird.
BemerkenSwerth ist die Entschiedenheit, mit welcher
die griechisch« Regierung neuerdings wieder von
russisch-offrciöser Seite vor der Thocheit gewarnt
wird, in ihrem Widerstand gegen den Willen der
Mehrzahl der europäischen Mächte zu verharren und
mit dem KciegSfeuer zu spielen. Die französische
Regierung hätte jetzt die beste Gelegenheit gehabt,
„Schulter an Schulter" mit Rußland zu marschieren
und Griechenland in die Schranken zu weisen; aber
nichts von alledem ist geschehen. Inzwischen bereiten
sich einige Kaiser-Begegnungen vor, Ri denen zweifel-
los auch die orientalische Frage berührt werden wird.
Am 22. ds. begibt sich Kaiser Wilhelm nach Wien,
um der dortigen Frühjahrs Parade auf Einladung
des Kaisers Franz Joseph beizuwvWen, und am 25.
April wird Kaiser Franz Joseph in Petersburg der
Gast des Zaren sein. Würde die Entwickelung der
kretensischen Frage die Folge haben, daß die Dreikaisec-
Mächte auch sonst wieder sich näher traten, so würde
diese Annäherung für den Weltfrieden eine weit größere
Bedeutung haben, als der Bestand des Dreibundes;
denn mit dem russisch-französischen Bündniß, der
Hauptgefahr für den Weltfrieden, wäre es dann ganz
aus, und möglicher Weise würde dann Frankreich
seinen Rachetraum aufgebe» müssen. Galt es bisher
schon als nahezu ausgeschlossen, daß Rußland sich
die Finger Frankreich zu Liebe verbrennen würde —
England, auf dessen Unterstützung Frankreich in Zu-
kunft angewiesen sein würde, thut es schon gar nicht.
— „Diesem Reichstage", der trotz aller Hcher-
eien und Schimpfereien gegen das „ultramontane"
Präsidium prompter und erfolgreicher arbeitet als
mancher seiner Vorgänger, wird von einzelnen geg-
nerischen Blättern, wenn auch mit großem Widerstreben
und unter einer Fluth von Vorwürfen, eine oerha
uißmäßig gute Censur ertheilt. So schreiben z-
die liberalen „Münchener Neuesten Nachrichten"
Schluffe eines längeren Artikels: „Centrum ist Trump!'
Das war und bleibt die Signatur des Reichstag
.... Immerhin muß man zugeben, daß der ReM
tag . . . neben öden Debatten eine anerkennenswert?
Summe von positiver Arbeit, von nützlichen Gesetze"
geleistet hat." Der Artikel enthält auch eine von ds
neulichen Hurrahstandpunkie des Blattes merkir«
abweichende Auffassung des Marineconflcktes.
„M. N N." erkennen an, daß der Reichstag für M
rine-Neubauten „eine erheblich höhere Summe bew"'
ligt" habe, als rn früheren Jahren, und schreibe»
dann u. A.: „Die Sache war auch durch unkonstütl^
nelle Vorgänge verfahren worden" . . . „Dadarw
wurde man erst recht kopficheu, und die vom
tag beliebten Abstriche gewannen einigermaßen denCh»'
rakter emer Demonstration gegen die höchste, unoes'
antwortliche Stelle, von der man allzuvrel persönlich
Einmischung nicht will und verfassungsmäßig nicht a"
zunehmeu braucht." Wir betonen demgegenüber
verholt, daß vie Abstriche auch sachlich voll begründet
waren. _.
Aus Ray und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik sind uns jederzeit willkommen. — EtwE
Kosten werden stets sofort ersetzt.)
* Heidelberg, 10. April. (Muthmaßliches Wüiec füf
Sonntag den 11. April.) Trockenes und nur theilwenf
bewölktes und vorwiegend ausgeheitertes Wetter in Ausst^
zu nehmen. _
* Heidelberg, 10. April- Ostern naht und mit ihm
für manche» Familienvater erneute Sorge. Di: aus der
Schule emlosssne» Kinder solle» untergsbrachi werde», u«
später ein würdiges Mitglied der menschlichen GessllMfl
zu bilden. Wie mancher Knabe wird da für einen BeE
bestimmt, dm er mit Widerwillen ergreift, nur um de»
Eltern in nächster Zeit Geld zu schaff n, während sie do«
besser träten, den Knaben selbst wählen zu lassen, wen»
auch die Lehre nicht sofort mit Geldeinkünften verbunden
ist. Daß natürlich nickt immer nur der Wille des in dlf
Welt hinaastretenve» Jünglings maßgebend sein kann,, w
selbstverständlich, jedoch soll man stets erst reiflich üoer-
legen und in Zweifllsfällen erst Rücksprache mit dein
Seelsorger oder dem Lehrer nehme», ehe man den Knabe»
in ein Verhältniß einzwingt, das er m.t Unwillen erleidet-
L'. 8, oeidelSeez. 10. April. Die Volksschule bückt
mit dem gestrigen Tage wiederum auf ei» Schaff ihr zuA«
und beging den Abschluß desselben gestern Morgen 10 lM
durch eine Frier in der städtischen Turnhalle. Herr KrelS'
schnlrath Str übe hielt eine Ansprache an dis Schüler-
sowie deren Angehörige. In schlichten Worten gab der
ebengena ante Schulmann den Zöglingen, welche die Anstatt
verlassen, den Segen aus den Lebensweg und sprach, we
Hoffnung aus, daß dieselben mit zunehmendem Verstand-
niß sich immer gern an die Schulräume zurück erinnerst
werden und daß die Ächtung und Dankbarkeit gegen die
Lehrer mit jedem Jahre wachsen wird. Den Letzteren,
welche auch in diesem Jahre durch ihre treue Hingabe zü
ihrem Berufe das schwere Amt wes Herrn Kreisschulrath»
bedeutend erleichtert haben, dankte der Redner von Herzen.
Hierauf kam er auf eins Neuerung im Foctbildungsuntsc-
richt zu sprechen, die wir dem Leser nur mit knapp m Wor'
tea msttheilea- Der genannte Unterricht soll sich nicht blos
wie seither aas em- Erhaltung der gewönne «en Kmntnisfl
beschränken, sondern dis jungen Leute i r die theoretische«
Thefle des Gewerbes einfühcen, ihnen vor allem gcünfliche
Ksnntniß in der Buchführung u. s. w. verschaffen, Leider
mußte der Herr Kceisschulrcitg vielfach vis Enahrung Mä-
chen, daß eigennützige Lehrhsrren, sowie gewffsmwse Elter"
die Lehrlinge vom Besuchs des nutzbringenden Unterrichts
abhalten, was den ooengenannten Herrn zu Gewaltmitteln
nöthigts. Der Redner hofft jedoch, daß ihm in den kom-
menden Jabren solche Schritte mehr und mehr erspart
bleiben. Der Ansprache schloß sich die übliche Pceisver-
theilung an. Zwölf Preise h üte Ihre Kgl. Hoh. die Groß-
herzogin gestiftet. Durch Vortrag von Gedichten, sowie
von Chorgesängen wurde die Fner rvsientlich verschönert-
Die letztgenannte« wurden sehr korrekt und klangvoll zur
Geltung gebracht, wofür wir dem Hrn. Dirigenten ein
gutes Lob ausspcechen. Ihren Abschluß fand die Feier
in ewigen von Gesang begleiteten Stabübungen, welche von
Zöglingen beiderlei Geschlechts rech:,nett ansgeführt war-
oen. An der schule wirken 56 Lehrer, u. zwar32Haupt-
lehrer und 5 Hauptlshrerinnen, 15 U «terlehcer u. 4 Unter-
lehreriunen. Die Schülerzahl beträgt 3472.
* Heiselverg, 10. April. Der technische Assistent
Friedrich Wolff hier wurde zum Eisenbahningeneur er-
nannt und dem Großh. Maschienen-Jnipektor hier zu »etheut.
* Heidelberg. 10. April. Verhaftet wurden ein TstS-
löhner wegen fortgesetzter Ruhestörung und eine Person
«wegen Diebstahls.
* Handschuhshetm, 9. April. Am 7. ds. M-
fick der vecheicatyete 47 Jahre alte Landwicth
Pfeiffer U. dahier in seiner Scheuer von einer Höhe
von ungefähr 4 Meter herunter, wobei er sich derart
verletzte, daß er alsbald verschied.
* Plankstadt, 8. April. Am Samstag sind im
Bahnhof in Mannheim wiederum 17 Entlassungen
erfolgt und zwar aus verschiedenen Orten, die eben«
falls mit den Diebstählen, wie es scyeint, zusammen-
hängen.
* FriedrichLfeld, 8. April. Bei den Bürger-
ausschußwahlen der 3. Klaffe wurden 6 Centrums-
leute, 4 Sozialdemokraten und 2 Freisinnige gewählt.
? Mannheim, 9. April. Buchhalter Friedrich
Hochschild beim hiesigen Finanzamt wurde in gleicher
Eigenschaft zum Finanzamt Mosbach versetzt.
* Mannheim, 8. April. Die hiesige Handels-
kammer sprach alsbald nach Eintreffen der Todes-
nachricht des Herrn Staatssekretärs v. Stephan
in einem in warmen Worten abgefaßten Telegramm
an Frau v. Stephan unter Hinweisung ans die Sinn-
Verfahren vor den Schiedsgerichten knüpfen will. Dir
Reichsregierung ist nun geneigter geworden, diesen
Antrag anznnehmeu, wenn die Schiedsgerichte der
Berufsgenossenschaft fortan territorial für kleinere
Bezirke gestaltet werden. Gegen letzteres dürste der
Reichstag am wenigsten etwas einzuwenden haben.
Für die Erledigung der JnvalidenversicherungSnovelle
dagegen ist wenig Aussicht, vornehmlich aus dem
Grunde, weil sich für diese kein Mensch erwärmen kann
außer den ostpreußischen Agrariern, deren Versicher-
ungsanstalt durch eigene Schuld finanziell sehr schlecht
steht. DaS Bestreben, diese Versicherungsanstalt durch
Annahme der Novelle herauszureißen, ist selbst
bei den übrigen Agrariern des OstenS nur in höchst
geringem Maße, wenn überhaupt, vorhanden. Ob
die Beamtenbesoldungsaufbessrrung zu Stande kommen
wird, hängt ab von dem Entgegenkommen der Reichs-
regierung gegenüber den berechtigten Wünschen des
Reichstages. Dieses Entgegenkommen ist in richtiger
Eckenntniß der Lage auf Seiten der Reichsregierung
unverkennbar in einem gewissen Maße vorhanden.
Es ist aber der Ausdehnung eben so fähig wie be-
dürftig. _
Deutsches Reich.
* Berlin, 9. April. De» Morgenblättern zufolge
stehe fest, daß die Beisetzung des Stawssetretärs von
Stephan am Sonntag Mittag stattfiade. Vorher werde
eine Trauerfeier im Prunksaale des Reichspostamts
abgehalteu.
* Berlin, 9. April. Der Kaiser nahm einen
längeren Vortrag des Reichskanzlers in dessen Amts-
wohnung entgegen.
* Berlin, 9. April. Das Staatsmini sie-
rium trat um 2 Uhr Nachmittags unter dem Vor-
sitz des Reichskanzlers zu einer Sitzung zusammen.
* Berlin, 9. April. Dem „ReichZanzsiger" zu«
folge telegraphirte der Kaiser an Frau von
Stephan: „So ist denn die bange Besorgmß, daß
Gott der Herr dem theursn Lebe« Ihres Gemahls
ein Ende setzte, zur traurigen Gewißheit geworden.
Was Sie und die Ihrigen in dem Verewigten verlo-
ren haben, empfinde ich selbst am Tiefsten. Zu Ihrem
Tröste muß es gereichen, daß mit Ihnen um den
Entschlafenen Ihr Kaiser und König, das Vaterland
und die ganze Welt trauert. Wie die Geschichte die
Erinnerung an seine genialen Schöpfungen bewahren
wird, so werden die hohen Verdienste, die er sich
um das Vaterland erworben hat, und die unentwegte
Treue, die er unter vier Königen und drei Kaisern
bis zum letzten Athemzuge bethätigte, alle Zeit un-
vergessen sein. Möge Gott Ihnen und den Zangen
die ganze Fülle seines Trostes geben. Wilhelm I. U."
Der Reichskanzler telegraphirte: „Ich erhalte
mit tiefer Betrübniß die Nachricht von dem Ableben
Ihres theuren, auch von mir so hoch verehrten Ge-
mahls. Mit Ihnen betrauert das Vaterland den
Verlust eines seiner verdienstvollsten, genialsten Männer,
dem es vergönnt war, in großer Zeit Großes zu
leisten."
* München, 9. April. Er ist tatsächlich richtig,
daß Bayern seinen Obersten Militärgerichtshof bean-
sprucht. Im Bundesrath scheint ein mit der Militär-
hoheit der Krone Bayern zusammenhängendes Zuge-
ständniß in dieser Richtung bereits gemacht worden
zu sein. Für das übrige Deutschland würde aller-
dings ein Oberster Militärgerichtshof eingerichtet, aber
das bayerische Kontingent wäre ihm im Frieden nicht
unterstellt. Im Kriege jedoch wird wahrscheinlich der
bayerische Oberste Gerichtshof ruhen oder in seiner
Kompetenz beschränkt werden.
Die Unruhen auf Kreta.
* Lyon, 9. April. Der armenische Bischof von
Adana berichtet in einem Briefe von der großen Hun-
gersnoth in Armenien. Ueberall herrsche Schre-
cken. Die Ereignisse auf Kreta erregten den Fanatis-
mus der Muselmanen. Täglich sterben Unglückliche
in Folge Hungers,
* Loudon, 9. April. Die „Times" melden aus
Konstantinopel vom 8 ds.: Die Pforte hat während
der letzten Woche 3 Rundschreiben an ihre auswärti-
gen Vertreter gerichtet, in welchen sie fordert, die
griechischen Truppen sollten Kreta räumen. Ferner
protestirt die Pforte im Voraus gegen dis Einsetzung
eines europäischen Gouverneurs durch die Mächte u.
beschwerte sich über die Ungerechtigkeit, die Muhame-
daner auf Kreta zu entwaffnen, während es den Grie >
chen erlaubt sei, die Waffen zu behalten.
* London, 9. April. Die „Daily News" mel-
den aus Canea unterm 8. ds.: Das russ. Kriegsschiff
„Nicolaus" geht nach Smyrna, um Kohlen u. Pro-
viant in Erwartung der Blokade Griechenlands ein-
zunehmen. — Der Commandeur des österreichischen
Kriegsschiffes „Kronprinzessin Stefanie" erhielt einen
Brief von den Insurgenten aus Kissamo, in welchem
erklärt wird, daß bei fernerem Vorgehen der Mächte
die Insurgenten verfahren würden, als wären sie im
Kriegszustände mit denselben. Der Kamps werde
stündlich erwartet. Der österreichische Admiral wird
morgen nach Kissamo gehen. Man hält er für wahr-
scheinlich, daß die Blockhäuser zerstört werden, um sie
nicht in die Hände der Insurgenten fallen zu lassen.
* Konstantinopel, 8. April. Eine Jrade ordnet
weitere Mobilisationen an. Die Redifregimenter 20
bis 28 der sechsten beziehungsweise siebenten Division
in Anatolien werden einberufen und von denselben
gehen 16 Bataillone unverzüglich nach Macedo men
ab. — DaS hochoffiziöse türkische Blatt „Jkdam"
meldet Folgendes: Zm Auftrag des Königs Georg
begab sich der Distriktschef von Arta gestern zum
dortigen türkischen Konsul und theilte demselben mit,
daß die Befehlshaber der griechischen Truppen den
förmlichen Befehl erhalten haben, jeden Angriff auf
die türkischen Truppen zu unterlassen. Der Distrikts-
chef ersuchte den Konsul, diese Erklärung den türkischen
Truppenkommandanten zu übermitteln, was der tür-
kische Konsul sofort that. — Gestern und heute sind
2 Eisenbahnzüge mit Pferden von Muradly nach
Karaferia adgeaangen. Morgen beginnt die Beför-
derung der 7. Redifdivrsion nah Karahiffar.
Aus Baden.
Heidelberg, 10. April.
--- Die Liberale« Glätter sind zur Zeit ent-
rüstet darüber, daß der Stadtrath von Mann-
heim es unterlassen hat, an den Fürsten Bis-
marck ein Glückwunschtelegramm zu senden. Der
dortige Amtsverkündiger, der Mannheimer General-
Anzeiger, macht sein-m Herzen in den Worten Luft:
„Vielleicht erlebe» wir es noch, daß unser Stadtrath
an Eugen Richter oder Aug. Bebel Glückwunschtele-
gramme schickt. Jcht halten wir alles für möglich."
Das schönste ist, daß der Stadtrath in Mannheim
auch letztes Jahr kein Glückwunschtelegramm nach
Friedrichsruh geschickt hat, obwohl damals die National-
liberalen die Mehrheit hatte«, auch von einem „Gat-
rüstungSschrei durch die ganze Bürgerschaft" wurde
damals nichts geschrieben — Heuer hingegen herrscht
die oppositionelle Partei, da muß man schon sein Urbri-
ges thun.
— Eise Erneuerung des Dreikaiser-Bänd >
«isfes gehört, so schreibt die „Köln. Volksztg.", zu
den Möglichkeiten auf dem Gebiete der hohen Politik,
die vor einem halben Jahre ernsthaft gar nicht hätten
erörtert werden können. In überschwänglicher Weise
feierte damals das officielle und nicht officielle Frank-
reich den Zaren, und am Schluffe des Taumels fiel
sogar das Wort von der französisch-russischen Waffen-
brüderschaft. Das französisch russische Bündniß hat
sich aber in dem ganzen Verlauf der diplomatischen
Verhandlungen wegen des eigenmächtigen Verhaltes
Griechenlands nicht bewährt, und im Augenblick
unterliegt es sogar keinem Zweifel mehr, daß Minister
Hanotaux im Fahrwasser oes Lord Salisbury segelt.
Dis französische Regierung verweigerte ihre Zustimm
ung zu der Ernennung des italienischen Admirals
Canevaro zum vorläufigen Gouverneur von Kreta —
im Gegensatz zu Rußland — und sträubt sich fort
gesetzt gegen die Blokade des PwäuS — ebenfalls im
Gegensatz zu Rußland. Auf der andern Seite da-
gegen sehen wir ein Zusammengehen Rußlands,
Oesterreichs und Deutschlands, das bisher wie es
scheint, durch keine Meinungsverschiedenheit beeinträch-
tigt worden ist und wohl noch weiter andauern wird.
BemerkenSwerth ist die Entschiedenheit, mit welcher
die griechisch« Regierung neuerdings wieder von
russisch-offrciöser Seite vor der Thocheit gewarnt
wird, in ihrem Widerstand gegen den Willen der
Mehrzahl der europäischen Mächte zu verharren und
mit dem KciegSfeuer zu spielen. Die französische
Regierung hätte jetzt die beste Gelegenheit gehabt,
„Schulter an Schulter" mit Rußland zu marschieren
und Griechenland in die Schranken zu weisen; aber
nichts von alledem ist geschehen. Inzwischen bereiten
sich einige Kaiser-Begegnungen vor, Ri denen zweifel-
los auch die orientalische Frage berührt werden wird.
Am 22. ds. begibt sich Kaiser Wilhelm nach Wien,
um der dortigen Frühjahrs Parade auf Einladung
des Kaisers Franz Joseph beizuwvWen, und am 25.
April wird Kaiser Franz Joseph in Petersburg der
Gast des Zaren sein. Würde die Entwickelung der
kretensischen Frage die Folge haben, daß die Dreikaisec-
Mächte auch sonst wieder sich näher traten, so würde
diese Annäherung für den Weltfrieden eine weit größere
Bedeutung haben, als der Bestand des Dreibundes;
denn mit dem russisch-französischen Bündniß, der
Hauptgefahr für den Weltfrieden, wäre es dann ganz
aus, und möglicher Weise würde dann Frankreich
seinen Rachetraum aufgebe» müssen. Galt es bisher
schon als nahezu ausgeschlossen, daß Rußland sich
die Finger Frankreich zu Liebe verbrennen würde —
England, auf dessen Unterstützung Frankreich in Zu-
kunft angewiesen sein würde, thut es schon gar nicht.
— „Diesem Reichstage", der trotz aller Hcher-
eien und Schimpfereien gegen das „ultramontane"
Präsidium prompter und erfolgreicher arbeitet als
mancher seiner Vorgänger, wird von einzelnen geg-
nerischen Blättern, wenn auch mit großem Widerstreben
und unter einer Fluth von Vorwürfen, eine oerha
uißmäßig gute Censur ertheilt. So schreiben z-
die liberalen „Münchener Neuesten Nachrichten"
Schluffe eines längeren Artikels: „Centrum ist Trump!'
Das war und bleibt die Signatur des Reichstag
.... Immerhin muß man zugeben, daß der ReM
tag . . . neben öden Debatten eine anerkennenswert?
Summe von positiver Arbeit, von nützlichen Gesetze"
geleistet hat." Der Artikel enthält auch eine von ds
neulichen Hurrahstandpunkie des Blattes merkir«
abweichende Auffassung des Marineconflcktes.
„M. N N." erkennen an, daß der Reichstag für M
rine-Neubauten „eine erheblich höhere Summe bew"'
ligt" habe, als rn früheren Jahren, und schreibe»
dann u. A.: „Die Sache war auch durch unkonstütl^
nelle Vorgänge verfahren worden" . . . „Dadarw
wurde man erst recht kopficheu, und die vom
tag beliebten Abstriche gewannen einigermaßen denCh»'
rakter emer Demonstration gegen die höchste, unoes'
antwortliche Stelle, von der man allzuvrel persönlich
Einmischung nicht will und verfassungsmäßig nicht a"
zunehmeu braucht." Wir betonen demgegenüber
verholt, daß vie Abstriche auch sachlich voll begründet
waren. _.
Aus Ray und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik sind uns jederzeit willkommen. — EtwE
Kosten werden stets sofort ersetzt.)
* Heidelberg, 10. April. (Muthmaßliches Wüiec füf
Sonntag den 11. April.) Trockenes und nur theilwenf
bewölktes und vorwiegend ausgeheitertes Wetter in Ausst^
zu nehmen. _
* Heidelberg, 10. April- Ostern naht und mit ihm
für manche» Familienvater erneute Sorge. Di: aus der
Schule emlosssne» Kinder solle» untergsbrachi werde», u«
später ein würdiges Mitglied der menschlichen GessllMfl
zu bilden. Wie mancher Knabe wird da für einen BeE
bestimmt, dm er mit Widerwillen ergreift, nur um de»
Eltern in nächster Zeit Geld zu schaff n, während sie do«
besser träten, den Knaben selbst wählen zu lassen, wen»
auch die Lehre nicht sofort mit Geldeinkünften verbunden
ist. Daß natürlich nickt immer nur der Wille des in dlf
Welt hinaastretenve» Jünglings maßgebend sein kann,, w
selbstverständlich, jedoch soll man stets erst reiflich üoer-
legen und in Zweifllsfällen erst Rücksprache mit dein
Seelsorger oder dem Lehrer nehme», ehe man den Knabe»
in ein Verhältniß einzwingt, das er m.t Unwillen erleidet-
L'. 8, oeidelSeez. 10. April. Die Volksschule bückt
mit dem gestrigen Tage wiederum auf ei» Schaff ihr zuA«
und beging den Abschluß desselben gestern Morgen 10 lM
durch eine Frier in der städtischen Turnhalle. Herr KrelS'
schnlrath Str übe hielt eine Ansprache an dis Schüler-
sowie deren Angehörige. In schlichten Worten gab der
ebengena ante Schulmann den Zöglingen, welche die Anstatt
verlassen, den Segen aus den Lebensweg und sprach, we
Hoffnung aus, daß dieselben mit zunehmendem Verstand-
niß sich immer gern an die Schulräume zurück erinnerst
werden und daß die Ächtung und Dankbarkeit gegen die
Lehrer mit jedem Jahre wachsen wird. Den Letzteren,
welche auch in diesem Jahre durch ihre treue Hingabe zü
ihrem Berufe das schwere Amt wes Herrn Kreisschulrath»
bedeutend erleichtert haben, dankte der Redner von Herzen.
Hierauf kam er auf eins Neuerung im Foctbildungsuntsc-
richt zu sprechen, die wir dem Leser nur mit knapp m Wor'
tea msttheilea- Der genannte Unterricht soll sich nicht blos
wie seither aas em- Erhaltung der gewönne «en Kmntnisfl
beschränken, sondern dis jungen Leute i r die theoretische«
Thefle des Gewerbes einfühcen, ihnen vor allem gcünfliche
Ksnntniß in der Buchführung u. s. w. verschaffen, Leider
mußte der Herr Kceisschulrcitg vielfach vis Enahrung Mä-
chen, daß eigennützige Lehrhsrren, sowie gewffsmwse Elter"
die Lehrlinge vom Besuchs des nutzbringenden Unterrichts
abhalten, was den ooengenannten Herrn zu Gewaltmitteln
nöthigts. Der Redner hofft jedoch, daß ihm in den kom-
menden Jabren solche Schritte mehr und mehr erspart
bleiben. Der Ansprache schloß sich die übliche Pceisver-
theilung an. Zwölf Preise h üte Ihre Kgl. Hoh. die Groß-
herzogin gestiftet. Durch Vortrag von Gedichten, sowie
von Chorgesängen wurde die Fner rvsientlich verschönert-
Die letztgenannte« wurden sehr korrekt und klangvoll zur
Geltung gebracht, wofür wir dem Hrn. Dirigenten ein
gutes Lob ausspcechen. Ihren Abschluß fand die Feier
in ewigen von Gesang begleiteten Stabübungen, welche von
Zöglingen beiderlei Geschlechts rech:,nett ansgeführt war-
oen. An der schule wirken 56 Lehrer, u. zwar32Haupt-
lehrer und 5 Hauptlshrerinnen, 15 U «terlehcer u. 4 Unter-
lehreriunen. Die Schülerzahl beträgt 3472.
* Heiselverg, 10. April. Der technische Assistent
Friedrich Wolff hier wurde zum Eisenbahningeneur er-
nannt und dem Großh. Maschienen-Jnipektor hier zu »etheut.
* Heidelberg. 10. April. Verhaftet wurden ein TstS-
löhner wegen fortgesetzter Ruhestörung und eine Person
«wegen Diebstahls.
* Handschuhshetm, 9. April. Am 7. ds. M-
fick der vecheicatyete 47 Jahre alte Landwicth
Pfeiffer U. dahier in seiner Scheuer von einer Höhe
von ungefähr 4 Meter herunter, wobei er sich derart
verletzte, daß er alsbald verschied.
* Plankstadt, 8. April. Am Samstag sind im
Bahnhof in Mannheim wiederum 17 Entlassungen
erfolgt und zwar aus verschiedenen Orten, die eben«
falls mit den Diebstählen, wie es scyeint, zusammen-
hängen.
* FriedrichLfeld, 8. April. Bei den Bürger-
ausschußwahlen der 3. Klaffe wurden 6 Centrums-
leute, 4 Sozialdemokraten und 2 Freisinnige gewählt.
? Mannheim, 9. April. Buchhalter Friedrich
Hochschild beim hiesigen Finanzamt wurde in gleicher
Eigenschaft zum Finanzamt Mosbach versetzt.
* Mannheim, 8. April. Die hiesige Handels-
kammer sprach alsbald nach Eintreffen der Todes-
nachricht des Herrn Staatssekretärs v. Stephan
in einem in warmen Worten abgefaßten Telegramm
an Frau v. Stephan unter Hinweisung ans die Sinn-