Lbg. ColbuS (Els.): Wir wollen, daß im Landes-
auSschnß eine unabhängige Mehrheit sich solle bilden
können, die mit aller Energie gegen die Diktatur und
die Ausnahmezustände auftritt. Wir hoffen, daß der
Reichstag und der BuudeSrath sich ablehnend verhalten,
so darf man sich nicht wundern, wenn die Unzusrie
denheit in Elsaß Lothringen wächst und die Germani-
sirung keine Fortschritte macht.
Abg. Preiß (Els.): Der bisherige LandeSaus-
schuß verdiene nicht den Namen einer Volksvertretung.
Geh. RegierungSrath Halley widerlegt die Be-
hauptungen der Vorredner. Der Statthalter habe die
Colmarer und Mülhauser Zeitung verboten, weil sie
am 21. März einen gleichlautenden Artikel veröffent
licht hatten, in dem die Person Kaiser Wilhelm I auf
das Gröblichste beschimpft wurde. Derartige Dinge
könne man nicht hingehen lasten.
Bueb (Soz.) bestreitet, daß der erwähnte Artikel
geeignet gewesen sei, das Andenken des Kaisers zu
verunglimpfen. Er pflichte den Ausführungen der Abg
ColbuS und Preiß bezügl. des LandeSauSschusteS bei.
Bebel (Soz.) spricht über seine Erlebnisse in
Straßburg bei der Reichstagswahl im Jahre 1893.
Er sei auf Schritt und Tritt von der Krimminal-
polizei verfolgt worden. Dies sei eine Schmach und
eine Schande.
Geheimrath Halley: Der Abgeordnete Bebel hat
ür seine Behauptungen keinen Beweis hergebracht.
(Gelächter links.)
Der Antrag KolbuS wird darauf angenommen.
Dafür stimmen die Elsässer, Polen, Antisemiten, die
freisinnigen Parteien, einige Nationalliberale, das
Centrum und die Welfen.
Zweiter Gegenstand der Tagesordnung ist die
Fortsetzung der Zweiten Berathung des von den Abgg.
v. Kardorff und Gen. und den Abgg. Grafen Hom-
pesch und Gen. eingebrachten Margarinegesetzentwurfes.
Der Antrag wird mit 142 gegen 100 Stimmen
angenommen. Dafür stimmen die Consevativen mit
Ausnahme der Abg. v. Buchka, die Reichspartei mit
Ausnahme des Abz. Merdach und Müller-Harburg,
tzaS Centrum mit einzelnen Ausnahmen, die Antisemi-
ten mit Ausnahme des Abg. Klemm-Dresden und von
den Nationalliberalen die Abgg. Blaukenhorn, Roth-
barth, v. Hehl und Graf Ociola. Enthalten haben sich
6 Abgg. der Abstimmung u. A. Freiherr v. Stumm
und Graf v. Berndorf Uttzen.
Die ßs 5 und 6 werden angenommen. Zu 8 7
wird eiu Antrag Wurm (Soz.), der die im Gesetz
vorgeschriebene Anzeige an die zuständige Be-
hörde Seitens der Margarinehändler auch auf
die gewerbsmäßigen Hersteller und Verkäufer vou
Butter auSdehnen will, abgelehnt, nachdem unter
Anderm Staatssekretär vou Bötticher sich da-
gegen ausgesprochen. Der Rest deS Gesetzes
wird angenommen, der Zeitpunkt der Inkraft-
tretens wird bi» zur dritten Lesung offen gelassen.
Nächste Sitzung morgen 12 Uhr. Dritte Berathung
der AuSwanderungSgesetzeS, dritte Berathung der Mar-
garinegesetzeS. Schluß 5 35.
Ausland.
* Rom, 3. Mai. Ja der PeterSkirche sind die
Vorbereitungen zu den Heiligsprechungsfeierlichkeiten
in vollem Gange. An den Wochentagen bleibt die-
selbe bis zur Vollendung der Arbeiten Nachmittags
geschlossen.
Vom Kriegsschauplatz.
* Konstantinopel, 7. Mai. Authentisch ver-
lautet, daß der Gesandte einer Griechenland nahe-
stehenden G roßm a ch t (offenbar Rußlandr) heute
Morgen dem griechischen KabinetSchef Ralli im
Auftrage seiner Souveränr erklärt hat, wenn Griechen-
land gegenüber derKönigSfamilie loyal bleibe,
würden die Mächte dahin arbeiten, Griechenland nicht
die volle Schwere des von ihm angefachten Krieges
fühlen zu lassen; wenn jedoch das griechische Volk
die KöuigSfamilie zu einer Katastrophe führt, so
werde man unerbittlich dem Gauge der Dinge freien
Lauf lassen.
* Paris, 7. Mai. Ja politischen Kreisen glaubt
man zu wissen, daß nunmehr auch Deutsch lan d
der Vermittelung der Mächte zwischen der Tür-
ket und Griechenland zugestimmt hat, natürlich
immer unter der Bedingung, daß Griechenland eine
Intervention nachsucht.
* «onstarttiuopel, 7. Mai. Der Oberbefehls-
Haber der türkischen Truppen in Thessalien, Edhem
Pascha, meldet, daß vor Pharsala ei« furchtbarer
Kampf stattgefunden habe und daß die Griechen zu-
rückgeworfeu worden seien. Die türkische Armee habe
heute früh Pharsala selbst erobert und die ge-
sammte griechische Armee zog sich in wildester Flucht
auf DomokoS zurück.
* Lsudo«, 7. Mai. Dem „Daily Telegraph«'
zufolge erhielten alle Vertreter der Mächte in Athen
de« Auftrag, den Frieden zu vermitteln unter
der Bedingung, daß die Türken Thessalien und die
Grieche« Kreta räumeu.
* Konstantinopel, 7 Mai. Nach türkischen An-
gaben betrugen die Verluste in den Kämpfen bei
Belestino seit dem 27. vorigen Monats über 600
Mann. Die gestrigen Verluste bei dem Kampfe von
Pharsala sind verhältnißmäßig gering.
* Konstantinopel, 7. Mai. Gestern ist hier ein
Sonderzug mit 504 Mann nnd 149 Pferden und
heute von Moradly der 26. Militärtrain mit 707
Freiwilligen nach Saloniki abgegangen.
DaS große Brandunglück in Pari*.
* Pari-, 6. Mai. Die Blätter sind immer noch
angefüllt mit Berichten über die Katastrophe. Die
Geretteten erzählen ihre Eindrücke. Herr Ratschewsky,
ein junger Russe, welcher den Kinematographen in
Gang gesetzt und gezeigt hat, der an Allem schuld war,
gibt folgende Darstellung:
„Ich war gerade im Begriff, die Vorstellung zu
beenden. Ick war bis zum letzten Bilde gekommen.
Auf ein Mal ging meine Lampe ans. Der Vorsicht
halber bat ich das Publikum, sich zurückzuziehen. Aber
kaum hatte ich dieses Ersuchen zum Ausdruck gebracht,
so schoß aus meiner Lampe ein furchtbarer Blitz her-
vor, und das Feuer ergriff sofort die ringS herunter-
hängenden Stoffe. Obwohl ich selbst an der Hand
verbrannt war, stürzte ich zur Thür und riß das dort
angebrachte Tourniquet aus dem Boden, um den Aus-
gang zu erleichtern. Aber einige Sekunden hatten ge-
nügt, um den Salon, in w lchem der Kinematograph
sich befand, vollständig in Flammen zu setzen."
Miß Hogan, eine junge Dame aus Newyork, er-
zählt Folgendes:
„Ich begab mich am Dienstag in den Bazar auf
die Bitte der Herzogin von Alencon, welche meine
intime Freundin war. Als ich hinkam, war es unge-
fähr halb 4 Uhr. Der Bazar war in einem Holzbau
untergrbracht, dessen Wände etwa zwei Centimeter dick
waren. Der Bau rührte von der 1889er Weitaus
stellung her. Das Holz war trocken, wie Zündhölzer.
Soviel ich weiß, gab eS nur eine Thür, nämlich die
in der Rue Jean Goujon. Um ins Innere des Ba
zars zu gelangen, mußte man zuerst eine Treppe von
5 Stufen hinaufsteigen, dann eine andere von drei
Stufen. Der Bau selbst war lang und eng. Der
Plafond war ganz aus Leinwand. Als ich ankam,
fand ich die Herzogin von Alencon in fröhlichster
Stimmung. Sie dankte mir wärmstens für mein
Kommen. Um 4 Uhr 25 Minuten begegnete ich ihr
wieder. Sie erzählte mir, daß die G-schäfte nach
Wunsch gingen, und daß sie fast alle Gegenstände ihrer
Bude verkauft hätte. „Jetzt aber", sagte sie, „bin ich
erschöpft und wede mich einen Augenblick niedersetzen."
AlS ich diese Worte sagte, erscholl der Ruf: „Feuer!
F'Uer!" Und ich sah, daß eine Art Flammendecke
mit Blitzesschnelle am Plafond entlanglief. Ich befand
mich in diesem Moment in meiner Verkaufsstelle, der
Bude Nr. 4. Da» Feuer muß in den Buden 11,13
oder 15 begonnen haben. Die Flamme, die den Pla-
fond verzehrte, schien von einem ungeheuren, in Pe-
troleum getränkten Blatt P-pier herzukommen. Es
eutstand eine grauenhafte Panik. Der Herzog von
Alencon sprang auf einen Tisch und schrie: „Drängen
Sie nicht, wir haben die Zeit, unS Alle zu retten!"
Ich gestehe, daß ich nicht einen Augenblick seine Mei-
nung theilte. Das Feuer umhüllte uns bereit- aus
allen Seiten. Stücke brennender Leinwand fielen vom
Plafond auf die Hüte und Schulter« der Frauen. Der
Brand griff mit entsetzlicher Raschheit um sich. Bald
begannen auch die Seitenwände deS Bazars zu flam-
me«. Und nun gab es einen wahren WahnstnnSauS-
bruch. Frauen in Flammen gehüllt, liefen im Saale
herum und schrien wie die wilden Thiere im Käfig.
Instinktiv drängte Jeder nach dem einzigen bekannten
Ausgang, demjenigen nach der Rue Jean Goujon.
Jcy that wie die Andern. Als ich zur Thüre kam,
hatte ich ein entsetzliches Schauspiel vor mir: Frauen,
die zu fliehen versucht hatten, waren in ihrer ganzen
Länge auf die Erde gefallen und waren dort, da sie
nicht mehr rechtzeitig aufzustehen vermochten, von der
nachstürzenden Menge niedergetreten worden. Ein
Leichenhaufen verstopfte den AuSgang des BazarS.
Ein Lakai riß mich näch der Seite, und im Augen-
blick, wo ich zum sicheren Ort kam, stürzte der Bazar
mit gräßlichem Krachen zusammen. Bald darauf stürzte
auch fder Bretterboden ein, der etwa einen Meter
über dem Erdboden erhaben war. Der Brand dau-
erte kaum fünf Minuten. Wenn ich auch nur einen
Moment gezögert hätte, zu fliehen, so wäre ich sicher
jetzt nicht hier. Die Opfer habe« sicher vor dem Tode
furchtbar gelitten; aber ihr Todeskampf kann nicht
länger als vier bis fünf Minuten gedauert haben."
* Par», 7. Mai. Auf der Polizei sind 146
Personen als vermißt gemeldet; davon wurden 116
unter den Leichen im Jndustriepalast gefunden; 6
Leichen sind uoch nicht agnoScirt und die übrigen 24
Vermißten wurden wahrscheinlich vom Brande voll-
ständig verzehrt. Der „Figaro" eröffnet eine
Sammlung unter dem Protektorat der Fürstin
Wagram, um den Ausfall zu ersetze», dm die dtt«
durch den Brand der WohlthätigkeitSbazar er"»
haben. Der „GaukoiL" regt eine nationale Lot»
zum selben Zwecke an.
* Pari», 7/ Mü Ja fast allen großen P-r'7
Kirchen wurden heute Leichen eingeseg «''
Alle Portale sind schwarz auSzeschalgen, die Lerchs
wagen halten auf der Srraße.
Herzog Henri von Aumale .,
* Rom, 7. Mai. Wie die „Agenzia Stefa«'
bestätigend melden, ist der Herzog von Armala hem
Nacht in seiner Villa in Zuzzo auf Sizilien "
Herzschlag gestorben.
* Palermo, 7. Mai. Gestern Abend befand U
der Herzog bis Mitternacht, um welch; Zeit er siP
zur Ruhe begab, in gutem Wohlsein. Um 2 --
Min. Nachts hörte der Kammerdiener des HrrM
schweres Athmen und rief den Arzt, der jedochh"
den Tod des Herzog- feststelle« konnte. Die Leu?
wird in einem dreifachen Sarg verschlossen, nach
lermo in das Püais des Herzogs gebracht. Ts w"
eine große Trauerfeier vorbereitet. Später wird dl
Leiche nach Pans übergeführt werden. Morges
treffen von Neapel der Herzog von Chartres und »e
Herzog von Orleans, der sich ebenfalls in Neapel bk'
findet, in Zucco ein.
"Pari«, 7. Mai. Der Herzog vo"
Aumale ist gestorbr n in Folge der Erschüttern»»
über die Nachricht von dem eatsetziichen Tode der
Herzogin von Alencon.
* Paris 7. Mai. Aumale starb in letztet
Nacht in Zacco bei Parlermo, wo er sich in Bigley
tung der Gräfiin Clinchon befand. (Derselbe ist
16. Januar 1822 geboren hat also ein Alter vo"
75 Jahren erreicht.) ,
* Paris, 7. Mai. Die Nachricht vom Tobe de»
Herzogs von Anmale brachte einen tiefen Eindruck am
dessen Dienerschaft hervor; diese empfing schluchze"»
die Besucher, die ibr Beileid auSzudrücken kamen. Der
erste war Baron Rothschild. Dec Präsident der W'
publik, w-lchem die Todesnachricht durch den Inte»'
bauten des Hrrzog» überbracht wurde, sandte eine?
Ordonanzoffizier, um der Familie sein Beileid anSz»'
drücken.
Aus Baden.
Heidelberg, 8. Mai-
----- Juristische Studien. Im Hinblick auf die
Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimA
ein Ministerialertaß, daß im Lehrplan oer Universität
das deutsche Bürgerliche Recht den Mittelpunkt de»
civilrechtlichen Unterricht- zu bilden und an die buk
der gegenwärtigen Vorlesungen über Pandekten »ad
über Deutscher Privatrecht zu treten hat. Für alle
Studirenden.der R chtSwiffeuschaft, die vom Winterhalb'
jahr 1897 98 ab ihre Universitätsstudien beginnen, wirb
eine frühestens nach drei Semestern abzulegende Z^'
schenprüfung eingeführt, die sich auf 1) Römisch/
Rechtsgeschichte und System der römischen Privat«
recht«, 2) Deutsche Rechtsgeschichte und GrundzW
de- Deutschen PrivatrechtS zu erstrecken hat.
Aus Nah und Fern.
N«chrtchtk« für tztkse Rutrik find un» jeder,eit willkommen. j—
Kesten »erden stet» sdsort ersetzt.)
* H-ib-lb-rg, 8. Mai. (MutbmaßlicheS Wetter für
Sonntag, .den 9. Mai) Wärmere Temperatur trockene»
und auch mehrfach aufgeheitertes Wetter in Aussicht r»
nehmen.
* Heidelberg, 6. Mai. In der Pfingstwoche wird HA
die Versammlung der Landesgrupp: Deutschland der >»
ternationalen kriminalistischen Bereinigungen stattfinbA
Die Sitzungen werden in der Uaiverfitätsaula gehalten
werden.
* Heidelberg, 6. Mai. (Schöffengericht-fit'
ung) Abraham Adolf Bernauer von Schönau weaf?
Beleidigung 6 Tage Gefängniß. 2. Heinr. Jak. Rühle l*/
und Jakob Rühle M von Eppelheim, anaeklagt wesen
Widerstands gegen die Staatsgewalt; ersterer 5 Marr
Geldstrafe, letzterer 14 Tage Gefängniß. 3. Heinrich G,
land von Heidelberg wcae« Sachbeschädigung 30 M- Gew'
strafe. 4. Jakob Wink tt. von Handschubsheim 10 Tage
Gefängniß. 5- Karl Kehler von Bergfreiheitt, wegen HaE
friedensbruchs 10 Tage Gefängniß. 6. Peter Linnenba«
von Wieblingen wegen Körperverletzung, Widerstands Mw
Sachbeschädigung 42 Tage Gefängniß. 7. Christof JuNL
mann von Spschbach wurde von der Anklage wegen Kor'
perverlrtzung sreigesprochen. 8. Georg Kacl Herman«
Ludwig W pfler und Andrea» Wipfler von hier (KohlM
wegen Widerstands, groben Unfugs und Ruhestörung lf
60 Marl Geldstrafe. 9. Bernhard Müller, Georg Fr"
Müller, Johann Zieglec und Johann Michael Müller von
Bammenthal angeklagt wegen Widerstand», Gefangenem
befreiung, Körperverletzung und Ruhestörung: der erste
Mark Geldstrafe, der zweite 50 Mk. Geldstrafe und t
Woche Gefängniß, der dritte 46 Tage Gefängniß und der
vierte 10 Mark Geldstrafe.
* Heidelberg, S. Mai. Gestern entstand in
Frauenklinik ein kleiner Zimmerbrand, der jedoch sogl«a>
gelöscht wurde, ohne irgend welchen Schaden zuwerursachen-
Entstehungsursache ist unbekannt. Gestern wurde -ein
Jahre alter Taglöhner hier wegen Sittlichkeit-Vergehen
verhaftet und ins ÄmtSgefängniß verbracht. Einige juam
Leute kamen wegen Ruhestörung zur Anzeige.
* Ziegelhause«, 6. Mai. DaS Sänger-Gau^
verbandSfrst findet am 23. Mai in unserer Gemeinde
auSschnß eine unabhängige Mehrheit sich solle bilden
können, die mit aller Energie gegen die Diktatur und
die Ausnahmezustände auftritt. Wir hoffen, daß der
Reichstag und der BuudeSrath sich ablehnend verhalten,
so darf man sich nicht wundern, wenn die Unzusrie
denheit in Elsaß Lothringen wächst und die Germani-
sirung keine Fortschritte macht.
Abg. Preiß (Els.): Der bisherige LandeSaus-
schuß verdiene nicht den Namen einer Volksvertretung.
Geh. RegierungSrath Halley widerlegt die Be-
hauptungen der Vorredner. Der Statthalter habe die
Colmarer und Mülhauser Zeitung verboten, weil sie
am 21. März einen gleichlautenden Artikel veröffent
licht hatten, in dem die Person Kaiser Wilhelm I auf
das Gröblichste beschimpft wurde. Derartige Dinge
könne man nicht hingehen lasten.
Bueb (Soz.) bestreitet, daß der erwähnte Artikel
geeignet gewesen sei, das Andenken des Kaisers zu
verunglimpfen. Er pflichte den Ausführungen der Abg
ColbuS und Preiß bezügl. des LandeSauSschusteS bei.
Bebel (Soz.) spricht über seine Erlebnisse in
Straßburg bei der Reichstagswahl im Jahre 1893.
Er sei auf Schritt und Tritt von der Krimminal-
polizei verfolgt worden. Dies sei eine Schmach und
eine Schande.
Geheimrath Halley: Der Abgeordnete Bebel hat
ür seine Behauptungen keinen Beweis hergebracht.
(Gelächter links.)
Der Antrag KolbuS wird darauf angenommen.
Dafür stimmen die Elsässer, Polen, Antisemiten, die
freisinnigen Parteien, einige Nationalliberale, das
Centrum und die Welfen.
Zweiter Gegenstand der Tagesordnung ist die
Fortsetzung der Zweiten Berathung des von den Abgg.
v. Kardorff und Gen. und den Abgg. Grafen Hom-
pesch und Gen. eingebrachten Margarinegesetzentwurfes.
Der Antrag wird mit 142 gegen 100 Stimmen
angenommen. Dafür stimmen die Consevativen mit
Ausnahme der Abg. v. Buchka, die Reichspartei mit
Ausnahme des Abz. Merdach und Müller-Harburg,
tzaS Centrum mit einzelnen Ausnahmen, die Antisemi-
ten mit Ausnahme des Abg. Klemm-Dresden und von
den Nationalliberalen die Abgg. Blaukenhorn, Roth-
barth, v. Hehl und Graf Ociola. Enthalten haben sich
6 Abgg. der Abstimmung u. A. Freiherr v. Stumm
und Graf v. Berndorf Uttzen.
Die ßs 5 und 6 werden angenommen. Zu 8 7
wird eiu Antrag Wurm (Soz.), der die im Gesetz
vorgeschriebene Anzeige an die zuständige Be-
hörde Seitens der Margarinehändler auch auf
die gewerbsmäßigen Hersteller und Verkäufer vou
Butter auSdehnen will, abgelehnt, nachdem unter
Anderm Staatssekretär vou Bötticher sich da-
gegen ausgesprochen. Der Rest deS Gesetzes
wird angenommen, der Zeitpunkt der Inkraft-
tretens wird bi» zur dritten Lesung offen gelassen.
Nächste Sitzung morgen 12 Uhr. Dritte Berathung
der AuSwanderungSgesetzeS, dritte Berathung der Mar-
garinegesetzeS. Schluß 5 35.
Ausland.
* Rom, 3. Mai. Ja der PeterSkirche sind die
Vorbereitungen zu den Heiligsprechungsfeierlichkeiten
in vollem Gange. An den Wochentagen bleibt die-
selbe bis zur Vollendung der Arbeiten Nachmittags
geschlossen.
Vom Kriegsschauplatz.
* Konstantinopel, 7. Mai. Authentisch ver-
lautet, daß der Gesandte einer Griechenland nahe-
stehenden G roßm a ch t (offenbar Rußlandr) heute
Morgen dem griechischen KabinetSchef Ralli im
Auftrage seiner Souveränr erklärt hat, wenn Griechen-
land gegenüber derKönigSfamilie loyal bleibe,
würden die Mächte dahin arbeiten, Griechenland nicht
die volle Schwere des von ihm angefachten Krieges
fühlen zu lassen; wenn jedoch das griechische Volk
die KöuigSfamilie zu einer Katastrophe führt, so
werde man unerbittlich dem Gauge der Dinge freien
Lauf lassen.
* Paris, 7. Mai. Ja politischen Kreisen glaubt
man zu wissen, daß nunmehr auch Deutsch lan d
der Vermittelung der Mächte zwischen der Tür-
ket und Griechenland zugestimmt hat, natürlich
immer unter der Bedingung, daß Griechenland eine
Intervention nachsucht.
* «onstarttiuopel, 7. Mai. Der Oberbefehls-
Haber der türkischen Truppen in Thessalien, Edhem
Pascha, meldet, daß vor Pharsala ei« furchtbarer
Kampf stattgefunden habe und daß die Griechen zu-
rückgeworfeu worden seien. Die türkische Armee habe
heute früh Pharsala selbst erobert und die ge-
sammte griechische Armee zog sich in wildester Flucht
auf DomokoS zurück.
* Lsudo«, 7. Mai. Dem „Daily Telegraph«'
zufolge erhielten alle Vertreter der Mächte in Athen
de« Auftrag, den Frieden zu vermitteln unter
der Bedingung, daß die Türken Thessalien und die
Grieche« Kreta räumeu.
* Konstantinopel, 7 Mai. Nach türkischen An-
gaben betrugen die Verluste in den Kämpfen bei
Belestino seit dem 27. vorigen Monats über 600
Mann. Die gestrigen Verluste bei dem Kampfe von
Pharsala sind verhältnißmäßig gering.
* Konstantinopel, 7. Mai. Gestern ist hier ein
Sonderzug mit 504 Mann nnd 149 Pferden und
heute von Moradly der 26. Militärtrain mit 707
Freiwilligen nach Saloniki abgegangen.
DaS große Brandunglück in Pari*.
* Pari-, 6. Mai. Die Blätter sind immer noch
angefüllt mit Berichten über die Katastrophe. Die
Geretteten erzählen ihre Eindrücke. Herr Ratschewsky,
ein junger Russe, welcher den Kinematographen in
Gang gesetzt und gezeigt hat, der an Allem schuld war,
gibt folgende Darstellung:
„Ich war gerade im Begriff, die Vorstellung zu
beenden. Ick war bis zum letzten Bilde gekommen.
Auf ein Mal ging meine Lampe ans. Der Vorsicht
halber bat ich das Publikum, sich zurückzuziehen. Aber
kaum hatte ich dieses Ersuchen zum Ausdruck gebracht,
so schoß aus meiner Lampe ein furchtbarer Blitz her-
vor, und das Feuer ergriff sofort die ringS herunter-
hängenden Stoffe. Obwohl ich selbst an der Hand
verbrannt war, stürzte ich zur Thür und riß das dort
angebrachte Tourniquet aus dem Boden, um den Aus-
gang zu erleichtern. Aber einige Sekunden hatten ge-
nügt, um den Salon, in w lchem der Kinematograph
sich befand, vollständig in Flammen zu setzen."
Miß Hogan, eine junge Dame aus Newyork, er-
zählt Folgendes:
„Ich begab mich am Dienstag in den Bazar auf
die Bitte der Herzogin von Alencon, welche meine
intime Freundin war. Als ich hinkam, war es unge-
fähr halb 4 Uhr. Der Bazar war in einem Holzbau
untergrbracht, dessen Wände etwa zwei Centimeter dick
waren. Der Bau rührte von der 1889er Weitaus
stellung her. Das Holz war trocken, wie Zündhölzer.
Soviel ich weiß, gab eS nur eine Thür, nämlich die
in der Rue Jean Goujon. Um ins Innere des Ba
zars zu gelangen, mußte man zuerst eine Treppe von
5 Stufen hinaufsteigen, dann eine andere von drei
Stufen. Der Bau selbst war lang und eng. Der
Plafond war ganz aus Leinwand. Als ich ankam,
fand ich die Herzogin von Alencon in fröhlichster
Stimmung. Sie dankte mir wärmstens für mein
Kommen. Um 4 Uhr 25 Minuten begegnete ich ihr
wieder. Sie erzählte mir, daß die G-schäfte nach
Wunsch gingen, und daß sie fast alle Gegenstände ihrer
Bude verkauft hätte. „Jetzt aber", sagte sie, „bin ich
erschöpft und wede mich einen Augenblick niedersetzen."
AlS ich diese Worte sagte, erscholl der Ruf: „Feuer!
F'Uer!" Und ich sah, daß eine Art Flammendecke
mit Blitzesschnelle am Plafond entlanglief. Ich befand
mich in diesem Moment in meiner Verkaufsstelle, der
Bude Nr. 4. Da» Feuer muß in den Buden 11,13
oder 15 begonnen haben. Die Flamme, die den Pla-
fond verzehrte, schien von einem ungeheuren, in Pe-
troleum getränkten Blatt P-pier herzukommen. Es
eutstand eine grauenhafte Panik. Der Herzog von
Alencon sprang auf einen Tisch und schrie: „Drängen
Sie nicht, wir haben die Zeit, unS Alle zu retten!"
Ich gestehe, daß ich nicht einen Augenblick seine Mei-
nung theilte. Das Feuer umhüllte uns bereit- aus
allen Seiten. Stücke brennender Leinwand fielen vom
Plafond auf die Hüte und Schulter« der Frauen. Der
Brand griff mit entsetzlicher Raschheit um sich. Bald
begannen auch die Seitenwände deS Bazars zu flam-
me«. Und nun gab es einen wahren WahnstnnSauS-
bruch. Frauen in Flammen gehüllt, liefen im Saale
herum und schrien wie die wilden Thiere im Käfig.
Instinktiv drängte Jeder nach dem einzigen bekannten
Ausgang, demjenigen nach der Rue Jean Goujon.
Jcy that wie die Andern. Als ich zur Thüre kam,
hatte ich ein entsetzliches Schauspiel vor mir: Frauen,
die zu fliehen versucht hatten, waren in ihrer ganzen
Länge auf die Erde gefallen und waren dort, da sie
nicht mehr rechtzeitig aufzustehen vermochten, von der
nachstürzenden Menge niedergetreten worden. Ein
Leichenhaufen verstopfte den AuSgang des BazarS.
Ein Lakai riß mich näch der Seite, und im Augen-
blick, wo ich zum sicheren Ort kam, stürzte der Bazar
mit gräßlichem Krachen zusammen. Bald darauf stürzte
auch fder Bretterboden ein, der etwa einen Meter
über dem Erdboden erhaben war. Der Brand dau-
erte kaum fünf Minuten. Wenn ich auch nur einen
Moment gezögert hätte, zu fliehen, so wäre ich sicher
jetzt nicht hier. Die Opfer habe« sicher vor dem Tode
furchtbar gelitten; aber ihr Todeskampf kann nicht
länger als vier bis fünf Minuten gedauert haben."
* Par», 7. Mai. Auf der Polizei sind 146
Personen als vermißt gemeldet; davon wurden 116
unter den Leichen im Jndustriepalast gefunden; 6
Leichen sind uoch nicht agnoScirt und die übrigen 24
Vermißten wurden wahrscheinlich vom Brande voll-
ständig verzehrt. Der „Figaro" eröffnet eine
Sammlung unter dem Protektorat der Fürstin
Wagram, um den Ausfall zu ersetze», dm die dtt«
durch den Brand der WohlthätigkeitSbazar er"»
haben. Der „GaukoiL" regt eine nationale Lot»
zum selben Zwecke an.
* Pari», 7/ Mü Ja fast allen großen P-r'7
Kirchen wurden heute Leichen eingeseg «''
Alle Portale sind schwarz auSzeschalgen, die Lerchs
wagen halten auf der Srraße.
Herzog Henri von Aumale .,
* Rom, 7. Mai. Wie die „Agenzia Stefa«'
bestätigend melden, ist der Herzog von Armala hem
Nacht in seiner Villa in Zuzzo auf Sizilien "
Herzschlag gestorben.
* Palermo, 7. Mai. Gestern Abend befand U
der Herzog bis Mitternacht, um welch; Zeit er siP
zur Ruhe begab, in gutem Wohlsein. Um 2 --
Min. Nachts hörte der Kammerdiener des HrrM
schweres Athmen und rief den Arzt, der jedochh"
den Tod des Herzog- feststelle« konnte. Die Leu?
wird in einem dreifachen Sarg verschlossen, nach
lermo in das Püais des Herzogs gebracht. Ts w"
eine große Trauerfeier vorbereitet. Später wird dl
Leiche nach Pans übergeführt werden. Morges
treffen von Neapel der Herzog von Chartres und »e
Herzog von Orleans, der sich ebenfalls in Neapel bk'
findet, in Zucco ein.
"Pari«, 7. Mai. Der Herzog vo"
Aumale ist gestorbr n in Folge der Erschüttern»»
über die Nachricht von dem eatsetziichen Tode der
Herzogin von Alencon.
* Paris 7. Mai. Aumale starb in letztet
Nacht in Zacco bei Parlermo, wo er sich in Bigley
tung der Gräfiin Clinchon befand. (Derselbe ist
16. Januar 1822 geboren hat also ein Alter vo"
75 Jahren erreicht.) ,
* Paris, 7. Mai. Die Nachricht vom Tobe de»
Herzogs von Anmale brachte einen tiefen Eindruck am
dessen Dienerschaft hervor; diese empfing schluchze"»
die Besucher, die ibr Beileid auSzudrücken kamen. Der
erste war Baron Rothschild. Dec Präsident der W'
publik, w-lchem die Todesnachricht durch den Inte»'
bauten des Hrrzog» überbracht wurde, sandte eine?
Ordonanzoffizier, um der Familie sein Beileid anSz»'
drücken.
Aus Baden.
Heidelberg, 8. Mai-
----- Juristische Studien. Im Hinblick auf die
Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimA
ein Ministerialertaß, daß im Lehrplan oer Universität
das deutsche Bürgerliche Recht den Mittelpunkt de»
civilrechtlichen Unterricht- zu bilden und an die buk
der gegenwärtigen Vorlesungen über Pandekten »ad
über Deutscher Privatrecht zu treten hat. Für alle
Studirenden.der R chtSwiffeuschaft, die vom Winterhalb'
jahr 1897 98 ab ihre Universitätsstudien beginnen, wirb
eine frühestens nach drei Semestern abzulegende Z^'
schenprüfung eingeführt, die sich auf 1) Römisch/
Rechtsgeschichte und System der römischen Privat«
recht«, 2) Deutsche Rechtsgeschichte und GrundzW
de- Deutschen PrivatrechtS zu erstrecken hat.
Aus Nah und Fern.
N«chrtchtk« für tztkse Rutrik find un» jeder,eit willkommen. j—
Kesten »erden stet» sdsort ersetzt.)
* H-ib-lb-rg, 8. Mai. (MutbmaßlicheS Wetter für
Sonntag, .den 9. Mai) Wärmere Temperatur trockene»
und auch mehrfach aufgeheitertes Wetter in Aussicht r»
nehmen.
* Heidelberg, 6. Mai. In der Pfingstwoche wird HA
die Versammlung der Landesgrupp: Deutschland der >»
ternationalen kriminalistischen Bereinigungen stattfinbA
Die Sitzungen werden in der Uaiverfitätsaula gehalten
werden.
* Heidelberg, 6. Mai. (Schöffengericht-fit'
ung) Abraham Adolf Bernauer von Schönau weaf?
Beleidigung 6 Tage Gefängniß. 2. Heinr. Jak. Rühle l*/
und Jakob Rühle M von Eppelheim, anaeklagt wesen
Widerstands gegen die Staatsgewalt; ersterer 5 Marr
Geldstrafe, letzterer 14 Tage Gefängniß. 3. Heinrich G,
land von Heidelberg wcae« Sachbeschädigung 30 M- Gew'
strafe. 4. Jakob Wink tt. von Handschubsheim 10 Tage
Gefängniß. 5- Karl Kehler von Bergfreiheitt, wegen HaE
friedensbruchs 10 Tage Gefängniß. 6. Peter Linnenba«
von Wieblingen wegen Körperverletzung, Widerstands Mw
Sachbeschädigung 42 Tage Gefängniß. 7. Christof JuNL
mann von Spschbach wurde von der Anklage wegen Kor'
perverlrtzung sreigesprochen. 8. Georg Kacl Herman«
Ludwig W pfler und Andrea» Wipfler von hier (KohlM
wegen Widerstands, groben Unfugs und Ruhestörung lf
60 Marl Geldstrafe. 9. Bernhard Müller, Georg Fr"
Müller, Johann Zieglec und Johann Michael Müller von
Bammenthal angeklagt wegen Widerstand», Gefangenem
befreiung, Körperverletzung und Ruhestörung: der erste
Mark Geldstrafe, der zweite 50 Mk. Geldstrafe und t
Woche Gefängniß, der dritte 46 Tage Gefängniß und der
vierte 10 Mark Geldstrafe.
* Heidelberg, S. Mai. Gestern entstand in
Frauenklinik ein kleiner Zimmerbrand, der jedoch sogl«a>
gelöscht wurde, ohne irgend welchen Schaden zuwerursachen-
Entstehungsursache ist unbekannt. Gestern wurde -ein
Jahre alter Taglöhner hier wegen Sittlichkeit-Vergehen
verhaftet und ins ÄmtSgefängniß verbracht. Einige juam
Leute kamen wegen Ruhestörung zur Anzeige.
* Ziegelhause«, 6. Mai. DaS Sänger-Gau^
verbandSfrst findet am 23. Mai in unserer Gemeinde