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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Juni 1897
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Nr. 141
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0582

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für Fugger (Centrum) 2367, für Wintermeyer (Freis.
VolkSP.) 6464. — DaS Wahlresultat liegt jetzt
au- 100 Orte« vor. Sechs kleine Orte fehlen noch.
Wintermeyer erhielt 13,587, Fugger 8767 Stimmen.
Wintermeyer ist somit gewählt. Die Sozialdemokra-
ten Wiesbadens haben meist Stimmenthaltung beobach-
tet und an anderen Orten den Centrumskandidaten
Fugger gewählt.

Deutscher Reichstag
Berlin, 23. Juni.
Am BundeSrathstische Handels Minister Brefeld.
Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung um 1 Uhr
15 Min.
Fortsetzung der dritten Berathung des Gesetzent-
wurfes betr. Abänderung der Gewerbeordnung (Hand-
Werkervorlage). Die Berathung beginnt mit 8 82.
Z 82 wird mit einer redaktionellen Äenderung gemäß
dem Beschlüsse der 2. Lesung angenommen, ebenso
eine Reibe weiterer Pharagraphen.
Zu Z 91 befürwortet Abg. Stadthagen (Soz.)
einen Antrag Auer, dessen Berathung auf Antrag des
Abg. Gamp jedoch vorläufig wieder zurückgestellt
wird.
Zu 8 91b befürwortet Abg. Stadthagen (Soz)
einen Antrag Auer, wonach die Nothfrist von 10 Ta-
gen, binnen welcher gegen die Entscheidungen des
JnnungsschiedsgerichtS die Klage beim ordentlichen
Gericht erhoben werden kann, auf 1 Monat ausge-
dehnt wird. Der Antrag wird angenommen.
Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Fischbeck (fr.
Vpt.) und Gamp (Reichsp.) zu 8 94« wird ein Zu-
satzantrag Hitze-Jakobskötter angenommen, wonach die
Ueberwachung der Betriebsräume und der für die
Unterkunft der Lehrlinge bestimmten Räume durch
Beauftragte der Innungen nicht auf die Räume aus-
gedehnt werden soll, welche Bestandtheile landwirth
schaftlicher oder fabrikmäßiger Betriebe sind. Hierzu
sprechen Abg. Gamp (Reichs.) und Richter (fr. Bpt.)
Zu 8 100 beantragt Abg. Richter (fr. Vpt.) den
PasfuS der Kommission zu streichen, wonach daS Vor-
handensein von 20 beitragspflichtigen Handwerkern in
einem Bezirk zur Bildung einer Innung ausreichend
sein soll. Diese Bestimmung sei schablonenhaft.
Handelsminister Brefeld stimmt dem Vorredner
zu. Man dürfe sich nicht auf eine bestimmte Zahl
festlegen. Die Hauptsache ist die Bildung leistungs-
fähiger Innungen.
Abg. Bassermann befürwortet eine redaktionelle
Äenderung zu 8 100, Dr. Hitze eine zweite redaktio-
nelle Äenderung. Der Antrag Richter und die re-
daktionellen Aenderungen werden angenommen. Zu
tz 100 k wird ein redaktioneller Antrag Bassermann
angenommen. Abg. Richter beantragt den Absatz 2
der 8 100 k zu streichen, der von der Zugehörigkeit
der Handwerker in landwirthschaftlichen oder gewerb-
lichen Betrieben zur Innung handelt. Der Antrag
wird mit 143 gegen 110 Stimmen abgelehnt. Prinz
Alexander Hohenlohe stimmt für den Antrag Richter.
Die Reformpartei hat sich der Abstimmung enthalten.
Zu 8 100« beantragt Richter Wiedereinsetzung
eines in 2. Lesung gestrichenen Passus der Regierungs-
vorlage, wonachJnnungSkrankenkassen geschlossen werden
können, wenn durch ihr Fortbestehen die Leistungsfähig-
keit der betreffenden Ortskrankenkassen gefährdet wird.
Der zu 8 129 gestrichene Kommissionszusatz, wo-
nach vom 1. Januar 1908 ab nur zur Führung
des Meistertitels Berechtigte Lehrlinge halten
dürfen, wird als Antrag von den Abgg. Liebermann
v. Sonnenberg und v. BernStorff-Ulzen wieder auf-
genommen. — HandelSminister Brefeld spricht sich
entschieden gegen den Antrag aus, dem die verbünde-
ten Regierungen nicht zustimmen würden. Wir haben
die Vorlage du'ch viele Klippen hindurchgesteuert, be-
packen Sie sie jetzt mit dieser Bestimmung, so geht
das Fahrzeug unter. (Beifall und Unruhe.) — Culer
(Ctr.) spricht für den Antrag. Der Antrag wird ab-
gelehnt.
Bei den UebergangSbestimmungen des Artikels 6
beantragt Richter (fr. Vp.) die in der 2. Lesung
hinzugefügte Bestimmung zu streichen, daß die bis-
herigen pcivilegirten Innungen auf Mehrheitsbeschluß
in Zwangsinnungen verwandelt werden können. Red-
ner beantragt hierzu namentliche Abstimmung. Der
Antrag wird mit 170 gegen 126 Stimmen abgelehnt.
Singer (Soz.) beantragt Vertagung, da seine Partei
Anträge vorbereite, welche den Gesetzentwurf bezüglich
der Konfektionsbranche in den vorliegenden hinein-
arbeiten wollen. Präsident v. Buol konstatirt noch
die Annahme der Artikel 7 bis 9 und schlägt vor,
die nächste Sitzung morgen mit folgender Tagesord-
nung abzuhalten: 1. Rest der heutigen Tagesord-
ordnung, 2. 3. Lesung des ServistarifeS, 3. Nachtrags-
etat. Schluß 5z/i Uhr.

Ausland.
* Wie«, 23.Juni. Kaiser Franz Joseph
empfing heute Vormittag den König von Siam,
welcher sich von dort aus nach der kaiserlichen Gruft

begab, woselbst er vorher einen prachtvollen Kranz
am Sarge der Kronprinzen hatte niederlegen
lassen. Der König blieb einige Zeit am Sarge des
Kronprinzen und machte sodann einen Rundgang
durch die Gruft. An Auszeichnungen hat der König
dem Minister Goluchowsky, dem Grafen Badeni, so-
wie dem Chef des Generalstabes, Freiherr v. Beck,
den Weißen Elefantenorden verliehen.
* Prag, 22. Juni. Die bereit- ertheilte Bewil-
ligung zur Abhaltung der Hauptversammlung der
Bunde- der Deutschen in Böhmen und des twmit
verbundenen Bundesfestes in Aussig wurde von der dor-
tigen Bezirkshauptmannschaft wieder zurückgenommen.
Dem Feste sollten 42 ausländische und 52 inländische
Vereine beiwohnen.
* Brüssel, 22. Juni. Nach einer eingehenden
Antwort seitens des Ressortministers auf die Re-
den der Gegner und die Zurückweisung eines
BertagungSantcages der Linken nahm die Kammer
mit 79 gegen 59 Stimmen die Vorlage betreffend
den Antrag der Grand Centralbahn und der lim-
burgischen Bahnen an. Die Vorlage für den An-
kauf der Linie Eecloo-Brügge wird auf eine spätere
Zeit verschoben. Morgen wird das Kabiuet wegen
der Rede des Königs bezüglich der Herresreform
interpelliert.

Vom Kriegsschauplatz.
* Athen, 23. Juni. Eine Privatdepesche aus
Kanea versichert, daß die Versammlung der Aufstän-
dischen in ArmenoS beschlossen habe, jede weitere Be-
rathung bis nach dem Abschlüsse des Friedens
zwischen Griechenland und der Türkei zu vertagen.
Die kretischen Insurgenten sehen dem Borrücken der
europäischen Truppen in das Innere der Insel mit
Mißtrauen entgegen und befürchten die Errichtung
der Autonomie unter Mitwirkung türkischer Truppen.
* Konstantinopel, 22. Juni. Der türkische
Minister des Aeußern Tewfik Pascha hat am Samstag
einigen Gesandten, besonders der Balkanländer erklärt,
die Türkei gedenke unter keinen Umständen Thessalien
preiszugeben. In Botschafterkrersen glaubt man, bei
der obigen Erklärung handele es sich um eine absicht-
liche Irreführung der Vertreter der Balkanstaaten.
In der letzten Konferenz habe Tewfik im Gegensätze
zu der erwähnten Erklärung thatsächlich Fühlung
genommen, um eine erweiterte Grenzregulirung, die
einige griechische Ortschaften einbegreifen würde,
herauSzuschlagen, da die Botschafter vorläufig darin
übereiustimmen, in die Grenzregulirung nur unbewohntes
Terrain einzubeziehen. Die Botschafter zogen gestern
in ihrer Privat Reunion in Erwägung, die In-
demnitäts-Kommission, bestehend aus Testa, Law,
Princig von Herwalth und DucoS, zum Studium
einiger Fragen nach Athen zu entsenden. Die Kom-
mission stellt jetzt das zukünftige griechische Budget
fest und beräth über die Angelegenheit wegen der
künftigen Einrichtung einer Dette publique für Griechen-
land. Sie dürfte bei der sachgemäßen Behandlung,
welche die 'Materie seitens aller Delegirten findet,
auch in der Frage der Summe der Kriegsentschädigung
eine baldige Einigung erzielen.

Zum 60.Regierungszubilaum der Königin
Victoria von England.
* Loudon, 23. Juni. Die „Times" sagt heute
in ihrem Leitartikel, die ganze Menschenmenge, die
gestern auf den Beinen war, habe unter großer Be-
geisterung das Bestreben gezeigt, ihre echten u. leben-
digen Sympathien für die verehrte Königin durch
Wort und That zum Ausdruck zu bringen. Alle die
unvermeidlichen Unbequemlichkeiten, das Gedränge auf
den Straßen, die Schwierigkeiten der Fortbewegung,
das frühe Aufstehen, das lange Fasten, die Müdigkeit
durch langes Sitzen — alles konnte das Temperament
des Volkes nicht dämpfen und den Enthusiasmus nicht
einschränken. „Wir sind überzeugt, daß das Herz der
Königin, das immer mit dem des Volkes geschlagen
hat, unter diesen Würdigungen warm geworden ist.
Diejenigen, welche die Thatsache des unerschöpflichen
Patriotismus und der praktischen unerschöpflichen Hilf s-
mittel der britischen Reiches vergessen haben sollten,
werden durch die Kundgebung daran erinnert. Uns
hat der Festzug nicht weniger klar bewiesen, daß die
Monarchie jetzt auf dem breitesten und festesten Fun-
dament ruht, breiter und fester als in irgend einer
früheren Zeitperiode.
* London, 23. Juni. Die Illumination
der Stadt am gestrigen Abend war von einer nie da-
gewesenen Pracht. Die schaulustige Menge drängte
sich bis gegen Mitternacht durch die glänzend erleuch-
teten Straßen. Trotz dieser ungeheuren wogenden
Menschenmassen sind weder am Tage noch am Abende
ernste Unfälle gemeldet worden.
* London, 23. Juni. Aus allen Theilen des
britischen Reiches, von Hongkong bis Cap Vancouver,
von den Ost- und Westküsten Afrika-, Australiens usiv.

laufen Berichte über festliche Veranstaltungen r>ü-
Nur in Ostindien war die Feier ernst infolge der Pest
und der HungerSnoth. In Kalkutta und Bombay
wurden öffentliche Subskriptionen, Speisungen ber
Armen und andere Liebeswerke veranstaltet.
* London, 22. Juni. Anläßlich der Jubelfeier
wurden in England 2000 Gefangene freigelassen, dar-
unter 400 Galeerensträflinge. Der Präsident der
Bereinigten Staaten von Nordamerika richtete eilt
eigenhändiges Glückwunschschreiben an die Königin.
* Dublin, 23. Juni. Auf dem Stadthause wurde
gestern von einigen Personen eine schwarze Flagge
auf Halbmast gehißt. Dieselbe wurde nach einer hal-
ben Stunde wieder heruntergeholt und durch die
Straßen getragen unter dem Geleite eines ZugeS mit
Stöcken bewaffneter Männer, die daS „Gott schützt
England" sangen. Die Demonstranten wurden schließ'
lich durch die Polizei zerstreut. Ein anderer Zug
trug durch die Straßen einen Sarg mit der Iw
schrift: „DaS britische Reich." Eine ihn begleitende
Musikbande spielte einen Trauermarsch. Eine gewaltige
Volksmenge bildete das Gefolge. Auf dem Wege, den
der Zug nahm, wurden viele Fensterscheiben durch
Steinwürfen zertrümmert.

Aus Baden.
Heidelberg, 24. Juni.
— Im Reichstage gehen die Geschäfts-
Dispositionen, so weit sich bis jetzt übersehen
läßt, der „Nardd. Allz. Ztg." zufolge, dahin, daß
zunächst die dritte Lesung der Vorlage betr. die Hand«
werker-Organisation durchgeführt wird. AlSdaus sollen
die Besoldungsvorlage und die Nachtragsetats zur
dritten Lesung gelangen. Weiterhin soll der Gesetz-
entwurf betr. den Servistarif und die Klasseneinthei-
lung der Orte, welcher ebenfalls noch der dritten
Lesung harrt, erledigt werden. Außerdem dürfte noch
die Entscheidung über die Wahl des Abg. Merz ge-
troffen werden. An die Erledignng weiterer Vorlagen
und Anträge ist schwerlich zu denken.
--- Herr Dr. Bö-iker, der Präsident deS
Reichs-BersicherungsamtS, veröffentlicht folgende Dank-
sagung :
„AuS Anlaß meines Ausscheidens auSdemReichS-
VersicherungSamte sind mir so viele Beweise wohl-
wollender Gesinnung in telegraphischer und brieflicher
Horm aus dem Inland und Ausland zugegangen und
laufen noch fortgesetzt ein, daß eS mir zur Zeit nicht
möglich ist, dieselben sämmtlich einzeln, wie ich eS
gern möchte, zu beantworten. Indem ich mir dies
für später Vorbehalte, darf ich einstweilen allen denen,
die in solcher W-ise mich erfreut und mir das Aus-
scheiden aus dem mir lieb gewordenen Amte erleichtert
haben, zunächst auf diesem Wege meinen herzlichsten
Dank aussprechen."
--- Nicht -er „Meergott mit dem Dreizack",
sondern der gute alte „Vater Rhein" ist an
dem Postament des Kölner Kaiserdenkmals gegenüber
der Colonia mit dem Oelzweig angebracht. Die „Köln.
Volksztg." hat schon gleich nach der Kaiserrede
darauf aufmerksam gemacht, daß dem Kaiser, welcher
seine Anspielung auf die Frage der Flottenver-
mehrung an den „Meermann mit dem Dreizack"
anknüpfte, hiebei eine Verwechslung passirt sei. Der
„Vater Rhein" in seinem freundlichen Reben-
schmuck ist allerdings eine weit friedlichere und harm-
losere Figur, als der finstere Meergott „Aegir,
Herr der Fluthen, dem Nix und Neck sich
beug t". Gegenüber den Worten des Kaisers: „Der
Dreizack gehört in unsere Faust. Und Ich denke, die
Kölner Bürgerschaft ist eine von denen, die dies am
besten verstehen wird", bemerkt die „Köln. VolkSztg.":
„Anscheinend hat der Kaiser hier an die Flottenver-
mehrung gedacht; eS ist bekannt, daß in dieser Bezie-
hung die weit überwiegende Mehrheit der Bürgerschaft
die Anschauungen Sr. Majestät nicht theilt."

Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik sind und jederzeit willkommen. I— Ltwota«
»osten werden stet« sofort ersetzt.) "
* Heidelberg, 24. Juni. (Muthmaßliches Wetter für
Freitag, den 25. Juni.) Vorwiegend heiteres Wetter
bei zunehmender Wärme in Aussicht zu nehmen.
* Heidelberg, 24. Juni. In der? Stadtrathssitzung
vom 22. ds. Mts. wurden u- a. folgende Gegenstände zur
Kenntniß bezw. Erledigung gebracht:
1. Die von der Kais. Oberpostdirektion Karlsruhe über-
sandte Denkschrift über die Entwickelung des Poft- und
Teiearaphenverkehrs im Großherzogthum Baden von l872
bis 1896 wird dankend entgegengenommen.
2. Nach einer Mitthcilung der Etadtbezirksforstei find
die zur Sicherung gegen Fels- rc. -Abstürze bei der Jetta-
höhle angeordneten Arbeiten nunmehr beendigt.
3. Die Vergebung der Stellung der Leichenfuhren in
der Zeit vom 1. April 1898 bis dahin 1903 erfolgt nach
dem Anträge der Friedhofkommisfion.
4. Das städtische 3V»° » Anlehen im Betrage von 2V,
Mill. M. wird dem Consortium Rheinische Creditbauk,
W. H. Ladenburg und Söhne und Genossen um ihr Offert
von 100.51°/- gegeben.
5. Die Vergebung der Maurer-, Zimmer- u. Schreiner-
arbeiten zu dem bei der Schlierbach-Ziegelhäuser Fähre zu
 
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