Stande gebrachten Vereinbarungen Miederspruch er-
heben zu können. Dieser Ambition, wenn sie wirklich
besteht, müßte im gemeinsamen europäischen FriedenS-
iuteresse energisch entgegengetreten werden. DaS
Spiel hat wirklich lange genug gedauert und lange
genug die Welt politisch und wirthschaftlich beunrnhigt.
Griechenland hat die Vermittelung der Mächte ange-
rufen u. angenommen in einem Augenblick, als eS geschla-
gen u. so gut wie wehrlos dem weiteren Vormarsch der
Türken gegenüberstand. Die Machte sind der Türkei
zum Schutze Griechenlands in die Arme gefallen.
Dar würde in dieser Weise nicht geschehen sein, wenn
Griechenland nicht in völkerrechtlich verbindlicher Form
die Wahrung seiner Interessen bei den Friedensver-
Handlungen in die Hände der Mächte gelegt hätte.
ES bestand damals kein Zweifel, daß Griechenland
damit auch die Verpflichtung übernahm, das zu
accrptiren, was die Mächte in den Friedenverhand-
lungen der Türkei gegenüber durchsetzten und verein-
barten. ES hat kein Recht, die Bevollmächtigten, an
dir es sich in kritischem Momente gewandt hat, jetzt
zu desavouiren. ES hat auch sachlich keinen Grund
dazu; denn wenn natürlich auch die FriedenSbeding-
ungen für jeden besiegten Staat nicht leicht sind, so
haben die Mächte doch erfolgreich die ursprünglichen
türkischen Forderungen auf ein erträgliches Maß
herabgemiudert. Die Finanzkontrole, die Griechen-
land mit der Zeit selbst als einen Segen empfinden
wird, hat eS sich nicht nur durch seine Niederlage,
sondern schon längst durch seine Finanzgebahrung zu-
gezogen. Diese Gründe müßten die griechische Re-
gierung veranlassen, auch mit aller Kraft die nach
der Verfassung »othwendige Genehmigung der Kammer
zu dem FriedenSvertrage durchzusetzen. Sie kann sich
nicht in Täuschung befinden, daß die Mächte nicht
weiterhin mit sich spaßen lassen werde».
Ausland.
* Wie«, 23. Sept. Dar Abgeordnetenhaus trat
heute zusammen. Die Sitzung ist überaus zahlreich
besucht. Als Badeni aus der Ministerbank erschien,
riefen die Schönerianer: „Hoch Badeni, Begründer
der deutschen Einigkeit!- wa- von der Rechten mit
Gelächter ausgenommen wurde. Alterspräsident Zurkan,
hielt eine Eröffnungsrede, die mit ironischen Zwischen-
rufen seitens der Linken begleitet wurde. Als er mit
einem Hoch auf den Kaiser schloß, rief Schönerer:
„Und das deutsche Volk lebe hoch!", welches die Linke
dreimal anstimmte. Wolf schrie: „Nieder mit Badeni!",
Pergelt beanstandete, daß nicht geschäftsordnungsgemäß
eine Thronrede gehalten werde. Der AlterSpräsient
erklärte, daß ihn daS nichts angehe. Gregorig erklärte,
erfahre» zu haben, daß sich 16 als Diener verkleidete
Polizisten im Hause befinde». Großer, lang an-
haltender Lärm; Rufe: „Hinaus mit der Polizei!"
Der Alterspräsident sagte, ihm sei nichts bekannt und
leitete die Wahl der Präsidenten ein, während die
Linke gegen den Präsidententisch herandrängte. Die
Angerufenen konnten nur eine zeitlang gar nicht,
später nur mit Mühe ihre Stimmen abgeben. Unter
fortwährendem Lärm und Zwischenrufen wurde
schließlich die Stimmabgabe beendet.
* Fiume, 23. Sept. Nach den Aussagen der ge-
retteten Passagiere von dem untergegangenen Dampfer
„Jka" werden ungefähr 16 Personen vermißt, darun-
ter der Fiumer Holzhändler Mattheo Podjen. Als
ertrunken festgestellt sind der Professor Dr. Johann
Kopalik aus Wien und der Pfarrer PaobcioS von
Santa Lucia. Als sehr auffallend wird bemerkt, daß
mit Ausnahme eine- Schiffsjungen die gesammte
Mannschaft gerettet ist. Die Zahl der Verunglückten
konnte immer noch nicht festgestellt werden.
* Stockholm, 23. Sept. DaS KönigSpaar em-
pfing gestern Mittag im Schloßhofe einen Aufzug
von 1500 Studenten schwedischer Universitäten, deren
Wortführer dem.König die Huldigungen der akademi-
schen Jugend darbrachte. Am Abend sand ein
Galaballstatt, zu welchem 3000 Einladungen ergangen
waren.
* Hazüeto«, 22. Sept. Der Aufstand in der
Umgegend von Hazlleton ist nunmehr beigelegt.
* Athen, 22. Srpt. In einer heute Abend auf
dem Eintrachtsplatze abgehaltenen Versammlung
erklärte ein Redner, Griechenland nehme einen
solchen Frieden nie an. Dir Menge verbrannte
lärmend den T-xt deS Vertrages.
* Kauen, 22. Sept. Die Aufständischen über-
fielen gestern bei Kandia aus dem Hinterhalte Musel-
manen, raubten über 200 Stück Vieh und tödteten
2 Hirten, die sie verstümmelte». Der Brand der
Ostvenpflanzungen in der Umgegend von Retymnon
dauert fort.
Aus Baden.
Heidelberg, 24. September.
--- Z« -e« LandtagSwahle» Ja einer am
letzten Mittwoch in Heidelberg zahlreich besuchten
Bertraue»S«äunerversammlung wurde für de» Wahl-!
bezirk WieSloch-Heidelberg Herr Bürger-
meister Maier voa Malsch als CeatrumSkan-
didat aufgestellt. Derselbe hat die Kandidatur bereits
angenommen. _ck
--- Z« de« Landtag-Mahle« Der Cmtrums-
Wahlvorstand für den Wahlbezirk der Stabt Maua-
heim hat beschloss:», den Cmtrumrwählern vorzu-
schlagen, bei der bevo-stehenden Landtagswahl dieselbe
Haltung wie im Jahre 1895 z r beobachten.
— Zur ErzdifchofSfrage. Elf volle Monate
sind nunmehr verflossen, seit Erzbischof Dr. RooSaus
dem Leben schied, und immer noch steht die Frage der
Wiederbesetzung des erzbischöfl ch-n Stuhles auf dem
Punkte, daß die grobherzogliche Regierung eS bereits
seit zehn Monaten unterläßt, auf der Candidatenliste
die etwaigen unliebsamen Candidaturen als solche zu
bezeichnen und die Liste dem Domkapitel zur Vor-
nahme der Bischofswahl zurückzusenden. Immer mehr
gewinnt eS den Anschein, als sollte.die SrdiSvacrnz
noch von längerer Dauer sein. In Rom hat man
dieser wohl auch vorausgesehen; denn Papst Leo Xill.
hat, wie aus einer Veröffentlichung im amtlichen An-
zeigeblatt für die Erzdiözese Freiburg hervorgeht, dem
ErzbisthumSverweser, Weihvischof Dr. Knecht die
Vollmacht ertheilt, die Pfründen freier Col-
latur zu besetzen. Voa den 764 Pfarreien der
Erzdiözese steht bei etwa 360 dem Erzbischof die freie
Collatur zu.
— Der Reichstag soll, der Deutschen TageSztg.
zufolge, jedenfalls nicht vor der zweiten Hälfte deS
November zusammentreten. Als erste Vorlage soll
ihm ein selastständiges Gesetz über die Entschädig-
ung unschuldig Berurtheilter zugehen.
— Die Stichwahl in dem zur Provinz Lüttich
gehörigen Wahlkreise Waremme hat mit dem Sieg des
katholischen Candidaten geendet. Seine Mehrheit be-
trägt 727 Stimmen. Der Wahlkreis ist je zur Hälfte
vlämisch und wallonisch; mit Ausnahme einiger be-
deutender Zuckerfabriken, welche in Waremme selbst,
also im wallonischen Theile gelegen sind, hat der letz-
tere gar keine industriellen Betriebe. Bis vor wenigen
Jahren gehörte er zu den sicheren liberalen Wahl-
kreisen. Erst dem Eingreifen des neulich verstorbenen
CartuyvelS gelang eS, den Kreis dem Liberalismus
zu entreißen. Er war zeitlebens ein für die Hebung
der Landwirthschaft mit Begeisterung thätiger Groß-
grundbesitzer. In weiten Kreisen herrschte die Ansicht,
daß mit seinem Verschwinden der Kreis an den Liber-
alismus verloren gehen werde. Die Urheber der
neuen liberalen Allianz, BulS, Feron und Finet,
nahmen die Oberleitung des Wahlfeldzuger. DaS
Ergebniß war so kläglich wie möglich: der liberale
Kandidat, der früher gegenüber dem College» des
Abgeordneten CartuyvelS in die Stichwahl gekommen
war, erhielt die wenigsten Stimmen, und an seine
Stelle rückte der bei den letzten Wahlen kaum in
Betracht gezogene sozialistische Kandidat in die
Stichwahl. Der Liberalismus hatte über 3000 Stim-
men zu Gunsten deS Sozialismus verloren, welcher
namentlich in Waremme selbst und dessen Umgebung
uugeheuere Fortschritte gemacht hat. Seinen Zuwachs
hat er in erster Reihe unter de» Arbeitern der Zucker-
fabriken, aber auch unter der kleinen ländlichen Be-
völkerung der wallonische» Hälfte reerutirt. Für den
Liberalismus ist der Wahlkreis jedenfalls endgültig
verloren.
Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik find un« jederzeit willkommen. — iktwatt«
Koken werde» stet« sofort ersetzt.»
* H-Melb-rg, 24. Sept. lMuthmaßliches Wetter für
Samstag, den 25. September.) Gröjtentheilt trockenes
und auch zeitweilig heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
* Heidelberg, 24. Sept. Die demnächst zur Ableistung
ihrer Militärdienstpflicht einrückenden Rekruten werden
aut thun, ihre Quittungskarten über gezahlte Beiträge zur
Alters- und Javaliditätsverficherung, soweit sie solche be-
sitzen, sorgfältig aufzubewahren, da dieselben nach der Ent-
lastung bei Wiedereintritt in versichecungspflichtige Beschäf-
tigung abzugeben sind. Die Militärdienstz-.it wird den
Versicherten so angerechnrt, als hätten sie während dieser
Zeit ihre Beiträge gezahlt.
* Mannheim, 23. Sept. Eine aufregende Scene
spielte sich heute Nachmittag zwischen 4 und 5 Uhr
im Hotel „Portugal" dahier ab. Daselbst hat sich
vor eiuigen Tagen ein Maschineningenieur Emil
Altschul aus Böhmisch-Leipa einlogirt. Nachdem
er seine im zweiten Stockwerk des Hotels gelegene
Wohnung (LI. E 5 gegenüber) bezogen, zeigte der
neue Ankömmling sich nur selten dem Hotelpersonal.
Da er seit gestern ein Gebühren zur Schau trug, da-
auf Geistesstörung schließen ließ, verständigte
der Inhaber des Hotels die Polizeibehörden, welche
den Bezirksarzt anwieS, den sonderbaren Fremden auf
seinen Geisteszustand zu untersuchen. Als heute Vor-
mittag der Bezirksarzt ankam, fand er das Zimmer
der Fremden verschlossen. Wiederholtes Poche» an
der Zimmerthür war fruchtlos. Man hörte nur von
Innen die Stimme des Eingeschloffenen, die Drohung
ausstoßend, daß er Jeden, welcher das Zimmer be-
trete, niederschießen würde. Man wußte keines .
Ausweg, al- auf heute Nachmittag zwü M» "
Zwangsjacke ausgerüstete Wärter deS Krameny"
zu beordern, um den Fremden mit Gewalt aus"
Hotel za entfernen. Zar Vorsorge leisteten au h e'" "
Schutzleute den Wärtern Assistenz. Ein E-nWUS
in die Wohnung war jedoch wiederum vergebllch,1" ^
der Irre mit allen Möbelstücken, die er zum
zerschlage», vor der Thüre eine förmliche Barn
erbaut hatte. Un die Aufmerksamkeit deS 3««^
von seinen „Eindringlingen" abzulenkea, beschütz
voa dec Straße aus eine Liiter anzulegen. Al»
geschehen, eilte dec Fremde auch sofort dem
zu und versuchte die Leiter umzuwerfen. Al» v
das nicht gelang, hielt ec in drohender Haltung bw
Revolver auf die auf der Straße angesammelte wr
schenmenge. Als ein junger beherzter Schutz'""
NamenS Wöppel dies sah, zog er seinen Sävet ,
sprang die Leiter hinauf. Der Irre, dies brmrrn
schoß sodana den Rwoloer nach dem Schutz«'""
die Schüsse — eS waren deren zwei — versetz'
jedoch glücklicher Weise ihr Ziel. Während Schutz"^
Wöppel unversehrt Hinaufgestegen, hatte "fr" -
Thüre erbrochen; der Rasende konnte bewälttgt »
nach Anlegung der Zwangsjacke in die Jcrenzeu«
Allgemeinen Krankenhauses tranSportirt werden,
ein großes Glück ist eS zu bezeichnen, daß der
sende weiter kein Unheil angerichtet. .«
* Heddesheim, 22. Sept. Heute, Mittwoch,"
unser neuer hochw. Herr Pfarrer Anton Knorz
vorher Stadtpfarrer in Kuppenheim bei Rastatt, ,tz
eingezogen. ES geht ihm der Ruf eines pflichteist'^
freundlichen, gewissenhaften Seelsorger» voraus.
kath. Gemeinde freut sich außerordentlich, einen"«".
Hirten wieder zu besitzen, der nach dem Borbilde ",
im Namen seines göttlichen Meister» die Pfarr,"
floriere» wird. Nächsten Sonntag findet die sertt^
Investitur des Herrn Pfc. Knörzer durch Herr» De
Grimm von Leutershausen statt.
* Malsch b. Wiesloch, 22. Sept. Gestern w«°
bei un» gefrühherbstet. Wenn auch die Qiantltat
Erwartungen nicht entsprochen Hit, so ist doch
Q lalität gut zu nennen. Käufer wären erw»"!^ '
* Wiesenthal, 23. Sept. In diesem Jahr«
dahier eine Ersche nang zu Tage, die nach L'g«" .
landwirthschaftlichen Verhältnisse u. im Interesse el
guten Fortkommens unserer Landvirthe mit
begrüßt werden muß. Die niedrigen Hopfenp««!«",
letztverflossenen Jahre u. die damit eng im Zasa""".^
Hang stehende wachsende Nothlage unserer landw" v
schastlichen Bevölkerung haben eS bedungen, daß ".
Hopfenbau eine wesentliche Reduziruug erfahren
man auf eine hiefür Ersatz bietende Anpflanzung^,
anderen HandelprobukteS Bedacht nehmen muß. «"A
dem letztes Jahr schv» mehrere intelligente Bauern
Anpflanzen von Tabak vorangingen und diese»
Beispiel sich trefflich bewährt u. gelohnt hat, so
dieses Jahr der Tabakbau in hiesiger Gemeinde der
überhand, daß die Gewichtsteller eingeführt w"
DaS Ergebniß der diesjährigen Ernte, welche» .g
ganz besonders guter Qualität ist, wird auf ca>, .
Centner geschätzt. Fachleute behaupten, daß der tz''' 4,
Boden bei normaler Witterung besonder-
bau geeignet sei und eS darf daher nicht W»"
nehmen, daß da- in früheren Jahren dahier proM' ,
geringe Quantum von hiesigen Fabrikanten ger"."„
kauft und gut gewerthet wurde. Es steht zu erwa«
daß auch diese- Jahr der Preis ein günstiger w
und die Produktion zweifelsohne von Jahr z"
steigt — zum Segen unserer Landwirthe. ....
* Untergrombach, 22. Sept Am nächst«"
woch, 29. September, wird auf dem St. ME.«
berge bei Untergrombach das jährliche Mich""»'
in feierlicher Weise begangen. -ll
' Karlsruhe, 23. Sept. PremierlieutenantK"
von dem Rastatter Regiment, der vor einigen
in einem Tobsuchtsanfall seine Vorgesetzten u»v "
raden bedrohte und mit dem Säbel auf den
loSging, wurde in eine Nervenheilanstalt nach Ko«' - §
verbracht. ES hat sich also bestätigt, daß der Ofl»
geisteskrank ist. . „
* Karlsruhe, 21. Sept. Die neu SU,
Waggonfabrik, der die Stadtgemeinde Bruch!«
Bauterrain gratis zur Verfügung gestellt hatte,
zichtet nun doch auf da- Terrain. ES hat sich "
lich ergeben, daß die Koste» der Herrichtuig
Ausfüllung diese- Gelände- sehr beträchtlich
Die Gesellschaft steht augenblicklich mit einer
ruher Nachbargemeinde wegen Erwerbung von Gu«
in Verbindung. .
* Offmburg, 20. Sept. Im Bürgecsaale
gestern Vormittag die 19. Hauptversammlung
Vereins badischer Rathschreiber st""'
aus allen Theilen des Lander im ganzen dv"
130 Mitgliedern der Vereine besucht war. D>e
sammlungen wurde« von dem Vorsitzenden, ,
schreiber Ganter-WaldShut, geleitet. E» wuro« s,
nächst ein Antrag des Verwaltungsraths angenom«.^
eine Petition an die Gcoßh. Regierung und »»
heben zu können. Dieser Ambition, wenn sie wirklich
besteht, müßte im gemeinsamen europäischen FriedenS-
iuteresse energisch entgegengetreten werden. DaS
Spiel hat wirklich lange genug gedauert und lange
genug die Welt politisch und wirthschaftlich beunrnhigt.
Griechenland hat die Vermittelung der Mächte ange-
rufen u. angenommen in einem Augenblick, als eS geschla-
gen u. so gut wie wehrlos dem weiteren Vormarsch der
Türken gegenüberstand. Die Machte sind der Türkei
zum Schutze Griechenlands in die Arme gefallen.
Dar würde in dieser Weise nicht geschehen sein, wenn
Griechenland nicht in völkerrechtlich verbindlicher Form
die Wahrung seiner Interessen bei den Friedensver-
Handlungen in die Hände der Mächte gelegt hätte.
ES bestand damals kein Zweifel, daß Griechenland
damit auch die Verpflichtung übernahm, das zu
accrptiren, was die Mächte in den Friedenverhand-
lungen der Türkei gegenüber durchsetzten und verein-
barten. ES hat kein Recht, die Bevollmächtigten, an
dir es sich in kritischem Momente gewandt hat, jetzt
zu desavouiren. ES hat auch sachlich keinen Grund
dazu; denn wenn natürlich auch die FriedenSbeding-
ungen für jeden besiegten Staat nicht leicht sind, so
haben die Mächte doch erfolgreich die ursprünglichen
türkischen Forderungen auf ein erträgliches Maß
herabgemiudert. Die Finanzkontrole, die Griechen-
land mit der Zeit selbst als einen Segen empfinden
wird, hat eS sich nicht nur durch seine Niederlage,
sondern schon längst durch seine Finanzgebahrung zu-
gezogen. Diese Gründe müßten die griechische Re-
gierung veranlassen, auch mit aller Kraft die nach
der Verfassung »othwendige Genehmigung der Kammer
zu dem FriedenSvertrage durchzusetzen. Sie kann sich
nicht in Täuschung befinden, daß die Mächte nicht
weiterhin mit sich spaßen lassen werde».
Ausland.
* Wie«, 23. Sept. Dar Abgeordnetenhaus trat
heute zusammen. Die Sitzung ist überaus zahlreich
besucht. Als Badeni aus der Ministerbank erschien,
riefen die Schönerianer: „Hoch Badeni, Begründer
der deutschen Einigkeit!- wa- von der Rechten mit
Gelächter ausgenommen wurde. Alterspräsident Zurkan,
hielt eine Eröffnungsrede, die mit ironischen Zwischen-
rufen seitens der Linken begleitet wurde. Als er mit
einem Hoch auf den Kaiser schloß, rief Schönerer:
„Und das deutsche Volk lebe hoch!", welches die Linke
dreimal anstimmte. Wolf schrie: „Nieder mit Badeni!",
Pergelt beanstandete, daß nicht geschäftsordnungsgemäß
eine Thronrede gehalten werde. Der AlterSpräsient
erklärte, daß ihn daS nichts angehe. Gregorig erklärte,
erfahre» zu haben, daß sich 16 als Diener verkleidete
Polizisten im Hause befinde». Großer, lang an-
haltender Lärm; Rufe: „Hinaus mit der Polizei!"
Der Alterspräsident sagte, ihm sei nichts bekannt und
leitete die Wahl der Präsidenten ein, während die
Linke gegen den Präsidententisch herandrängte. Die
Angerufenen konnten nur eine zeitlang gar nicht,
später nur mit Mühe ihre Stimmen abgeben. Unter
fortwährendem Lärm und Zwischenrufen wurde
schließlich die Stimmabgabe beendet.
* Fiume, 23. Sept. Nach den Aussagen der ge-
retteten Passagiere von dem untergegangenen Dampfer
„Jka" werden ungefähr 16 Personen vermißt, darun-
ter der Fiumer Holzhändler Mattheo Podjen. Als
ertrunken festgestellt sind der Professor Dr. Johann
Kopalik aus Wien und der Pfarrer PaobcioS von
Santa Lucia. Als sehr auffallend wird bemerkt, daß
mit Ausnahme eine- Schiffsjungen die gesammte
Mannschaft gerettet ist. Die Zahl der Verunglückten
konnte immer noch nicht festgestellt werden.
* Stockholm, 23. Sept. DaS KönigSpaar em-
pfing gestern Mittag im Schloßhofe einen Aufzug
von 1500 Studenten schwedischer Universitäten, deren
Wortführer dem.König die Huldigungen der akademi-
schen Jugend darbrachte. Am Abend sand ein
Galaballstatt, zu welchem 3000 Einladungen ergangen
waren.
* Hazüeto«, 22. Sept. Der Aufstand in der
Umgegend von Hazlleton ist nunmehr beigelegt.
* Athen, 22. Srpt. In einer heute Abend auf
dem Eintrachtsplatze abgehaltenen Versammlung
erklärte ein Redner, Griechenland nehme einen
solchen Frieden nie an. Dir Menge verbrannte
lärmend den T-xt deS Vertrages.
* Kauen, 22. Sept. Die Aufständischen über-
fielen gestern bei Kandia aus dem Hinterhalte Musel-
manen, raubten über 200 Stück Vieh und tödteten
2 Hirten, die sie verstümmelte». Der Brand der
Ostvenpflanzungen in der Umgegend von Retymnon
dauert fort.
Aus Baden.
Heidelberg, 24. September.
--- Z« -e« LandtagSwahle» Ja einer am
letzten Mittwoch in Heidelberg zahlreich besuchten
Bertraue»S«äunerversammlung wurde für de» Wahl-!
bezirk WieSloch-Heidelberg Herr Bürger-
meister Maier voa Malsch als CeatrumSkan-
didat aufgestellt. Derselbe hat die Kandidatur bereits
angenommen. _ck
--- Z« de« Landtag-Mahle« Der Cmtrums-
Wahlvorstand für den Wahlbezirk der Stabt Maua-
heim hat beschloss:», den Cmtrumrwählern vorzu-
schlagen, bei der bevo-stehenden Landtagswahl dieselbe
Haltung wie im Jahre 1895 z r beobachten.
— Zur ErzdifchofSfrage. Elf volle Monate
sind nunmehr verflossen, seit Erzbischof Dr. RooSaus
dem Leben schied, und immer noch steht die Frage der
Wiederbesetzung des erzbischöfl ch-n Stuhles auf dem
Punkte, daß die grobherzogliche Regierung eS bereits
seit zehn Monaten unterläßt, auf der Candidatenliste
die etwaigen unliebsamen Candidaturen als solche zu
bezeichnen und die Liste dem Domkapitel zur Vor-
nahme der Bischofswahl zurückzusenden. Immer mehr
gewinnt eS den Anschein, als sollte.die SrdiSvacrnz
noch von längerer Dauer sein. In Rom hat man
dieser wohl auch vorausgesehen; denn Papst Leo Xill.
hat, wie aus einer Veröffentlichung im amtlichen An-
zeigeblatt für die Erzdiözese Freiburg hervorgeht, dem
ErzbisthumSverweser, Weihvischof Dr. Knecht die
Vollmacht ertheilt, die Pfründen freier Col-
latur zu besetzen. Voa den 764 Pfarreien der
Erzdiözese steht bei etwa 360 dem Erzbischof die freie
Collatur zu.
— Der Reichstag soll, der Deutschen TageSztg.
zufolge, jedenfalls nicht vor der zweiten Hälfte deS
November zusammentreten. Als erste Vorlage soll
ihm ein selastständiges Gesetz über die Entschädig-
ung unschuldig Berurtheilter zugehen.
— Die Stichwahl in dem zur Provinz Lüttich
gehörigen Wahlkreise Waremme hat mit dem Sieg des
katholischen Candidaten geendet. Seine Mehrheit be-
trägt 727 Stimmen. Der Wahlkreis ist je zur Hälfte
vlämisch und wallonisch; mit Ausnahme einiger be-
deutender Zuckerfabriken, welche in Waremme selbst,
also im wallonischen Theile gelegen sind, hat der letz-
tere gar keine industriellen Betriebe. Bis vor wenigen
Jahren gehörte er zu den sicheren liberalen Wahl-
kreisen. Erst dem Eingreifen des neulich verstorbenen
CartuyvelS gelang eS, den Kreis dem Liberalismus
zu entreißen. Er war zeitlebens ein für die Hebung
der Landwirthschaft mit Begeisterung thätiger Groß-
grundbesitzer. In weiten Kreisen herrschte die Ansicht,
daß mit seinem Verschwinden der Kreis an den Liber-
alismus verloren gehen werde. Die Urheber der
neuen liberalen Allianz, BulS, Feron und Finet,
nahmen die Oberleitung des Wahlfeldzuger. DaS
Ergebniß war so kläglich wie möglich: der liberale
Kandidat, der früher gegenüber dem College» des
Abgeordneten CartuyvelS in die Stichwahl gekommen
war, erhielt die wenigsten Stimmen, und an seine
Stelle rückte der bei den letzten Wahlen kaum in
Betracht gezogene sozialistische Kandidat in die
Stichwahl. Der Liberalismus hatte über 3000 Stim-
men zu Gunsten deS Sozialismus verloren, welcher
namentlich in Waremme selbst und dessen Umgebung
uugeheuere Fortschritte gemacht hat. Seinen Zuwachs
hat er in erster Reihe unter de» Arbeitern der Zucker-
fabriken, aber auch unter der kleinen ländlichen Be-
völkerung der wallonische» Hälfte reerutirt. Für den
Liberalismus ist der Wahlkreis jedenfalls endgültig
verloren.
Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik find un« jederzeit willkommen. — iktwatt«
Koken werde» stet« sofort ersetzt.»
* H-Melb-rg, 24. Sept. lMuthmaßliches Wetter für
Samstag, den 25. September.) Gröjtentheilt trockenes
und auch zeitweilig heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
* Heidelberg, 24. Sept. Die demnächst zur Ableistung
ihrer Militärdienstpflicht einrückenden Rekruten werden
aut thun, ihre Quittungskarten über gezahlte Beiträge zur
Alters- und Javaliditätsverficherung, soweit sie solche be-
sitzen, sorgfältig aufzubewahren, da dieselben nach der Ent-
lastung bei Wiedereintritt in versichecungspflichtige Beschäf-
tigung abzugeben sind. Die Militärdienstz-.it wird den
Versicherten so angerechnrt, als hätten sie während dieser
Zeit ihre Beiträge gezahlt.
* Mannheim, 23. Sept. Eine aufregende Scene
spielte sich heute Nachmittag zwischen 4 und 5 Uhr
im Hotel „Portugal" dahier ab. Daselbst hat sich
vor eiuigen Tagen ein Maschineningenieur Emil
Altschul aus Böhmisch-Leipa einlogirt. Nachdem
er seine im zweiten Stockwerk des Hotels gelegene
Wohnung (LI. E 5 gegenüber) bezogen, zeigte der
neue Ankömmling sich nur selten dem Hotelpersonal.
Da er seit gestern ein Gebühren zur Schau trug, da-
auf Geistesstörung schließen ließ, verständigte
der Inhaber des Hotels die Polizeibehörden, welche
den Bezirksarzt anwieS, den sonderbaren Fremden auf
seinen Geisteszustand zu untersuchen. Als heute Vor-
mittag der Bezirksarzt ankam, fand er das Zimmer
der Fremden verschlossen. Wiederholtes Poche» an
der Zimmerthür war fruchtlos. Man hörte nur von
Innen die Stimme des Eingeschloffenen, die Drohung
ausstoßend, daß er Jeden, welcher das Zimmer be-
trete, niederschießen würde. Man wußte keines .
Ausweg, al- auf heute Nachmittag zwü M» "
Zwangsjacke ausgerüstete Wärter deS Krameny"
zu beordern, um den Fremden mit Gewalt aus"
Hotel za entfernen. Zar Vorsorge leisteten au h e'" "
Schutzleute den Wärtern Assistenz. Ein E-nWUS
in die Wohnung war jedoch wiederum vergebllch,1" ^
der Irre mit allen Möbelstücken, die er zum
zerschlage», vor der Thüre eine förmliche Barn
erbaut hatte. Un die Aufmerksamkeit deS 3««^
von seinen „Eindringlingen" abzulenkea, beschütz
voa dec Straße aus eine Liiter anzulegen. Al»
geschehen, eilte dec Fremde auch sofort dem
zu und versuchte die Leiter umzuwerfen. Al» v
das nicht gelang, hielt ec in drohender Haltung bw
Revolver auf die auf der Straße angesammelte wr
schenmenge. Als ein junger beherzter Schutz'""
NamenS Wöppel dies sah, zog er seinen Sävet ,
sprang die Leiter hinauf. Der Irre, dies brmrrn
schoß sodana den Rwoloer nach dem Schutz«'""
die Schüsse — eS waren deren zwei — versetz'
jedoch glücklicher Weise ihr Ziel. Während Schutz"^
Wöppel unversehrt Hinaufgestegen, hatte "fr" -
Thüre erbrochen; der Rasende konnte bewälttgt »
nach Anlegung der Zwangsjacke in die Jcrenzeu«
Allgemeinen Krankenhauses tranSportirt werden,
ein großes Glück ist eS zu bezeichnen, daß der
sende weiter kein Unheil angerichtet. .«
* Heddesheim, 22. Sept. Heute, Mittwoch,"
unser neuer hochw. Herr Pfarrer Anton Knorz
vorher Stadtpfarrer in Kuppenheim bei Rastatt, ,tz
eingezogen. ES geht ihm der Ruf eines pflichteist'^
freundlichen, gewissenhaften Seelsorger» voraus.
kath. Gemeinde freut sich außerordentlich, einen"«".
Hirten wieder zu besitzen, der nach dem Borbilde ",
im Namen seines göttlichen Meister» die Pfarr,"
floriere» wird. Nächsten Sonntag findet die sertt^
Investitur des Herrn Pfc. Knörzer durch Herr» De
Grimm von Leutershausen statt.
* Malsch b. Wiesloch, 22. Sept. Gestern w«°
bei un» gefrühherbstet. Wenn auch die Qiantltat
Erwartungen nicht entsprochen Hit, so ist doch
Q lalität gut zu nennen. Käufer wären erw»"!^ '
* Wiesenthal, 23. Sept. In diesem Jahr«
dahier eine Ersche nang zu Tage, die nach L'g«" .
landwirthschaftlichen Verhältnisse u. im Interesse el
guten Fortkommens unserer Landvirthe mit
begrüßt werden muß. Die niedrigen Hopfenp««!«",
letztverflossenen Jahre u. die damit eng im Zasa""".^
Hang stehende wachsende Nothlage unserer landw" v
schastlichen Bevölkerung haben eS bedungen, daß ".
Hopfenbau eine wesentliche Reduziruug erfahren
man auf eine hiefür Ersatz bietende Anpflanzung^,
anderen HandelprobukteS Bedacht nehmen muß. «"A
dem letztes Jahr schv» mehrere intelligente Bauern
Anpflanzen von Tabak vorangingen und diese»
Beispiel sich trefflich bewährt u. gelohnt hat, so
dieses Jahr der Tabakbau in hiesiger Gemeinde der
überhand, daß die Gewichtsteller eingeführt w"
DaS Ergebniß der diesjährigen Ernte, welche» .g
ganz besonders guter Qualität ist, wird auf ca>, .
Centner geschätzt. Fachleute behaupten, daß der tz''' 4,
Boden bei normaler Witterung besonder-
bau geeignet sei und eS darf daher nicht W»"
nehmen, daß da- in früheren Jahren dahier proM' ,
geringe Quantum von hiesigen Fabrikanten ger"."„
kauft und gut gewerthet wurde. Es steht zu erwa«
daß auch diese- Jahr der Preis ein günstiger w
und die Produktion zweifelsohne von Jahr z"
steigt — zum Segen unserer Landwirthe. ....
* Untergrombach, 22. Sept Am nächst«"
woch, 29. September, wird auf dem St. ME.«
berge bei Untergrombach das jährliche Mich""»'
in feierlicher Weise begangen. -ll
' Karlsruhe, 23. Sept. PremierlieutenantK"
von dem Rastatter Regiment, der vor einigen
in einem Tobsuchtsanfall seine Vorgesetzten u»v "
raden bedrohte und mit dem Säbel auf den
loSging, wurde in eine Nervenheilanstalt nach Ko«' - §
verbracht. ES hat sich also bestätigt, daß der Ofl»
geisteskrank ist. . „
* Karlsruhe, 21. Sept. Die neu SU,
Waggonfabrik, der die Stadtgemeinde Bruch!«
Bauterrain gratis zur Verfügung gestellt hatte,
zichtet nun doch auf da- Terrain. ES hat sich "
lich ergeben, daß die Koste» der Herrichtuig
Ausfüllung diese- Gelände- sehr beträchtlich
Die Gesellschaft steht augenblicklich mit einer
ruher Nachbargemeinde wegen Erwerbung von Gu«
in Verbindung. .
* Offmburg, 20. Sept. Im Bürgecsaale
gestern Vormittag die 19. Hauptversammlung
Vereins badischer Rathschreiber st""'
aus allen Theilen des Lander im ganzen dv"
130 Mitgliedern der Vereine besucht war. D>e
sammlungen wurde« von dem Vorsitzenden, ,
schreiber Ganter-WaldShut, geleitet. E» wuro« s,
nächst ein Antrag des Verwaltungsraths angenom«.^
eine Petition an die Gcoßh. Regierung und »»