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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Oktober 1897
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Nr. 229
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0934

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Stimmen in der Commission abgelehnt, nachdem der
Regierung? Vertreter dagegen sich ausgesprochen hatte,
und nachdem geltend gemacht worden war, bei kleineren
Amtsgerichten könnte sehr oft der Fall eintreten, daß
am Orte des ConcurSgerichteS und am Orte des
Hauptgeschäfts des Gemeinschuldners, namentlich wenn
man dessen Verwandte auSschließe, zu ConkurSver-
waltern geeignete Personen nicht sich finden würden.
Dieses Bedenken ist aber kaum stichhaltig. Man ist
freilich an den meisten ConkurSgerichten gewohnt, zu
Verwaltern Rechtsanwälte zu ernennen; in kauf-
männischen Kreisen würde man es im Interesse einer
Vortheilhaftern Berwerthung der Co neues mässe ost
viel lieber sehen, wenn Geschäftsleute zu ConcurSver-
Walter» ernannt würden, die ja hinsichtlich auftauchen -
der Rechtsfragen einen Rechtsanwalt zu Rathe ziehen
können. In solchem Sinne haben schon viele kauf-
männische Körperschaften sich ausgesprochen und that-
sächlich werden in Norddeutschland, namentlich in
Berlin, sowie in manchen Gegenden Süddeutschlands,
wie besonders in der Rheivpfalz, in sehr vielen Fällen
Kauf- oder sonstige GeschäftS-Leule zu Concursver-
waltern ernannt. Die in Rede stehende Bestimmung
des CentrumS-AntrageS sollte daher auf jeden Fall
wiederhergestellt werden, wenn sie nicht im Regierungs-
Entwurf der neuen ConcurS-Ordnuug enthalten ist.
ES leuchtet doch auch ohne weiteres ein, daß von
der Art u. Weise, wie eine Concnrsmasse abgewickelt
Wird, für die betheiligten Kaufleute der gleichen Ge-
schäftszweiges sehr viel abhängt; denn je ärger die
Preisschleuderei ist, unter welcher jene Abwickelung sich
vollzieht, desto mehr Käufer wird sie anziehen dafür
aber auch der reellen GeschäfcSwelt entziehen. Der
Schaden, den diese dadurch erleidet, wirkt um so em-
pfindlicher, als sie ja ganz ohne ihr Verschulden dazu
kommt, ihn hiunehmen zu müssen, während der Gläu-
biger, welcher bei einem Bankerotteur zu Schaden
kommt, mehr oder weniger es sich selbst zuzuschreiben
hat, sei es, daß er leichtsinnig Credit gewährt hat, sei
es, daß er den Credit, dessen sein Kunde vielleicht
würdig war, allmälig sicher geworden, zu sehr aus-
gedehnt hat. Dazu kommt auch noch, daß der Gläu-
biger in den meisten Fällen doch aus der früheren
Verbindung mit dem später Zahlungsunfähigen Gewinn
gezogen hat, so daß ihn der Verlust bei der schließ-
lichen Zahlungsstockung seines Kunden doch im all-
gemeinen weniger hart trifft, wie den uubetheiligten
Wettbewerber des letzter» der ConcurSauSverkauf mit
allen seinen Folgen.
Im Sinne des Schutzes des soliden Kaufmannes
ist daher auch die von der ReichStagS-Commission be-
schlossene Einführung einer Z 116a in die ConknrS-
Ordnung zu begrüßen, wonach die Versteigerung der zur
Masse gehörigen, beweglichen Gegenstände unter Leitung
des Concurs-BerwalterS erfolgen soll u. mit einer solchen
Versteigerung die Versteigerung von Gegenständen,
welche nicht zur Masse gehöre», nicht verbunden wer-
den darf und die nämlichen Bestimmungen auch gelten,
wenn die Berwerthung der beweglichen Gegenstände
im Wege des Ausverkaufs erfolgt. Eine solche Be-
stimmung erscheint unerläßlich; denn jeder Eingeweihte
weiß, daß eS ConcurSauSverkäufe und Concursver-
steigerungen gibt, die fast kein Ende nehmen, indem
nicht selten die tagsüber verkauften Maaren wieder
durch neue, die man einzuschmuggeln versteht, ersetzt
bezw. ergänzt werden, ein Unfug, gegen den schon
zahlreiche Vereinigungen von betheiligten Kaufleuten
Front gemacht haben, und den abzustellen sich nun
die beste Gelegenheit bietet.

Deutsches Reich.
* Berlin, 4. Okt. Mit den Einigungsvorschlägen
in Sachen des FsrmerstreikS befaßte sich am Sonntag
eine große Versammlung der Ausständigen. Namens
der Streikkommission empfahl ein Referent, die ersten
beiden Punkte des Vergleichs zu acceptiren, die beiden
letzten Punkte, die in der jetzigen Fassung unannehm-
bar seien, entsprechend abzuändern. In Artikel 3,
wo eS heißt, daß die Ausständigen wieder eingestellt
werden sollen, möglichst bevor Arbeitskräfte von
außerhalb herangezogen werden, soll das Wort „mög-
lichst" gestrichen werden, der in Artikel 4 vorgesehenen
Bestimmung, daß die Regelung der Forderungen der
Borsig'schen Arbeiter der freien Vereinbarung der
Betheiligten überlassen bleiben soll, könne man nicht
zustimmen, die Arbeitgeber verlangten Wiederaufnahme
der Arbeit, bevor die Differenzen bei Borsig voll-
kommen beseitigt seien. Das bedeute für die Be-
theiligten bedingungslose Unterordnung unter den
Willen der Unternehmer. Die Streikkommisfion empfiehlt
den Ausständigen, die Arbeit in keinem Betriebe wieder
aufzunehmen, bevor nicht eine Verständigung bei der
Firma Borsig erzielt sei. (Beifall.) In der Dis-
kassion meinte ein Redner, die Firma Borsig werde
zur Verständigung geneigt sein, da der fragliche
Doppelcylinder, der die Ursache des Ausstandes fei,
schon mit hundert Mark über den geforderten Preis
bezahlt und trotzdem unbrauchbar sei. Reichstags-
abgeordneter Schwarz befürchtet nicht, daß die Aus-

ständigen längere Zeit ausgesperrt bleiben körnten,
da dir Arbeit in den Gießereien dränge. Sollte die
Einigung nicht zu Stande kommen, so werde der
Kampf mit ganzer Energie weitergeführt werden.
Vertrauensmann Nälher führt aus, an der Wieder-
einstellung der Streikenden werde die B'Bändigung
nicht scheitern. Bedenken errege nur der Artikel, der
die Ermäßigung der Differenzen bei Borsig hoffen
läßt. Auf diese Ungewißheit hi» können die zur Zeit
Ausständigen 700 Former in 25 Gießereien die Ar-
beit nicht aufnehmen. ES wurde von den Aus-
ständigen einstimmig folgender Beschluß gefaßt: „Die
Versammlung beschließt zu den Einigungsvorschlägen
ihre Zustimmung zu geben, fordert jedoch, daß im
Artikel 3 die Worte „nach Bedarf" und „möglichst"
gestrichen werden. Außerdem verlangt die Versamm-
lung die Beilegung aller Differenzen, bevor in irgend
einer Gießerei die Arbeit wieder ausgenommen wird."
Auch die Modell- und Fabriktischler, die indirekt durch
den Ausstand getroffen worden und zahlreich arbeits-
los geworden sind, nahmen gestern zu den Vorschlägen
deS Einigungamtes Stellung. Sie erklärten sich
mit den Formern solidarisch, beschlossen, daß jeder
eine Mark wöchentlich für die Streikkassen zahlen
solle und erklärten die Vorschläge des Einigungs-
amtes für unannehmbar.
* Darmstadt, 5. Okt. Der Kaiser von Rußland
besuchte gestern in Begleitung der GcoßherzogS auf
der Mathildenhöhe die Baustelle für die griechische
Kapelle, zu der voraussichtlich in der nächsten Woche
der Grundstein gelegt werden dürfte.
* Darmstadt, 5. O!t. Kaiser Nikolaus empfing
Mittags 12 Uhr den Staatsminister v. Finger.

Der socialdemakratische Parteitag.
* Hamburg, 5. Okt. Bei der Abstimmung über
die agitatorischen Anträge wurde u. A. genehmigt:
Der „Neuen Welt" ein jährliches JnhaltSverzeichuiß
beizufügen, den „Freien Stunden" einen erweiterten
u. verbesserten Inhalt zu geben. Die Herausgabe eines
GratiSkalenderS für Ostdeutschland wurde abgelehut,
ebenso der Vorschlag, die Beigabe patriotischer Bilder
in den Partei-Kalendern (z. B. Kaiserdenkmal) zu
verbieten, und der Antrag, der gegen die Fremdwörter
gerichtet war, ferner die Anträge, daß der Bericht des
„Vorwärts über den Parteitag allen reflektirenden
Parteiblättern zugängig sein soll und der Katalog
der Parteibuchhandlung dem PreßauSschusse zu unter-
stellen sei. Dagegen wurde der Antrag auf Her-
stellung eines Verzeichnisses geeigneter agitatorischer u.
wissenschaftlicher Schriften wie auch der Unterhaltungs-
literatur als Führer für die Parteigenossen ange-
nommen. Der Antrag, den „Offenburger BolkSfreuud"
in Parteiregie zu übernehmen und nach Karlsruhe zu
verlegen, wurde abgrlehnt, der auf Bereinigung beider
Solinger Blätter wurde einem Ausschuß überwiese».
Der Rechnung der Parteileitung wurde die Decharge
ertheilt.

Ausland.
* Bern, 1. Okt. Der 'Nationalrath bezeichnete
bei der fortgesetzten Berathung der EisenbahnrückkanfS-
Vorlage in Uebereinstimmung mit dem Ständerath
Bern als Sitz der Generaldirektio». Das Netz wird
in fünf Kreise mit den Sitzen in Lausanne, Basel,
Luzern, Zürich, St. Gallen eingetheilt. Abgelehnt
wurde ein Antrag, wonach jeder Kreis mindestens
400 Kilometer Bahnlänge erhalten soll, sowie ein
weiterer Antrag, daß die Zahl der Züge nicht reduzirt
werden darf. Die Bestimmungen betreffend den Ber«
waltungSrath, die Theiluug der Generaldirektionen in
KreiSeisenbahnräthe und in Kreisdirektionen wurden
ohne wesentliche Aenderungen angenommen.
* Wie«, 5. Okt. Ministerpräsident Badeni
erschien heute Vormittag im Abgeordnetenhause im
Sitzungssaale und wurde von zahlreichen Abgeordne-
ten aufs wärmste begrüßt. Präsident Kathrein begibt
sich heute in unaufschiebbarer Angelegenheit auf eine
Woche nach Kiel. Der ungarische Ministerpräsident
Baron Banffy und der Finanzminister LukacS hatten
heute Vormittag mit ihren österreichischen College«
eine Besprechung wegen des gemeinsamen Voranschlags,
bezüglich dessen endgiltiger Feststellung nachmittags
eine gemeinsame Ministerkonferenz stattfindet. Auch
Vereinbarungen bezüglich der Einreichung dec Vorlage
und des diesjährigen Programms in beiden Parla-
menten dürfte besprochen werden. Baron Banffy gra-
tulirte dem Ministerpräsidenten Badeni herzlichst zu
seiner raschen Genesung.
* Bukarest, 5. Okt. Die auf dem Meeting der
Studentenschaft und der Kulturliga angenommene Re-
solution protestirt energisch gegen die Annahme, daß
die Budapester KönigSreise eine Lossagung der hiesigen
Rumänen von den nationalen Kämpfen der ungar-
ländischen Rumänen bedinge.
* Stockholm, 4. Okt. König Oskar hat gestern
folgender Dankschreiben an den Minister deS Aeußern,
Grafen Douglas, gerichtet: „Bon den königlichen

Gesandtschaften und Consulaten, von scandmmn^ii
und andern Vereinen im Auslande, von SWL
und Norwegen, Männern und Frauen, in nahe
entfernt gelegenen Lindern und nicht am wrE..^
von vielen, die das Vaterland für immer verw^
haben, aber sich doch immer durch Bande der
mit ihm in Verbindung fühlen, sind mir und .
Königin in der letzten Zeit so viele Beweise "
Anhänglichkeit zugegangen vucch Briefe, Telegraf
Adressen und Gaben, daß wir nicht im SM> ,
sind, allen und einem jeden persönlich unser»
auszusprechen. Ich ersuche Euere Excellenz des? .
womöglich allen denjenigen, di; in dieser Wust "
Freude bereitet haben, die Ausdrücke unserer tieft»,
aufrichtigen Dankbarkeit zukomm:» zu lassen-
bleibe stets Ihr wohlgeneigter Oscar." .

A«S Nah und Fern. „
Stachrtcht-a sür diese Rubrik sind uni jederzeit willkommen. —
Koken werden stet« sofort ersetzt.) ljjk
* Heidelberg, 6. Okt. lMuttzmaßliches Wetter
Donnerstag, den 7. Oktober.) Größtenthefls trockene»
auch zeitweilig aufgeheitertes Wetter in Aussicht zu »s»
* Heidelberg, 6. Okt. Ueber den gegenwciM^,
Heidelberger Variete auftretenden Kopfrechner, Herrn,
Haus schreibt „Der Artist" folgendes: „Im Kryst^M
hat die zahlreichen Kaufleute, welche zur OsteruttM
weilten, besonders Herr F. A. Heinhaus interes»",
deutsche Zahlenriese, wie er in bewußtem Gsgensas
nem ausländischen College» Jnaudi, den wir be-
im Variete Battenberg sahen, genannt wird- ES "
kannte deutsche Art, oder richtiger wohl Unart, alles 6^
höher zu schätzen als das auf deutschem Boden ALA
sene freudig das Doppelte zu zahlen für einen freE»
klingenden Namm, wenn auch die rhatsächlichen Aw" A
keine höheren sind als die eines germanischen LanvSlw-
der eben als „nicht weit her" gilt. In diesem Fam
freut es uns doppelt, constatiren zu können, da«
einen gewaltigen deutschen Zahlenkünstler giebt, der
fremdländischen Kopfrechnern, mögen sie auditiv,
oder nicht visuell sein, keineswegs zurücksteht. Was A-
Heinhaus'schen Auftreten besonders gefällt, ist dw vero
ende Schnelligkeit seines Kopfrechnens, die Schlam" ä«-
und das bestimmte Wesen, der klare Vortrag und
mor, welcher die trockene Materie durchfeuchtet.
Bergnügen machte dem Publikum, das mit seiner vB
kennung nicht kargte, die blitzschnelle Ermittelung
Tagen eines beliebigen Datums der Bergaugenheu-
deutsche Zahlenriese feierte auch schon in England
Rußland Triumphe." . - -jy'
* Heidelberg, 4. Okt. (Schöffengeri L l s -
u n g.) 1. Georg Windisch, Cigarrenmacher m Roo M
angeklagt wegen Beleidigung des Martin KlinanM
da, wurde durch Vergleich erledigt. 2. Philipp
von St. Ilgen, angeklagt wegen Beleidigung, des ^Mel-
Kraft II. von da, wurde durch Vergleich erledigt-
tin Pfister, Köhlenhändler in Schlierbach, axgeklaM
Beleidigung der Leonhard Weißkapp Ehefrau du>M
Pfisterer erhielt 10 Mk. Geldstrafe ev. 2 Tage Gesa»»

Aus Baden.
Heidelberg, 6. Okt-
— Die Gemeivdewahle« in Konstanz,
der nationallib. Presse u. außerhalb Badens lmc," .
großes Geschreivollführt über den „glänzenden SA,§
den die Konstanzer Nationalliberalea bei den h'ri'L
Gemeiudewahlen davongetragen haben; inSbesE
wird darauf abgehoben, daß derNrme oeSLiudwZ
abgeordneten Venedey, der auf der Liste der Eriitr»»v
P artei stand, nicht durch gedrungen sei. DieNatw"
liberalen glauben bestimmt darauf rechnen zu dml
daß bei der Landtagswahl in zwei Jahren KE
wieder einen nationall-b. Vertreter nach Karls»
schicken werde. Nur gemach! Bis jetzt ist r»
Opposition in Konstanz überhaupt noch nie gelEz,
bei den Gemeindewahlen durchzudringen. Die
sichten waren Heuer um so geringer, als die
tion nicht geschlossen vorging. Die Nationallibtt« .
hatten den Tric angewendet, auch die Name»
Angehörigen anderer Parteien auf ihre Liste z» stL,
Zudem spielen bei den Gemeindewahlen so veri^,
deaartige Momente lokaler, persönlicher, vertE,
schaftlicher Natur, materielle Rücksichten, AbWSA
keitSverhältnisse usw. eive Roll-, daß man sie M» "
politischen Wahlen nicht ans die gleiche Seite PL
kann. ES müßte schon eine ganz sonderbare Kam
lation eintreten, wenn der Wiederwahl deS
Venedey in zwei Jahren ernstliche Schwierigkeiten
wachsen sollten. -
--- Dem Prälaten Dr. Jahuel wollen die la
Arbeitervereine der Delegatar ei» Denkmal setzL^.^
vorbereitend: Sitzung in dieser Angelegenheit hielt 7^
Sonntag der Ausschuß jener Vereine. GeneralstA.^
Dr. Hille wurde beauftragt, die einleitenden SH»
zu thun. , l
---- Die neueste Jesuiteufabel. Liberale An
setzen die fette Ente in die W:lt, in Klausen
sei ein Jesuiterpater Philipp verhaftet worden,
als ehemalliger Postbeamter in Regensburg einer S
ßen Unterschlagung sich schuldig gemacht habe
von der Regensburger Staatsanwaltschaft »eri <
werde. Letztere hat aber aus Befragen erklärt, -
ihr von der Geschichte mit dem verhafteten „3^-^
nichts bekannt ist. Möge dir katholische Presse,
sorgen, daß auch diese liberale Lüge kurze BE
hält.
 
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