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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Dezember 1897
DOI article:
Nr. 276
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1129

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gestern Früh ein viertel 10Uhr ein Levitenamt, wobei
der Cäcilienverein eine prächtige lateinische Messe zum
Vortrag brachte. Abends 8 Uhr versammelte sich der
Cäcilienverein im Gasthaus zum Hirsch zu einer Abend-
unterhaltung.
* Karlsruhe, 30. Nov. Die nationalliberale
Durlacher Wahlkollegium strägt Rechtsanwalt Dr.
Binz-Karlsruhe das Mandat für den Landtag an.
* Ettlingen, 28. Nov. Gestern abend fiel das
5 Jahre Söhnchen des Schuldieners I. Klein in
heißes Wasser und erlitt solche Verletzungen, daß eS
noch an demselben Abend starb.
* Plattig, 28. Nov. Auf unseren Höhen wurde
am 24. d. M. eine würdige religiöse Handlung, die
Einweihung der von der Familie Weis-Habich und
mehreren Kurgästen gestifteten und im Laufe dieses
Sommers erbauten hübschen Kapelle vorgsnommen.
Herr Geist!. Rath Lender nahm die kirchliche Hand-
lung vor in Anwesenheit einer zahlreichen andächtigen
Theilnehmerschaar. Herr Pfarrer Hund von Bühler-
thal celebrirte die erste Messe, dem ein feierliches
1s vöuiu folgte.
* Saarbrücken, 29. Nov. Gestern Morgen fand
man in der Ludwigskaserne einen Rekruten des 7.
Dragonerregiments, Freiwilligen, erhängt. WaS den
jungen Menschen zum Selbstmord getrieben, ist nicht
bekannt.

Fieser (natl.) über Titel VIII, IX und X der
hMben und Titel III Einnahmen (Kultus, Unter-
^Absen, Wissenschaften und Künste.)
sämmtliche Nachweisungen wurden ohne Debatte
Weiter erstattete Namens der gleichen Kommisslon
d; 7^8- Lauck (Csntr.) Bericht über Abtheilung IV
hWerium des Innern Titel I bis mit XI und XVIII
tz^""d XX der Ausgaben und Titel I und II der
Lahmen.
djxsxr Berichterstatter beantragte, die Nach-
h , 3en über die einzelnen Titel für unbeanstandet
Klären.
Aas HauS beschloß dem Anträge gemäß.
Aamit war die Sitzung beendet.
tz/^chste Sitzung: Donnerstag 11 Uhr. RechnungS-
^«sungen.

Vermischte Nachrichten.
— Winnenden (Württ.) 29. Nov. Heute früh
bald nach 3 Uhr hatten wir ein heftiges Gewitter.
Das ganze Firmament glich einem Flammenmeer, doch
der tobende Sturm ließ den Donner nur leicht ver-
nehmen. Ebenso schnell als das Gewitter erschien,
verzog es sich auch wieder; der Sturm legte sich und
seither schneit eS unaufhörlich.
— Berlin, 30. Nov. Heute früh gegen 7 Uhr
fuhr ein Güterzug auf einen vor dem Güter-
bahnhof Spandau haltenden Personenzug. Beide
Züge kamen aus der Richtung von Hannover. Die
Ursache des Auffahrens ist amtlich noch nicht ermittelt
worden. Festgestellt ist, daß die beiden letzten Wagen
4. Klasse des Personenzuges, welcher vor der Station
hielt, stark beschädigt, und daß mehrere Insassen ver-
letzt wurden. ES sind, soweit bis jetzt ermittelt ist,
17 Personen verletzt, 9 von diesen wurden
ins Moabiter Krankenhaus gebracht, ihre Verletzungen
sind nur leichter Natur. Die übrigen 8 reisen noch
heute in ihre Heimath. Der Betrieb war aus beiden
Seiten der Linie Spandau-Stendal gestört und soll
heute Mittag 1 Uhr wieder ausgenommen werden.
— Bremen, 29. Nov. Der Schnelldampfer
„Kaiser Wilhelm der Große" hat am 29. d. 9. Uhr
nach einer Durchschnittsfahrt von 2210 Seemeilen
Kap Lizard passirt und damit die schnellste über den
Ocean gemachte Fahrt sowie den Rekord sämmtlicher
Scbnelldampferreisen nach beiden Richtungen über-
troffen. Die bisherige schnellste Reise war diejenige
der „Lucania", und zwar die Westwärtsreise nach
Newyork mit 22.01 und die OstwärtSkeise von New-
York mit 21.82 Seemeilen Durchschnittsfahrt, wobei
zu berücksichtigen ist, daß diese von der „Lucania"
in der günstigen Jahreszeit (Sommer) gemacht wurden,
während „Kaiser Wilhelm der Große" seine Reise
in der ungünstigen Jahreszeit zurückgelegt hat.
— Eine der größten Betrügereien, die wohl
jemals in der Geschichte des Bergbaues vorgekommen
sind, gibt neuerdings wieder zu reden. Vor mehreren
Jahren wurde in der Gegend von Harvey Peak in
den Black Hills, au der Grenze zwischen Süd-Dacota
und Wyoming, zinnhaltiges Erz entdeckt. Als die
Sache bekannt wurde, faßten einige der einflußreichsten
Geschäftsleute jener Gegend zusammen mit östlichen
Capitalisten den Beschluß, Vortheil aus der Entdeck-
ung zu ziehen und auswärtige, vor allem englische
Käufer zu verleiten, ihr Geld in ein zweifelhaftes
Unternehmen zu stecken. Zunächst wurde an der Stelle,
wo das zinnhaltig- Erz gefunden worden war, eine
große Fabrik errichtet und mit kostspieligen Maschinen
zur Herstellung von Zinn versehen. Dann verbreitete
man die Nachricht, daß sich aus der Grube unzähl-
bare Massen Zinn fördern ließen, und in der neuen
Fabrik wurde wirklich auch Zinn verarbeitet, aber
nur gerade so viel, wie zur Anlockung von Käufern
und zum Abschluß eines großen Geschäftes erforderlich
war. Mindestens 2V, Mill. Dollars britischen Capi-
tal- wurden sofort in das Unternehmen gesteckt, und
es wurde die Harvey Peak Tin and Mannfakturing
Company organistrt. Die Aussichten schienen die
glänzendsten zu sein und die englischen Besitzer von
Antheilscheinen rieben sich vergnügt die Hände. Die
Verkäufer aber nicht minder. Schon kurz nachdem
-,. -- da» saubere Geschäft zum Abschluß gekommen war,
k tür ihn gebracht wurden. Die ganze Anlage hörte die Fabrik mit allem Zubehör zu arbeiten auf,
/"«und praktisch. ! und zwar wegen Mangels an Stoff. Heute läßt sich
«tj Östringen, 30. Nov. Vorgestern feierten wir für die ganze Geld-Anlage nichts weiter mehr auf-
>« AwziniumSfest der hl. Cäcilia hier und zwar weisen, als ein paar veraltete Maschinen, mehrere
"Wer Weise. Am Forabend Festgeläute, vor« bedeutende Baulichkeiten und einige» Land. Trotzdem

Aus Nah und Fern.
f2r diese Rubrik sind uns jederzeit willkommen. Z — Ltwoige
.Koken werden stet» sofort ersetzt.)
Heidelberg, 1. Dez. (Mutymaßliches Wetter für
stz Mtag, den 2. Dezember.) Fortgesetzt unfreundliches
MÄ mehrfachen Niederschlägen geneigtes Wetter in
M zu nehmen.
-^Heidelberg, 1. Dez. Das 3. Bachvereins-
ltz^ert brachte als erste Nummer „Eine Sturm-
A -nT^angphantasie" für grobes Orchester op. 23
»-Aex. Ritter. Um diesem modernen Componisten
!>^?Meit wiederfahren zu lassen, so mutz von seiner
gesägt werden, daß dieselbe, abgesehen von Min-
Wes, auch eine Fülle schöner Stellen darin birgt.
Mr» einer Wagnersängerin Frau Ellen Gulbranson
ihtj, miania gab dem Konzert den höchsten Glanz; mit
M Stimme sang diese Heroine „die Einleitung
Szene des 2. Aktes aus Tannhäuser" sowie die
„Aus der Götterdämmerung," die unser treff-
W Orchester unter Verstärkung, dessen Leitung Herr
»A. PH. Wolfrum so vorzüglich erledigte. Eine
M^anzerin ist für „Wagner" wie geschaffen, deren
«- ''e das Fortissimo des Orchesters noch bedeutend über-
>!td°.,flber auch mit zwei lieblichen Gesänge mit Orche-
iwWmng von ihrem Landsmann (dem nordischen Ma-
sUi, ^»ward Grieg entzückte uns die gottbegnadete Sän-
r^rer Muttersprache, insbesondere dasjenige „Vom
Pincio" hat Frau Gulbranson so reizend und
n.„LOungen. Die symphonische Dichtung „Hungaria"
E°Ses Orchester von Fran; Liszt wurde tadellos zur
»^.gebracht; ebenso die Occhestersantasie „Romarins-
In-.Mer ein ruff- Hochzeits- und Tanzlied von Glinka,
.«./treulichsten haben wir jedoch wahrgenommsn, daß
^unsterblicher „W. A. v- Mozart", dem alle nach-
U," Komponisten so viel zu verdanken haben, mit seiner
V-' aber unvergleichlich schönen Gavotte aus der Ballet-
Al fu.Jdomeneo, so stürmisch geehrt wurde, daß die-
^.Mderholt werden mußte. Es ist überhaupt schon
vermißt worden, daß die Namen der alten un-
Meist-r sehr selten die Programme des Bach-
; Zieren.
Heidelberg. 1. Dez. Stadttheater. Unsere
h/f. treffliche komische Alte, eine geb. Heidelbergerin
jtLMsabeth Pfstfer (geb. Steinhäuffer) hat ein Enga-
» an das Hoftheater nach Hannover auf 5 Jahre
^nve d. I. ab, angenommen.
Heidelberg, 29. Nov. (IchöffengerichSsitz-
»n Eva Schneckenberger hier wurde von der Anklage
Rka. Tätlichkeiten freigesprochen. 2. Wilhelm Halder
a hier erhielt wegen Uebertretung ves Z 360" R.-
» ''B. eine Geldstrafe von 3 Mark. 3 Die Verband -
M,/°Sen Gustav Hoffmann, Kohlenhändler hier, wegen
! HMung des 8 116 P -St.-G- wurde vertagt, ebenso
°.tz,/>ge gegen Otto Neuer hier wegen Ruhestörung.
Schroth hier wurde von der Anklage wegen
Mang und Thätlichkeiten freigesprochen.
q ^Heidelberg, 1. Dez. Ein junger Mann wurde »Ve-
rletzung der Wehrpflicht verhaftet.
Mannheim, 30. Nov. Gestern Vormittag
in der verlängerten Stefanienpromenade der
HEe verheirathete Schieferdecker Joseph Mundo
^Ih,l iodt aufgefunden; er hatte sich mittelst Re-
schossen. Die Leiche wurde nach dem Friedhof
"acht,
Mannheim, 30. Nov. Der Direktor des
^Mu-SpecialitätentheaterS, Herr Nottbusch, beab«
ihrN bekanntlich heute Abend gemeinschaftlich mit
Kenbändigerin Mlle. Marguerite denLöwen-
jh^zu betreten. Die Polizeibehörde erließ
dahingehendes Verbot, daß dieses Wagniß
^erbleiben habe.
Röttchzell, 30. Nov. Noch selten wird Mönch.
Leichenzug gesehen haben wie heute. Galt eS
. auch in weiteren Kreisen bekannten Alt-
V/bieister Münch die letzte Ehre zu erweisen.
Anerkennung und ungetheilteS Lob verdient
K a Üdereiu „Frohsinn" Lobenfeld, der es sich
Mi^hmen ließ, ihrem lieben Freunde die letzte ge-
E»er erweisen. Darum: Ehre diesen
«»Aingottheim, 30. Nov. Unser Güterbahnhof
^llek s" weit hergestellt, daß er bis 15. k. M. dem
übergegen werden kann. Hoffentlich bringt
" /atzen, den man sich ^überall versprochen hat
r"st die Opfer, welche von Privaten u. Ge-

' sur ihn gebra
und praktisch.

war man unverfroren genug, vor einigen Monates
einen Versuch zurNeuorganistrung der genannten Ge-
sellschaft und zur Wiederaufnahme des Betriebs zu
machen. Allem Anscheine nach aber will die Geschichte
nicht mehr ziehen.
— London, 29. Nov. Vom Personal des Post-
dampfers von Ostende werden die Berichie von einem
heftigen Orkan im Kanal bestätigt. Auf den gewal-
tigen Sturm, der in der vergangenen Nacht in ganz
England wüihete, folgte heute früh die höchste Fluth,
die in den letzten 30 Jahren vorgekommen ist. ES
wurde ein furchtbarer Schaden, besonders an der Ost-
küste und an den Mündungen der Themse und der
Medway angerichtet. Man befürchtet, daß der Deich
in Queenborough schon nachgegeben hat. Hunderte
von Acres stehen unter Wasser. Ja Sheerneß und
in BroadstairS sind die Landungsbrücken zum Theil
fortgerissen. Die nach Sheerneß und Fort Victoria
führenden Bahnlinien stehen unter Wasser, ebenso die
niedrigeren Stadttheile aller Städte an der Themse
und dem Medway. Das Arsenal in Woolwich ist
unter Wasser gesetzt, ebenso die Kaserne; das Marine-
haus in Margate ist fortgespült. An der Küste von
Norfolk sind 7 Schiffe mit der gesummten Mannschaft
untergegaugen. An Bord eines Schiffes befanden sich
elf Personen. An der Küste von CoruwalliS ist ein
Dampfer mit der Mannschaft zu Grunde gegangen
und an der Küste von Iorkshire sind viele andere
Schiffe gestrandet.

Zur österreichischen Krise.
* Wien, 30. Nov. Die „Wiener Zeitung" ver-
öffentlicht die kaiserlichen Handschreiben an den Gra-
fen Badem und den Freiherrn v. Gautsch betr. die
Annahme der Demmission des Gesammtministeriums
Badeni und Beauftragung desselben mit der Fort-
führung der Geschäfte bis zur erfolgten Ernennung
eines neuen Kabinets sowie betr. die Ernennung des
Freiherrn v. Gautsch zum Ministerpräsidenten und
Betrauung desselben mit der Kabinetsbildung.
* Wie«, 30. Nov. Der Kaiser genehmigte
heute die von Gautsch vorgelegte Mi-
ni st erliste. Ernannt wurden: Gautsch, Minister-
präsident und Leiter des Ministeriums des Innern;
Graf WelferSheimb, LandeSvertheidigungSminister;
Sektionschef Mittel, Eisenbahnminister; SenatSprä-
sident Böhm-Bawerk, Finanzminister; Sektionschef
Ruber Justizmiuister; Sektionschef Körber Handels-
minister; Sektionschef Graf Bhlandt-Rheidt Ackerbau-
minister ; Sektionschef Graf Latour Unterrichtsminister.
Ein polnischer Minister, wahrscheinlich PininSki, wird
nächstens ernannt werden.

Neueste Nachrichten.
* Esse«, 30. Nov. Der falsche Erzherzog Berendt
wurde heute Abend aus der Haft entlasten. Marie
Husmann hat ihren Strafantrag zurückgezogen. Da-
Verfahren ist eingestellt.
* Graz, 30. Nov. Die Bestattung des bei den
Unruhen am SamStag Nacht vom Militär erschossenen
Arbeiters bot ein hier noch nie gesehenes Schauspiel.
Man schätzt die Zahl der am Zuge Theilnehmenden,
die mit Kornblumen (Deutsch Nationale), Marguerite»
(Italiener und Studenten) und rothen Nelken (Arbei-
ter) geschmückt waren, auf 20,000. Die städtische»
Behörden nahmen corporativ theil, Militär und
Polizei war nicht zu sehen. Arbeiter hielten die Ord-
nung aufrecht.
* Wien, 30. Nov. Sämmtliche Mitglieder der
neuen KabinetS sind durchwegs SektionSchefS, tüchtige
Bureaukraten, manche hervorragende Fachmänner wie
Wittek, Böhm und Körber. Sämmtliche Minister sind
Deutsche ohne ausgesprochene Parteistellung. Latour
neigt zum KlerikaliSmuS. Sektionschef Klein hatte
den Eintritt abgelehnt. '
* Prag, 30. Nov. Die Straßendemonstratione»
wiederholen sich. Die Hauptplätze durchzieht eine
vieltaufendköpfige Menge. Vor dem neuen deutschen
Theater fanden Excesse statt, indem abermals zahlreiche
Fenster eingeschlagen wurden.
* Prag, 30. Nov. Die heutigen Exc sse stellen sich
schlimmer dar als die gestrigen. Ihren Ausgang nahmen
sie von der Demonstration der Studenten, die vor dem
Rathhause dem Bürgermeister eine große Ovation be-
reitete. Die Polizeidirektion hatte auf Ersuchen der
Bürgermeisters die Wache eingezogen und so zog die
Menge (etwa 12,000) unbehindert durch dieStraßen u.
verübte das Zerstörungswerk an deutschen Gebäuden,
so daß Militärmacht aufgeboten werden mußte. I».
fanterie und Kavallerie säuberte die Straßen, wo bereit-
große Verwüstungen im neuen deutschen Theater, im
deutschen Kasino und anderen deutschen Lokalen statt-
fanden. Massenhaft wurde« Fenster zertrümmert.
Alle Läden in den Straßen, wo die Massen sich be-
wegten, wurden rasch geschloffen. Zwei Bataillone
Jäger schützten das Theater. Eine Militärabtheilung
zog ab, um den Weinberger Tempel zu schützen.
 
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