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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0012

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Die Run st-Halle

Nr. s

empfangen zu haben glauben: „Unter „modern" in
der Kunst haben wir den Fortschritt in Auffassung
und technischen Ausdrucksmitteln zu verstehen. Da
aber Pros. L-, solange wir ihn kennen, in den An-
sprüchen, welche er an seine Gemeinde stellt, keine
Fortschritte zu verzeichnen hat (er beharrt nach wie
vor aus der Nachäffung der Äußerlichkeiten, der ober-
flächlichsten Mätzchen, der manirirten Kunststückchen
einer französischen, in Frankreich selbst aber längst
überwundenen Modekunst), so bestreiten wir ihm das
Recht, seine Anschauungen als modern zu bezeichnen."
Allerdings sehr richtig.*)
Sündigt der Herr Hartheichef durch seine sonder-
bare Erziehungsmethode gegen den eigenen Satz, daß
eine gesunde Entwickelung nur vom Boden der
Wirklichkeit ausgehen müsse, daß alle Nachahmung
nur Todtgeborenes produzire, so sind es noch zwei
weitere Hauptpunkte, in denen die nackte Wirklichkeit
von den sehr bestimmten Angaben des Vortrags eklatant
abweicht. Herr Lichtwark bezeichnet den Erfolg der
Frühjahrsausstellung von (898 als eine „Probe aus
das Exempel" und wirft sich also in die Brust: „Haben
die lokale Produktion und die Neigungen der Sammler
die Hoffnungen gerechtfertigt, die in sie gesetzt wurden?
Hat sich das Niveau der heimischen Leistungen gehoben,
haben sich hamburgische Kunstfreunde weiterhin bereit
gefunden, ihr Haus den Erzeugnissen unserer Künstler
zu öffnen und ihnen einen Platz neben den Werken
inländischer und ausländischer Schulen zu gewähren?"
Die Fragen seien, so verkündigt er seinen Zuhörern,
mit einem „freudigenZa" zu beantworten. Daß dieses
„Za" nur eine Verschleierung der Wahrheit involvirt,
beweist der Verfasser des Protestes durch die folgende
Statistik:

Ausstellung
: sM
Verkaufssumme 60 000
Mk.
//
(8H5
do.
60 000
,/
//
s8H6
do.
35 000
//
//
s8H7
do.
26 000
//
Noch
deutlicher
erscheint der
Rückgang, wenn

die Zahresverkäufe des Kunstvereins in Erwägung
gezogen werden:
Anin, der Red. Der Zufall wollte es, daß uns
erst kürzlich ein sehr bekannter Künstler, der dem Hamburger
Kunstverein nahe steht, u. a. Folgendes schrieb: „Unser
liebes Hamburg wird einfach auf den Kopf gestellt durch
die dort tonangebende Führung, Sie wissen wer es ist, und
die dummen Hammel springen nach, ohneSinn und verstand,
und wer den Schaden hat sind wir, die wir den Blödsinn
nicht machen wollen. Ls hat sich in H. ein förmliches
System herausgebildet, die ganz unreifen „Jungen" zu etwas
Besonderem zu stempeln, dem Publikum weiß zu machen,
daß das Alles viel künstlerischer sei, als was unsere Gene-
ration sonst leistet. .. lvo ist aber Aussicht auf Besserung?
Solange Nationalgallerie-Berlin, Kunsthalle-Hamburg und
Dresden den Strang ziehen, kommt die Karre nicht aus
dem Dreck. Entschuldigen Sie den Ton dieser Epistel; bei
demThema läuft mir immer dummerweise die Galle über.
Sonst bin ich nicht so."

Kunstverein
Gesammt-Verkauf 82 000 Mk.
//
s8H5
do.
73 000 „
//
(896
do.
56 000 „
//
(8H7
do.
fl2 000 „

Diese Zahlen, so meint der Autor, sprechen wohl für
sich selbst. „Aber am Programm hat dieses erbärmliche
Resultat nicht gelegen. Das Programm war gut,
aber die Ausführung war schlecht; und zwar
war sie daher schlecht, weil sie hauptsächlich in den
Händen des Kuusthallenleiters lag, der seine domi-
nirende Stellung von vornherein dazu benutzt hat,
eine einseitige und partheiische Beurtheilung der ein-
gesandten Arbeiten zu Stande zu bringen."
„Herr Dir. L. hat uns selbst bei Gelegenheit
erzählt, von wie großer Bedeutung es sür die Auf-
nahme eines Bildes sei, wenn er seinen Einfluß in der
Zury gegen die Aufnahme geltend machte. Allerdings
war er in dem speziellen Falle, wo er mit Schreiber
dieses darüber sprach, nicht im Stande, die Nichtigkeit
dieser Bemerkung nachzuweisen, aber in anderenFällen
glauben wir es ihm sehr gern. Besonders in solchem
Falle wie dieses Zahr, wo eigentlich gar keine Auf-
nahmejury bestand, sondern nur der Herr Direktor
mit zwei wirklichen Sachverständigen beauf-
tragt war, die Ausstellung zu leiten."
Und damit kommen wir zu dem dritten Haupt-
punkt der Anklage, dem wichtigsten, weil hier zwischen
Programm und Ausführung der Frühjahrsausstellung
ein Gegensatz bestand, der geeignet ist, den Hamburger
Kunstverein vor der Geffentlichkeit zu kompromittireu.
Sein Vorstand hatte, wie erwähnt, beschlossen, die
heimischen Künstler zur Einreichung von sechs Ge-
mälden einzuladen, deren Ausnahme keiner Zury unter-
lag. ,,Er hat sich", so lautete die Rhetorik Lichtwark's,
„ausdrücklich und wiederholt zu dem Grundsatz bekannt,
daß es nicht seine (des Vorstands) Aufgabe sei, ziel-
weiseud oder hemmend in das Schaffen der Künstler
einzugreifen. Zeder Versuch einer Maßregelung würde
zu einen: Fiasko führen . . . denn das Wesen der
künstlerischen Produktion, die in den Kunstausstellungen
an's Licht tritt, ist Freiheit. . . . wer in dem An -
schauungs- und Gedankenkreise lebt, den man grade
alte Richtung nennt — ein Begriff, der von
Zahrzehnt zu Zahrzehnt wechselt — wird zahl-
reicher Freunde und Gönner sicher sein, und wer den
Trieb in sich fühlt, neue Gedanken und Ausdrucks-
mittel zu suchen, wird immer einzelne Kunstfreunde
bereit finden, mit ihm zu gehen. DieAufgabedes
Kunstvereins aber ist es, neutral zu bleiben.
Daspublikum — wird immer am besten seineRechnung
finden, wenn es sich einfach nicht kümmert um das,
was ihm nicht zusagt."
wie sympathisch dieser obige Grundsatz jeden
Unxartheiischen berühren muß, habe ich bereits erklärt.
Aber mit welchen Gefühlen liest man es nun, daß
dieser Reineke, der in Mitten seiner Hamburgervereins-
brüder das tiefste Mitgefühl sogar für die „alte
 
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