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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 2
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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Finland, [2]
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Garschagen, L.: Jan Bosboom
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0031

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Horizontalen und Dertikalen iſt bei dieſem Gebäude
ſtreng gewahrt. Nirgends iſt weder die Horizontale
noch die Vertikale zu ſtark betont. Der Betonung der
letzteren dienen nicht nur die Fenſterumrahmungen
und Halbſäulen, ſondern auch die Schattenlinie,
welche dadurch entſteht, daß der Eckblock etwas aus
dem Gebäude heraustritt und iſolirt iſt. Als oberſten
Abſchluß trägt dieſer Eckblock (alſo an der Ecke der
beiden ſich kreuzenden Straßen) eine Art Helm, jedoch
in Pyramidenform von Kupfer. Dieſe Bekrönung
iſt wohl das Einzige, was nicht ganz befriedigt und
aus dem Charakter des Ganzen zu fallen ſcheint.

Dagegen ſind die Steinſkulpturen im Einzelnen
faſt durchgängig wohlgelungen. Auch ſie ſind, wie
der ganze Bau, in hartem Kalkſtein gearbeitet. Die
Zeichnungen zu den Steinſkulpturen rühren von der
Künſtlerin Hilda Flodin her. Sie wären nicht ſo
bedeutungsvoll, wie ſie ſind, wenn nicht die finiſche
Fauna und Flora in ausgiebigſter Weiſe dazu heran-
gezogen wäre. Mit Vorliebe iſt das Motiv der
Tannenzapfen verwendet. Dann Fichtengezweig, Eich-
hörnchen und Bärenköpfe. Statt der antiquirten
Eierfrieſe, Mutulifrieſe und Balkenköpfenfrieſe findet
ſich ein ebenſo origineller und einfacher, wie gut
gelungener Fries von gekreuzten Baumäſten. Ferner
ſind Motive aus der Holzſchneidetechnik und Kerb-
ſchnittornamentik reichlich verwendet, unter den
letzteren auch die unter dem Namen finiſche
Grnamente“ bekannten. Beſonders vorzüglich iſt das
kleine Portal in der Michaelsſtraße. Hier haben wir
junge Kunſt, Renaiſſance-Kunſt und nationale Kunſt.
Ja, in mancher Beziehung erinnert dieſe Kunſt an
die Periode der frühromaniſchen und brzantiniſchen
Kunft. Das gilt von dem myſtiſchen Zug, von der
Empfindungsfriſche und dem Empfindungsreichthum,
der Raivetät in der Derwendung der Naturformen.
Aber dabei haben wir hier ſchon einen Formenſinn,
wie er entwickelter kaum in der Blütkeperiode der
Uunſt geweſen iſt.

Alles in Allem genommen haben wir hier ein
höchſt bedeutungsvolles Monument einer neuen
Blütheperiode der Kunſt vor uns, endlich einmal ein
architektoniſches Kunſtwerk, den Anfang hoffentlich
einer neuen Entwickelung. Man wird nun vielleicht
fragen, ob denn die finiſchen Architekten ein ſolches
werk mit einem Male aus dem Boden geſtampft
haben, ohne daß ſie irgendwo einen Anhalt gefunden
hätten. In der That hat es ſeine Vorläufer; ſein
Charakter im Allgemeinen iſt ſkandinaviſch, und in
dem Aufbau wie in den Einzelformen iſt es von der
Stockholmer modernen Profanarchitektur beeinflußt
und ohne letztere nicht denkbar. Im Beſonderen
erinnert das oberſte Geſchoß mit der Burgwehr und
den Halbthürmen und die Portale an verwandte
Stockholmer Bauten. Selbſt in den Skulpturen
klingen ſchwediſche und norwegiſche Beminiscenzen
nach, wie auch Steinbildhauer aus Vorwegen ſie


jolas-Haus genug Griginalität und feines Kunft-
gefühl, daß die oben gegebene Werthſchätzung auf-
recht erhalten werden darf.

S
Jan Bosboom.

Von L. Garſchagen.
(Hierzu die Abbildung.)

AI man die Säle des Muſeums der

niederländiſchen Beſidenz durchwandelt, ſo
ſtutzt man unwillkürlich bei dem Anblick eines eigen-
thümlichen Monumentes, das anſcheinend den
Schwanengeſang eines dahingeſchiedenen Meiſters zu
künden beſtimmt war. Ein unvollendetes Gemälde
trauert als letzter Zeuge rüſtigen Schaffens auf der
Staffelei ſeines Meiſters, und zur Seite gelegte
Geräthſchaften ſcheinen reden zu wollen von den
raſtloſen Händen eines Mannes, deſſen Daſein Zer
Uumſt geweiht war. Während der Haag das An-
denken ſeines Meiſters Jan Bosboom in dieſer
pietätvollen Weiſe zu ehren wußte, hat ſich die
Metropole Amſterdam den Vorzug nicht nehmen
laſſen, denſelben Künſtler durch eine Ausſtellung
zu feiern.

Den Mitgliedern der Uunſtgeſellſchaft „Arti et
Amieitiae‘, welche 225, zumeiſt in Privatbeſitz be-
findliche Schöpfungen Bosbooms in ihren Räumen
vereinigte, iſt ein unvergeßlicher Genuß zu verdanken.
würdig ſchloß ſich genannte Sonderausſtellung der
Beihe ihrer Borläuferinnen an und verſchaffte dem
Beſchauer einen nachhaltigen Einblick in die Ent-
wickelung und das reiche Ergebniß dieſes künſtler-
[ebens. Begonnen hatte es am 18. Fehruaxr 1817
im Haag. Als ſich das Talent des Knaben zu
regen anfing, ſchickte ihn Bosboom Hater, ein Staats-
beamter, in das Atelier des benachbarten Malers
3, . van Hove. Wie ſo oft, überholte der Zchüler
ſeinen Meiſter, obwohl van Ropes traditionelle, biedere
Kunft dem jungen, aufſtrebenden Geiſte manche An-
regung verſchaffte. Bosboom wußte ſeiner Manier
neue Seiten abzugewinnen.

So tritt er vielverheißend mit 18 Jahren in die
Geffentlichkeit und überkaſcht die Beſucher der
Rotterdamer Ausſtellung durch eine Darſtellung der
„St. Janskerk zu Herlogenboſch“. Gleich ſetzt er
mit wuͤchtigen Toͤnen ein, um ſein Lieblingsthema —
das Innere der Domkirche — ſpäter in ſtets neuen,
originellen Wendungen wieder anzuſchlagen. Ein
Jahr ſpäter wird ſein Stadsgezicht met ſchepen“
Blick auf eine Stadt mit Schiffen) durch die erſte
Mredaille in Amſterdam ausgezeichnet, und bereits
mit 23 Jahren wird dem jugendlichen Meiſter die
große Medaille zuerkannt, In gleicher Weiſe häufen
fich die Ehrungen, bis die Dollendung ſeiner Kunſt
in Oem Kteiſterwerke der „St. Jakobskerk te s'
Gravenhage“ durch den belgiſchen Bitterorden ge-
feiert wird.

Als Lebensgefährtin wählte Bosbgom im
Jahre 1861 Ddie bekannte Schriftſtellerin Gertruida
Touſſaint. In ſeltener Uebereinſtimmung gehörte
die Gedankenwelt Beider der vergangenheit an.
Ihre romantiſche Neigung entlehnte die Geſtalten in
Zchrift und Farbe dem 12 Jahrhundert. Bosbooms
Altelier, welches er immer wie der in neuer, über-
 
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