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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 2
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Garschagen, L.: Jan Bosboom
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Der Kunsterziehungstag in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0033

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25

kloſters. Schwere, alterthümliche Bücherſchränke ſind
zum Theil geöffnet und laſſen die Beihen bunter
Einbände blicken. Verſenkt in die Weisheit der
väter ſitzen und ſtehen, belehrend und lernend, gruppen-
weiſe die Jünger der Wiſſenſchaft an ſchwerfälligen,
alten Leſepulten. Wiederum erheitern goldene Licht-
ſtrahlen die ernſte Szene. — In gelungenem
Kontraft hierzu ſtehen die Schilderuſigen der Klofter-
küche. Die farbigen Effekte der umherliegenden
Kräuter und Pflanzen, der flackernde, offene Heerd
aus dunklem Hintergrund und Speiſe bereitende
Kuttengeſtalten bilden auch hier in mannigfachen
Darſtellungen anziehende Bilder des Kloſterlebens.

Was endlich die Technik des Meiſters betrifft,
ſo läßt ſich eine ähnlich intereſſante Entwickelung
beobachten. Seine Jugendarbeiten verrathen noch die
ſorgſame und ängſtliche Malweiſe der älteren Richtung,
die er in den Werken der folgenden Epochen glücklich
überwindet. Seine ſpätere Technik bringt dann ſeine
reife und ſelbſtändige Kunſt zur vollen Geltung.

S
Der Runſterziehungstag in
Dresden.

8 on einem Dresdener Komité, das die Frage der
künſtleriſchen Erziehung der Schuljugend
&° zu löſen ſich für beſonders berufen hält, war
zum 29. September ein „Kunſterziehungstag“ angeſetzt
worden. Daran hatten ſich zahlreiche Geladene, darunter
Delegirte von ſtaatlichen und ſtädtiſchen Behörden, Der-
einen 2c., betheiligt. Vorſitzender war Herr Geheimer Be-
gierungsrath Dr. von Seidlitz aus Blaſewitz. Unter den
Anweſenden fehlte freilich ſo Mancher, der in dieſer Frage
wohl auch ein wichtiges Wort zu ſagen gehabt hätte, der
aber nicht geladen war, ganz einfach weil er nicht zur
Fahne des Herrn von Seidlitz gehörte. Die pädagiſchen Ab-
ſichten der Dresdener Herrn an ſich ſind anerkennenswerth, und
unſere Zeitſchrift hat oft genug Gelegenheit gefunden, wie
in der Frage der Zeichenunterrichts-Reform an den höhern
Schulen, ſich überhaupt über die künſtleriſche Erziehung der
Jugend zu äußern. Es wird aber im Allgemeinen viel zu
viel geredet und dann wenig genug nach den Beſchlüſſen
gehandelt; ſcheint es doch ſo, als ſei es manchem der
lauteſten Sprecher vor Allem darum zu thun, daß ſeine
ſchöne Rede in den Blättern gedruckt werde. Die Sitzung
im Glympia-Saale des Albertinums beſchränkte ſich auf
die bildende Kunft. Nicht eine Umgeſtaltung der Grund-
lage der Schulen, ſondern lediglich eine Ergänzung der
heutigen Schulbildung ſollte ins Auge gefaßt werden.
man wollte auch weniger über die allgemeinen Grund-
prinzipien debattiren, als vielmehr praktiſche Anregungen
gewähren und empfangen, unter Hinweis auf die nächſt-
jährige Chemnitzer Lehrerverſammlung, die bereits als
erſten Punkt ihrer Tagesordnung die Frage der „Be-
deutung der Lunſt für die Erziehung“ aufgeſtellt hat.

Als erſter Redner ſprach Lehrer R. Boß-Hamburg
über „Das Kinderzimmer“ und charakteriſirte die Spiele
der Kinder vom äſthetiſchen Standpunkte. „Die künſtleriſche
Erziehung hänge mit der Löſung der ſozialen Frage (!)
zuſammen. Je weiter man auf dieſer Seite komme, deſto
eher werde auch die Frage der künſtleriſchen Erziehung

gelöſt werden.“ Prof. Th. Fiſcher ſprach ſodann über das
Schulhaus und polemiſirte namentlich gegen den Alaſſizis-
mus, der bisher auf dieſem Felde tonangebend geweſen
ſei. Der Vorſitzende Dr. von Seidlitz erging ſich in wenig
originellen Ausführungen über den Wandſchmuck in
Schulen. Er redete beſonders der farbigen Lithographie
und der Heranziehung nur erſter Kunſtkräfte das Wort.
Sonſt redeten noch Lichtwark, Hamburg, in ſeiner bekannten
Manier ſehr von oben herab, Dr. Pauli, Bremen, über
das Bilderbuch, Prof. Konrad Lange, Tübingen, und
mehrere andere Herrn, von denen Jeder etwas Anderes
für das wichtigere in dieſer brennenden Frage der künſt-
leriſchen Erziehung der Schuljugend unterſtrich.

Bemerkenswerth, wenn auch nicht durchweg über-
zeugend und ſchließlich zu weitgehend, waren die zuſammen-
faſſenden Ausführungen von Prof. K. Lange. Wir be-
gnügen uns aus dem Vortrage die nachſtehenden Sätze
wiederzugeben, um den Gedankengang des Bedners zu
kennzeichnen. „Die Idee, um die es ſich handelt, heißt
Erziehung des Kindes zur äſthetiſchen Genußfähig-
keit. Nicht etwa ſollen alle Kinder zu Künſtlern erzogen
werden. Wollte man dem Kinde etwa in der Schule die
Meinung beibringen, als ob es ſelber erfinden, ſelber in
die tiefſten Geheimniſſe der künſtleriſchen Produktion ein-
dringen könne, ſo würde ſich darin eine Verachtung der
großen ſchöpferiſchen Kunſt ausſprechen, die genau das
Gegentheil von dem bewirken würde, was bezweckt wird.
Im Sinne des guten Dilettantismus, der die Menſchen
beſcheiden macht, wollen wir unſerem Volke gute Di-
lettanten, unſerer Kunſt ein dankbares und begeiſterungs-
fähiges Publikum erziehen. Kunſtgeſchichte oder Aeſthetik
als neues Unterrichtsfach in unſeren Schulen ſoll als un-
zweckmäßig durchaus ferne gehalten, ebenſo wenig ſoll etwa
die ethiſche oder religiöſe Erziehung verdrängt, oder ſchließ-
lich der Glaube verbreitet werden, die Kunft könne die
ſoziale Frage löſen.. Die ganze kunſtpädagogiſche
Reform geht dahin, die künſtleriſche Erziehung der Jugend
einmal wieder in engerer Verbindung mit der Natur,
dann aber auch.in engere Verbindung mit der lernenden
kKunſt zu bringen. Es handelt ſich nicht um verſtandes-
erziehung, nicht um Abrichten zu techniſcher Geſchicklichkeit
(äußerliche Routine), nicht um beſtimmtes theoretiſches
wiſſen, es handelt ſich vielmehr darum, das künſtleriſche
Gefühl auszubilden, die Hand dem Auge und dem Gefühl
dienſtbar zu machen. Das Wort iſt natürlich dabei nicht
zu entbehren, die theoretiſche Unterweiſung ſoll ſich aber
nicht vordrängen. Da die Uunſt ihrem Weſen nach etwas
Freies, Spielendes, Gefühlsmäßiges hat, ſoll ſie bei der
Erziehung nicht verſtandesmäßig angefaßt und ſoll das
Kind nur durch Luſt und Liebe zur unſt erzogen werden. . . .
Ohne Methode geht es in der Erziehung allerdings nicht.
Aber alle Methoden, die das Hind langweilen, die einen
vorwiegend mathematiſchen oder hiſtoriſchen Charakter haben
oder beidenen das Kind zu leerer Schönrednerei verführt wird,
verwerfen wir. . . . Der Zeichenu nterricht, der künſt-
leriſch wirken ſoll, kann aber nur auf die Natur begründet
und auch nur von künſtleriſch gebildeten Zeichenlehrern
ertheilt werden. Durch dieſe naturaliſtiſche Reform
des Kunſtunterrichtes wird unſere Jugend auch wieder in
engere Verbindung mit der lebendig ſchöpferiſchen Kunft
der Gegenwart kommen. Denn das Geſunde und Dauernde
dieſer modernen Kunft iſt gerade der enge Zuſammenhang
 
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