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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 5
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Gustav, Leopold: Die VIII. intern. Kunstausstellung, Schluss [2]
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Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0086

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Zwielicht eines verlaſſenen Gemäuers; „blaue Re-
flexe“ läßt Lionne auf ſeinem mit Verve gemalten
Halbakt ſpielen. Cairati taucht ſeine ſehr ſorgfältig
modellirten Körper in ein roſiges Licht, ohne daß
ſeine Malerei dadurch ins Süßliche fällt. Groſſos
Bildniß einer Ariſtokratin iſt eine elegante Leiſtung;
das Portrait ſeines Vaters aber iſt ein erſtrangiges
Werk. Der furchendurchgrabene Kopf iſt prachtvoll
modellirt und die ſchäbigen Stellen des einfachen
Bockes ſind mit großem Können koloriſtiſch aus-
genützt.

Von den Sälen der Skandinavier, welche über-
haupt viel keck zugreifende und geſunde Malereien
zeigen, erſcheint die ſchwediſche Kollektion die
friſcheſte. Sorns Bildniß des Prinzen Karl iſt ein
Meiſterſtück. Von hellem Hintergrund erhebt ſich die
hellblaue Uniform, in ganz kalten Tönen gemalt!
Die für die Malkunſt ſo ſpröde Aufgabe, bunte Sol-
datenröcke künſtleriſch wiederzugeben, iſt hier bewun-
derungswürdig gelöſt. Von Liljefors: Ein Schwarm
Eidergänſe in vollem Flug über das glitzernde Meer.
Mit welchem Elan iſt das gemalt! Ankarkronas
Schneelandſchaft, über die ſich ein ſelten klarer


Kallſtenius und Prinz Eugens Bilder, das ſind alles
Gemälde, die ein inniges und tiefes Verhältniß der
Künſtler zur heimathlichen Scholle künden. Bichard
Bergh hat ein junges Paar auf eine Veranda geſtellt,
den Blick auf die abendlich dämmernde, im roſigen
Zchein reichbelebte Landſchaft gerichtet. Das iſt ohne
jede ſentimentale Nüance ſchlicht gegeben und in
großen Zügen gemalt. Von Porträts nenne ich
dasjenige eines Philoſophen und eines Dichters, vom
Grafen Boſen ſehr markig modellirt, während das
Bildniß König Oskars langweilig und froftig - re-
präſentativ iſt. Larſſons Bildniſſe haben feine Qua-
litäten; Japans Kunſt hat ihm für ſeine Art man-
cherlei Anregung gegeben.

Norwegens und Dänemarks Bilder ſind
leider nicht nach modernem Prinzip gehängt, hier
ſtößt Rahmen an Rahmen und ſtört das Eine die
Wirkung des Anderen. Eilif Peterßen iſt von den
Norwegern als erſter zu nennen. Einerlei, ob er
einen am Schreibtiſch ſitzenden Gelehrten porträtirt,
oder ob er ſeine großen Landſchaften malt, immer
ſpricht eine Größe der Auffaſſung aus ſeinen Werken,
eine Ruhe der Kompoſition und Harmonie der Aus-
geſtaltung. Stenerſens Johannisnacht iſt mit einem
feinen, maaßvollen Kolorismus gemalt; ein hervor-
ragender Schneemaler iſt Gloerſen. Thaulows „Alte
Schelde bei Gudenarde“ iſt wieder ein prächtiges
Stück durchſichtiger Waſſermalerei; auch Krogk darf
daneben genannt werden. Zu Edvard Munch ver-
mag ich immer noch kein Verhältniß zu gewinnen. „Die
Kranfe“ iſt das beſte Bild; in den Zügen liegt
wirklich bereits etwas Weltentrücktes!

Bei den Dänen erfreut vor Allem die ausge-
glichene Künſtlerſchaft P. S. Kröyers. Sein Bild
Griegs mit Frau am Klavier iſt ganz vortrefflich; in
iedem Detail echt und doch nicht kleinlich. Ein
ausgezeichnetes Stück Freilichtmalerei bietet Ring.
Ein junges Mädchen ſteht an der Gartenthüre; es
iſt ungeſchminkte Wirklichkeitskunſt, mit ſehr großem
Können geſtaltet. Jerndorf und Hou ſind unter den
Porträtmalern hervorzuheben. Beide wiſſen ihre
Menſchen ſo zu ſchildern, daß man unwillkürlich
lebhaftes Intereſſe für ſie gewinnt. Zahrtmann iſt in
den Lichtwirkungen eminent, und auch das Veben-
ſächliche malt er mit ſeltener Plaſtik. Die ſtürmiſche

See wie die Marine überhaupt beſitzt in Helſted
einen Schilderer von außerordentlicher Technik. Mit
großzügigen Landſchaften ſind Achen, Knud Larſen
und Wendorf vertreten, denen noch Jeſperſen, Kabell
und Hinrichſen als ſtarke Individualitäten beizuge-
ſellen ſind.

Sum Schluſſe komme ich zu den Ruſſen; nicht
als ob ſie künſtleriſch in den Nachtrab gehörten.
Der in München lebende Franz Bouband, deſſen
Tſcherkeſſen wieder mit viel Lebensechtheit genialt
ſind, hat die Kollektion zuſammengebracht. Man
ſagt, daß mancher junger Künftler fehle, den kennen
zu lernen von Intereſſe geweſen wäre. Ein Tolſtoi-
Porträt ſtellt Repin aus. Dieſer barhäuptige und
barfüßige Greis im Bauernkleide kann uns nicht viel
ſagen. Es iſt kein großgeſehenes Bild, über die Be-
obochtung der naturaliſtiſchen Einzelheiten iſt das
Geiſtige zu kurz getheilt worden. Ein wundervoll
flüſſig gemaltes Porträt bietet Boris Kuſtödief. Es
iſt ein junger Mann im Biedermeierkoſtüm unſerer
Tage, in Charakteriſtik wie Malweiſe gleich bedeutend.
Purwitts Bilder der Schfneeſchmelze ſprechen auch
von ganz beſonderem Können, hinter denen alles
Andere zurückſteht.

Wiener Kunstbrief.

n der Gallerie Miethke findet die Ausſtellung
G zweier hier wenig gekannter czechiſcher Künftler,
*— Mar Svabinsky und Antonin Slavicek, große
Beachtung. Beide Künſtler ſind intereſſante Perſönlich-
keiten. Spabinsky iſt die tiefere und ſelbſtſtändigere. Eine
ganze Beihe von Federzeichnungen, darunter zahlreiche
Porträts, überraſchen durch die kräftige und ſichere Art
ihrer Technik, die, voll einſetzend, bei aller Beachtung des
Details doch Geſammteindrücke von markigſter Unmittel-
barkeit erzielt. Die realiſtiſche Auffaſſung des Charakte-
riſtiſchen weiß Svabinsky in glücklichſter Weiſe mit einer
phantaſievollen und geiſtreichen Individualiſirung im Tech-
niſchen zu verbinden. Man fühlt überkaupt faſt aus jedem
Federſtrich, daß Bildung und Geiſt die maleriſchen Anlagen
des Künſtlers bedeutſam fördern und entwickeln halfen.
Er bleibt mit ſeinen künſtleriſchen Arbeiten nicht im
Rahmen ſeiner Kunſt ſtecken, fremde Werthe und Kei-
gungen vertiefen ſeine Schöpfungen und geben ihnen ein
Bedeutſames der Erſcheinung, das ſie über momentane
Wirkungen zu tieferen, bleibenden Eindrücken erhebt. Es
ſind vornehmlich Federzeichnungen — darunter die Porträts
der Dichter Maeterlinck, Vrchlicky, Zeyer, Svatopenk Cech,
Jaro Hilbert und Hugo Salus (die beiden Letzteren in
Kohle) — ſowie einige Typen als Studien (altes Weib,
Bauerntypus), welche durch ihre eminente Charakteriſirung
und Kraft des Ausdrucks überraſchen. Bei den Typen
zeigt ſich die wuchtige Art des Künſtlers — bei allem
Geiſt und dem Baffinement ſeiner Technik dennoch die
Erſcheinung einheitlich und großzügig feſthalten zu können.
Ein Meiſterſtück hierin iſt „Der Webſtuhl“. Ein Gelge-


Poeſie des Ausdrucks. Eine gewiſſe Strengheit im Kolo-
riſtiſchen vertieft die Wucht des Geſammteindrucks. Der
zweite der beiden Künſtler, Ant. Slavicek, iſt gleichfalls
durch eine ganze Beihe vortrefflicher Arbeiten vertreten.
Die ſtark wirkende Perſönlichkeit Svabinskys aber fehlt
 
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