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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 9
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Thomas, Bertha: Londoner Kunst, [1]
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Das Zollgesetz und die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0156

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kondoner Kunſt.

von Bertha Thomas Kondon.

Die letzten Monate des verfloſſenen Jahres
brachten uns drei kleinere, doch immerhin erwähnens-
werthe Ausſtellungen. An zweien hatte ſich
whiſtler hervorragend betheiligt, und ſein inter-


of Portrait Painters, New Gallery, ausgeſtellt ge-
wefene „In Violet and Blue-the red Feather“; ein
entzückend gemaltes Bruſtbild eines jungen Mädchens,
die Drapirung der Büſte, wie der Titel beſagt, in
violetten und bläulichen Tönen gehalten. Das Haar
iſt um den wohlgebildeten Kopf in graziöſer Weiſe
hoch genommen und über der Stirn durch eine hell-
rothe, durchſichtig erſcheinende Feder geſchmückt, die
wie ein Pfeil darin ſteckt. Der erzielte Effekt iſt
äußerſt originell und anmuthig. In einem andern
Phantaſie⸗Bildniß, ebenfalls Bruſtbild eines jungen
Mädchens, doch bleich in Farbe und mit geſenktem
kopf, genannt: „The golden Lily“, welches die
„International Society of Artiſts? aufwies, fanden wir
des Künſtlers Eigenart lange nicht ſo bekundet, wie
in der „Neighbours“ (Nachbarinnen) betitelten Studie
zweier alter Klatſchweiber, die anſcheinend zwar nur
in leichten Umriſſen hingeſtrichen, doch wunderbar
lebendig und naturwahr wirkt. Dieſe beiden Bilder,
eine kleine Aktſtudie, „Phryne“, und eine Tandſchaft,
im Ganzen vier Werke, hatte Whiſtler der letzt-
genannten Vereinigung, deren Präſident er iſt, ge-
ſchickt. Die nach mehrjähriger Unterbrechung wieder
aufgenommene Thätigkeit der Geſellſchaft haben alle
hieſigen Kunſtfreunde mit Freude begrüßt, wenn auch
Zerade dieſe Ausſtellung längſt nicht die Bedeutung
der früheren erreicht hat. Unter den Beiträgen vom
Ausland war Renoir's „La Promenade“ am her-
vorragendſten. Knopffs „Becluſe“ gab von der
individualiſtiſchen, obwohl etwas krankhaften Manier
des belgiſchen Malers einen guten Begriff. Nicol
Jungmannchatte zwei, zwar nicht beſonders inter-
eſſante, doch mit Kraft gemalte Porträt-Köpfe in
Aquarell vom alten holländiſchen Bauerntypus bei-
geſteuert. Wie es indeſſen ſcheint, läßt ſich der im
Prinzip ſo löbliche „internationale“ Charakter der
veraͤnſtaltung in der Praxis eben ſchwer aufrecht
erhalten. Weit bedeutender als hier iſt das Ausland
durch vier Bilder Lenbachs in der New Gallery
vertreten worden — ſein
Bildniß Kaifer Friedrichs, das Porträt einer Mar-
quiſe Paulucci, das der kleinen Gabriele von Lenbach
und endlich eine Leinewand, auf der der Künſtler
mit ſeinem Töchterchen zu ſehen iſt. Da unſerem
außerhalb der Künſtlerkreiſe ſtehenden Publikum die
Erzeugniſſe des Meiſters großentheils nur dem Ruf
nach bisher bekannt geweſen, haben die hier ausge-
ſtellten auf die Allgemeinheit noch eine beſondere
Anziehungskraft ausgeübt, abgeſehen von dem hohen
künſtleriſchen Werth an ſick.

An dem halben Dutzend Bildern, die G. S.
watts in derſelben Gallerie hatte, zeigt ſich keine
Spur einer Abnahme ſeiner Kraft. Der charakte-
riſtiſche Kopf John Burns', des bekannten Vor-
kämpfers in der Arbeiterfrage, iſt eine der vorzüg-
lichſten Leiſtungen in der ſtattlichen Beihe ſeiner
Bildniſſe berühmter Zeitgenoſſen. Man muß die
künſtleriſche Bedeutung dieſer Porträts um ſo höher
ſchätzen, als ſich die Mehrzahl der engliſchen Bildniß-
maler mit photographiſcher Treue begnügt. Andere


erfaſſen irgend einen flüchtigen Beiz in Miene
oder Bewegung und bringen damit ſchließlich
vielleicht ein hübſches Gemälde zu Stande, ohne
indeß dadurch Anſpruch auf eine volle und charak-
teriſtiſche Wiedergabe des Modells erheben zu können.
Einer von den heute Maßgebenden iſt Zohn Lavery,
einſt zur Glasgower Künſtlergemeinde gehörend.
Laverys ſtets künſtleriſch aufgefaßte Damenbildniſſe
zeichnen ſich durch den milden Ton einer vornehmen
Eleganz aus, die wir geneigt ſind, mehr dem Ge-
ſchmack des Malers, als dem der ihm ſitzenden Mo-
delle zuzuſchreiben. Iſt ihnen doch dieſer Zug, der
unſerer modernen Geſellſchaft in Wirklichkeit nahezu
abhanden gekommen ſcheint, auf allen Porträts
dieſes Künſtlers gleicherweiſe vorhanden, ſo daß die
beſtändige Wiederholung faſt ſchon monoton wird.
Die Werke Hornels ſind alle mit kräftigem Pinſel-
ſtrich gemalt und meiſterhaft in der Farbe behandelt.
Durchaus erfreulich ſind auch die Darbietungen,
ſowohl in der Landſchaft wie im Porträt, des
James Henry, vornehmlich die von ihm im New
English Art Club uns vorgeführten. Dicht neben
Whiſtlers „Red Feather“ in der New Gallery hing
ein Werk ſeines Schülers C. Shannon, dem Jeder
zubilligen mußte, daß der Künſtler die Probe des
Vergleichs durchaus beſtanden hat. Wohl bekundete
ſich ſeine Sympathie im Ziel und Streben mit dem
Meiſter, doch nichts von ſklaviſcher Nachahmung,
während ſeine eigene Individualität charakteriſtiſch
und harmoniſch hervortritt. Das Bild iſt Selbſt-
porträt, gemalt in gedämpftem Licht, jedoch, wie bei
Shannon ſelbſtverſtändlich, durchaus frei von unbe-
ſtimmter, ſchattenhafter Behandlung. Feinheit und
Sicherheit in der Zeichnung iſt mit kräftiger Pinſel-
führung, geiſtige Vertiefung mit ſeeliſcher Stimmung
gepaart. Dieſes und noch zwei andere Bildniſſe her-
vorragender Qualität haben endlich das Intereſſe
des großen Publikums auf den hochbegahten Künſtler
gelenft, dem nur Eines verhängnißvoll zu werden
droht — ſeine zu weit getriebene Verachtung der
leichten Mittel und gefälligen Effekte, ſein beſtändiger
Hang, über das menſchliche Können hinaus zu ſtreben;
das rein Innerliche darſtellen, für das ins Male-
riſche Unüberſetzbare den Ausdruck finden zu wollen.
Solche zu weif gehenden Anſprüche an die eigene
Kraft können zur Unfruchtbarkeit führen. id
Schluß folgt.)

Das Zollgeleß und die Kunit.

ie Zolltarif-Kommiſſion des deutſchen Reichs-
tages behandelte neulich in mehrſtündiger
Debatte das Kapitel „Kunft und Wiſſenſchaft“.
Die Begierungsvorlage wollte Kunſtſachen des Aus-


öffentliche Kunſtanſtalten und Sammlungen beſtimmt ſind;
für Kunſtausſtellungen würde ein Gleiches gelten, falls das
Urſprungsland Gegenſeitigkeit gewährt. Zwei Gegen-
anträge empfehlen vollſtändige, bezw. Erweiterung der
Zollfreiheit, ſelbſt im Falle Gegenſeitigkeit nicht vor-
liege. Wir unterlaſſen es nicht, mit kurzen Worten den
verlauf jener wichtigen Debatte wiederzugeben. ;
Abgeordneter Gothein Ereiſe Vp) macht auf den in
Deutſchland ſehr entwickelten, ein wichtiges Gewerbe
 
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