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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 23
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Marasse, Margarete: Am Hofe der Gonzaga, [2]
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Harrach, Max: Düsseldorf 1902: Deutsch-nationale Kunstausstellung, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0407

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Yer. 23


Or

ſich nicht vorſtellen, wie er in ſo beſchränktem Raum
ſo viele Straßen, Paläſte, ſeltſame Tempel, Loggien
einfügte und ſo trefflich dem Rahmen anpaßte, daß
ſie nicht künſtlich, ſondern wirklich erſchienen, und der
Platz nicht klein und gemalt, ſondern wahr und
rieſengroß.“

Nach dem Tode ihres Gatten bezog Iſabella
die Camerini in der Corte Reale, wo ſie noch 20
Jahre lang als eine der vornehmſten und bedeutendſten
Frauen ganz Italiens im lebhafteſten Verkehr mit
allen Geiſtes⸗Heroen ſtand, ihren Studien hingegeben,
mit feinſtem Verſtändniß allerlei Sammlungen an-
legte. Die Räume, die ſie bewohnte, ſind noch heute
von harmoniſchem Geiſt durchweht. Die kleine
Kemenate, „Paradiſo“ genannt, ein dämmrig an-
heimelnder Raum mit dem ſtolzen Motto der Fürſtin:
„Nec spe nec metu“, muß ein befreiender Ruheplatz
für den humaniſtiſchen Idealismus einer Frau ge-
weſen ſein, die, des äußerlich glänzenden Lebens
ſatt, nach dem feinen Genuß der Vertiefung ſtrebt,
ein ſtummer Fleck mit der Krafterhaltung des Indi-
viduums, der lebhaften Sprache Abgeſchiedener, die
ein kunſtdurchtränkter Wille unvermittelt und ohne die
Hülfe der vierten Dimenſion herbeizurufen vermag. . .

Von einer anderen berühmten Frau aus dem
Hauſe Gonzaga, Giulia, wird uns ein abenteuerliches
Stücklein erzählt. Zur ſelben Zeit, da Vittoria Co-
lonna, die geiſtvolle Freundin Michelangelos, ihre
wundervollen Sonette dichtete, öffuete Giulia Gonzaga
dem höchſten Adel, allen ſchönheitsgewaltigen Künſtlern
und ſtrebenden Gelehrten mit ſchmeichelnder Hand die
Thore ihres Palaſtes. Der junge Kardinal Ippolito
dei Medici, deſſen Porträt von Tizian im Pitti —
der kriegeriſche Kardinal hatte als Befehlshaber der
Truppen gegen die Türken in Ungarn den Maler
aller berühmten Zeitgenoſſen in ſein Lager berufen
— ebenſo wenig an das geiſtliche Amt erinnert als
ſein kurzer romantiſcher Lebenslauf, liebte die ſchöne
Frau unſinnig. Er ſandte Sebastiano del Piombo,
den Meiſter des warmen venetianiſchen Kolorits,
unter der ſchützenden Begleitung von Bewaffneten
nach Fondi an der neapolitaniſchen Grenze, wo die
hohe Herrin Hof hielt, ſie zu malen. Innerhalb
eines Monats wurde das Porträt, das ſeinesgleichen
geſucht haben ſoll, vollendet. Auch der Sultan hörte
von der ſeltenen Schönheit der Frau und verſuchte,
dieſen Edelſtein für ſich zu gewinnen. Das türkiſche
Schiff landete ſonder Fährniß, doch rettete ſich die ſo
vielfach begehrte Giulia bei dem nächtlichen Ueberfall
auf Pferdes Bücken.

Dergleichen geſchichtliche Anekdoten und — «;
Frauen bieten anſchauliche Beiträge zum großen
Roman der Benaiſſance, ſie beweiſen, daß man wirk-
liche Sittenſtrenge gerade in den höchſten Sphären
nicht kannte, daß aber das Becht der künſtleriſchen
Perſönlichkeit auch in den Zeiten der — Gefahr
ſtets zu ſeiner Geltung kam.

Aehnliche Betrachtungen überwältigten den
ahnungsloſen Otello nicht, er verſchwieg mir ſeine
äſthetiſche Bichtung mit männlicher Entſchloſſenheit.
Nur die Gemächer der Zwerge, die Treppchen,
Stühlchen, Tiſchlein der kleinen Geſellen, die einſt-
mals zur Beluſtigung eines Lodovico, Federigo,
Gianfrancesco mit höckerverunzierter Geſtalt im Hauſe
der Gonzaga herumſpazirten, wurden ihm zum Freuden-
quell, erwärmten und erweichten ſeinen kritiſchen Sinn.
Er führte mich dann auf einem Abkürzungsweg an
das Thor von Puſterla, vor dem Gianfrancesco
durch Giulio Romano ſein neues Schloß, den Palazzo
del Te, eigentlich Tajetto, erbauen ließ. Seine Er-
zählungen aus des Künſtlers Leben, die ihm augen-
ſcheinlich in der Schule in der populären Daſariſchen
Faſſung beigebracht worden waren, vertrieben mir
die Grillen in der eisgrauen Nebelluft, die in ver-
dichteten Tropfen auf die verſchlafene Erde fiel.

„Si, si — damals waren die Maler große Herren,
nicht ſo poveri diavoli wie jetzt“, — er ſchnitt eine
Grimaſſe —. „Der Markgraf ließ den Giulio aus
Rom kommen und ſchenkte ihm ein Haus. Das
können der Signore in der Via Carlo Pomo noch
ſehen, einſtmals war es außen und innen bemalt,
mit Stucco verziert und mit Alterthümern angefüllt.
Sammt und Seide, ſich höfiſch zu kleiden, ſchickte ihm
der freigebige Principe, Diener und Koch, ihm zu
dienen mit Speiſe und Trank, und ein ſtolzes Roß,
das hieß Luggieri. Gleich ritten Fürſt und Farben-
kleckſer vor dies Thor, daß die Funken ſtoben. Hier
auf dieſem Grund und Boden tummelte ſich damals
das herzogliche Geſtüt herum, und Sua Eccellenza
gaben zunächſt nur den Auftrag für ein ländliches
Abſteigequartier. . . Ich bin nicht unzufrieden mit der
Löſung der Aufgabe, doch mag der Herr ſelber ur-
theilen, es fehlt ihm ja nicht an ungetrübten Augen.

Ein Kuſtode, ein wunderlicher Heiliger, der mir
durch ſeine Beredtſamkeit nicht gerade den Stimmungs-
zauber raubte, öffnete mir die Pforten, ohne meine
Bewegungen weiter zu verfolgen.

Schluß folgt.)

*
dullelcork 1902.

Deufich-Nationale Kunſt-

dusſtellung.
Von Max Harrach.

17

ie unter dem Ehrenvorſitz des kürzlich ver-
ſtorbenen Erzbiſchofs Simar von Köln
veranſtaltete Kunſthiſtoriſche Aus-
ſtellung führt den Beſchauer in die Vergangenheit
der an künſtleriſchen Ereigniſſen ſo reichen rheiniſchen
Lande zurück. Einen Ueberblick über die geſchichtliche
 
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