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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 2
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Stahl, Fritz: Lehren der Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0028

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Nr. 2

D i e

K u n st - Ls a l l e.

uilverhälülißnläßig viel und guten Platz fort. Ls ist
durchaus uothwendig — alle Berliuer Künstler müssen
darin einstimmig sein — das Kartell nut der Düssel-
dorfer Genossenschaft aufzuheben, die Jahr für Jahr
Bilder schickt, die unsere Jury von Berliner Künst-
lern zurückweisen würde. Nur die absolute Indiffe-
renz, auch „Wurschtigkeit" genannt, mit der unsere
Künstler alle ihre Angelegenheiten behandeln, erklärt,
wie es möglich ist, daß sie sich diese ausgesprochene
Schädigung, die alle trifft, immer wieder ruhig ge-
fallen lassen. warum läßt man nicht die Toten ihre
Toten begraben und hält sich an die Lebenden?!
Nachdem unsere Ausstellung aufs Neue erwiesen hat,
daß Berlin als Kunstmarkt fortwährend an Bedeu-
tung gewinnt, so daß selbst, die es bisher wüthend
bestritten haben, es fetzt als selbstverständlich betrachten,
wird die künftige Leitung mit den deutschen Vereinen
bald auf anderer Basis verhandeln können. Sie muß
die Forderung erheben: Gutes oder Nichts! Die
Karlsruher, die jungeu Dresdener uud Düsseldorfer,
ein paar Weimaraner, alles, was vorwärts strebt,
was nur lebt, wird schon kommen. Die Münchener
Rezession wird auch nicht ewig abseits stehen wollen:
mau ist schon ein wenig irre geworden, ob es sehr
tlug war, sich einmal so zu stellen.
Zu einer reinen Berliner, fa nur zu einer reinen
deutschen Ausstellung wird es fa wohl nach den Lr-
fahrungen der letzten beiden Jahre nicht wieder
kommen. Publikum, schauendes und kaufendes, hat
sich unzweideutig für den internationalen Tharakter
erklärt. Kunst und Künstler haben Vortheile, da der
Nutzen des gesteigerten Interesses den Schaden der
Konkurrenz überwiegt.
So ist der künftigen Ausstellungsleitung ihr weg
ziemlich deutlich vorgezeichuet. Line große Rührig-
keit thut Noth, wenn die Berliner Ausstellungen an
künstlerischer Bedeutung und wirthschaftlichem Lrfolg
immer mehr wachsen sollen. Ltwas frisches Blut
kann dabei nur vou Nutzen sein. Ich weiß, man
kann die Praktiker nicht entbehren, aber die anderen
sollen recht ost wechseln. Der Kommissar und Juror
kann die Schmerzen des Ausstellers nicht oft genug
am eigenen Leibe erfahren. Und wer Jahr für Jahr
„drin ist", der kommt gar leicht dazu, auch über
vermeidliche Ikebelstände sich nicht mehr zu beun-
ruhigen.
Und nicht nur Rührigkeit thut Noth, sondern auch
etwas anderes: umsichtiger Takt. Zwei Verfehlungen
sind vorgekommen, die leicht vermieden werden konnten.
Ich würde von ihnen schweigen können, wenn es sich
nur um eine Verletzung von Personen handelte. Aber
es ist ernster. Zur Lröffuungsfeierlichkeit waren
Künstler, Aussteller, nur für eiue spätere Stunde, oder
doch nur in die vom Festsaal abgesperrten Neben-
räume zugelassen, für die Schlußfeierlichkeit waren
die Vertreter der Presse nicht eingeladen worden.

wie gesagt, es handelt sich dabei für mich um
mehr als um die Verletzung der betroffenen Per-
sonen, nämlich um nichts Geringeres, als die Stellung
der Kunst in Berlin. Und fe mehr die Bedeutung
unseres Kunstlebens steigt, um so wichtiger ist es, daß
Kunst und Künstler den gebührenden Rang einnehmen,
wenn die Gesellschaft da fehlt, wenn selbst der Staat,
der fa bei uns noch mehr als anderswo mit den
Resten alter Stände und Kasten rechnet, darin nicht
das Rechte trifft, so mag inan sich darüber grämen,
aber man wird es um so leichter verzeiheu, als man
hoffen darf, die Zeit werde es bessern. Diese Hoff-
nung muß mau freilich fast aufgebeu, wenu man
sieht, wie ein Konnte von Künstlern die Künstler be-
handelt, wie es einem Feste der Kunst so sehr höfi-
schen und militärischen Tharakter verleiht, daß sie, die
als geehrte Hauptpersonen erscheinen sollten, nur uoch
gerade geduldet siud. was können Kaiser und Mi-
nister, was können die sonstigen hohen perren und
Damen für eine Achtung von der Kunst bekommen,
wenn außer deu bethullcheu perren des Komites die
Künstler nur als eiue duukle Ukasse hinter dem Strick
erscheinen. Müssen sie nicht glauben, sie gehörten
dahin, wo die eigenen Genossen sie hingestellt, so ein
Kerl von Maler und Bildhauer sei, mindestens ehe
er Professor ist, so eine Art von Schmarotzer wie ehe-
dem etwa die Gaukler.
während es keines weiteren Wortes bedarf, um
das zu beweisen, dürfte die Behauptung, auch das
Uebergeheu der presse sei geeignet, die Stellung der
Kunst in Berlin herunterzudrücken, welliger schnell
einleuchten. Für so wichtig wie die erste, halte ich
diese zweite Angelegenheit, obwohl gewissermaßen per-
sönlich bctheiligt, auch nicht. Gegenüber den Zei-
tungen, den Redaktionen war dies Uebergehen nur
ein, ich möchte sagen: geschäftlicher Fehler, man hat
Leute beleidigt, dereu Gefälligkeit man gebrauchte
und wieder gebrauchen wird. Uns Kunstkritiker geht
diese Seite der Sache nichts an, unsern Standpunkt
hat bis heute uoch Niemand vertreten, wir aber
kommen bei meiner Betrachtung allein in Frage,
nicht die Zeitungeil. Uns gegenüber liegt ein gesell-
schaftliches Versehen vor: denn wir haben und er-
heben auf eine Lmladung nicht Anspruch, weil
wir der Ausstellung uützen, sondern weil wir in
erster Linie das Kunstpublikum vertreten. Und uns
kann man nicht übergeheil und beleidigen, ohne in
den Augen der Anderen der Stellung der Kunst zu
schaden, in deren Dienst wir mit größerem oder ge-
ringerem Lrsolge stehen, wir haben kein Mittel der
Revanche, wir werden weder in geringerer Aus-
dehnung, noch mit geringerer Sorgfalt in Zukunft
unsere Kritiken schreiben, wie bisher. Unsere gesell-
schaftliche Stellung ist voll ihrer Abschätzung in
Künstlerkreisen nicht abhängig, und unser Linfluß
nicht, persönlich können wir uns fa über die ein-
zelnen Künstler auch uicht beklagen, weuu wir also
 
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