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- Die Kunst-Pall e.
Nr. 2
höchst seltsam, daß der Meister nicht auf diesem Wege weiter-
gegangen ist.
Von Uhde sieht man neben einem völlig, aber auch
völlig verunglückten „jungen Tobias" eine sehr schöne
„Flucht nach Aegypten." Tine Mondnacht, von den Hellen
eine, in denen alles in silbernem Lichte schwimmt, der
Pimmel sich in grünlicher Klarheit aufzulösen scheint. Durch
den Wald auf dem Berge zieht die heilige Familie daher,
ohne eines Engels Führung, ganz auf sich gestellt und
doch wie durch das Licht umhegt und beschirmt. Der Ton
des Bildes ist so zart wie selten bei Uhde, die Empfindung
so fein wie immer.
L. v. Pofmann hat ein kleines Bild ohne besondere
(Dualitäten da, Otto Eckmann eine hübsche Familienszene
ans seiner realistischen Zeit, Albert Keller eine pikante
Studie. Gotthardt Kuehl eine Studie der Dresdener
großen Brücke im Winter. Lenbachs 96er Bismarck steht
hinter anderen Jahrgängen weit zurück. Der pamburaer
Thom. 6 er bst zeigt in seinen Thierbildern noch schotti-
schen Einfluß, aber eine schöne Frische. —
Der pariser Porträtist A. de Gandara hat eine An-
zahl von Lithographien ausgestellt, die sehr reizvoll sind.
Sie sind in der Idee den Kaltnadelradirungcn von pellen
verwandt, sie gehen auf den Umriß und begnügen sich mit
einem Minimum von Linien. Aber sie haben mehr Ton
durch den weicheren Strich der Kreide und durch die Mög-
lichkeit, die Kaare und sonstige dunkle partieen durch Flächen
zu geben. Sie verhalten sich zu den pellenfchen Blättern
wie die Kreidezeichnung znr Bleistiftzeichnung. Die Blätter
fesseln durch die Eleganz der paltung, die Mache ist oft
manirirt. Interessant sind auch die bunten Lithographien
von Alexandre Lunois. Sie haben den Charakter des
Pastells. Der Künstler vermeidet die unangenehme Festig-
keit des Umrisses, die bei uns üblich ist und die den Farben-
druck immer trivialisirt, und weiß seine Farben brillant zu
verwerthen. Eine zarte Schönheit des Kolorits hebt diese
Blätter über die sonst gedruckten, macht sie zu Kunstblättern
in hohem Sinne. Kadirungen von Lei bl verdienen Be-
achtung. Ebenso ein großes Blatt, das Döring nach
Walter Tranes „Wettlauf der Stunden" radirt hat.
K. 8t.
Don Zeit zu Zeit wird inan daran erinnert, daß hinter
der Schaar von Künstlern, die auf der Oberfläche der Aus-
stellungen sich bemerkbar zu machen weiß, auch Einzelne
einen heimlichen Kampf um die Palme kämpfen. Sic sind
von denen, die entweder über Nacht berühmt, gefeiert
werden oder am dunklen Wege der Vergessenheit sterben.
Geht inan hinauf zu ihnen, um nachzusehen und fühlt
man in sich das Eis des Mißtrauens schmelzen beim An-
blick unerwarteter Leistungen, dann möchte man drei Mal
„Wehe!" ausrufen und statt der Feder gleich zu einem
schärferen Mittel greifen, um den Stumpfsinn der klebrigen
zu besiegen. . . Wer kennt eigentlich Alt na Tosten ob le?
Ein Paar Porträts, einige symbolistische Versuche, die sie
selbst als mißglückt bezeichnet, sind Alles, was man ge-
legentlich bei Gurlitt sah. Sonst erfuhr man nichts von
ihr, während sie inzwischen zu größerem Können, zn echten
Empfindungen reifte. Von Güstow und Skarbina mar sie
einst nach München zu Lenbach gegangen. Und dann that's
ihr eine gewisse litterarische Strömung von heute an, daß
sie, um mit den „Jungen" zu gehen, von vorn anstng. Be-
sonders Strindberg und mehr noch przybyszewski mit seiner
ausschweifenden Symbolik des Sexuellen übten Einfluß auf
sie aus. Man möchte sie einen weiblichen Strindberg in
Farben nennen. Sie malte einen Bildereyklus „Die Tra-
gödie des Weibes." Für ihren modernen Frauenstandpunkt
ist der Mann der Dämon des Weibes, dem es sich, aus
jungfräulicher Unschuld gerissen, willenlos ergiebt, um von
ihm in den Abgrund gestoßen zu werden, während in der
Phantasie selbst der Gefallenen er noch als peld leuchtet.
Lin kühner Geist führt die pand dieser Künstlerin, auf
deren blassem Antlitz „der Stempel des Geistes und der
Leiden" ausgeprägt ruht. Man irrt indeß, wenn inan an-
nimmt, daß hier jene Ideenmalerei, die nur litterarisch-
philosophisch interefsirt, vorliege. Die Schöpfungen von Frl.
Tostenoble find vielmehr wirklich malerisch gedacht und
durchgeführt, starke Empfindungen sind durch prägnante
Farbentöne überzeugend ansgedrückt. Sonnig leuchtet die
„Unschuld", düster lodert die „Sinnlichkeit", bleiche
Morgenstimmung ruht auf einem Liebesidyll. Die „Frucht-
barkeit" ist eine färben- und formenwuchtige „Gaea", die
im geöffneten Schoos; den feurigen Strahl des Pimmels
empfängt. Es ist sicherlich nicht Alles fertig auf diesen
großen Flächen, die Dame hängt noch manchmal unfrei am
Modell, sie muß noch zur formalen Freiheit sich empor-
ringen und ihren Geschmack veredeln. Aber das Gebotene
fesselt trotzdem sehr durch kräftige malerische Stimmungen
und eine so echte Größe der Anschauung, daß ich der streb-
samen Künstlerin schon jetzt meinen Beifall nicht vorent-
halten mag. V.
Ruustchronik.
* Berlin. Anfang Oktober wurde der neue Stadt-
baurath Ludwig p offmann in sein neues Amt als Leiter
des Bauwesens der Keichshauptstadt feierlichst eingeführt.
In einer Magistratssitzung knüpfte Oberbürgermeister Zelle
an diese Einführung die besten wünsche für das Schaffen
des Meisters. — Gertraudtcn-Brücke und Weidendammer
Brücke sind die jüngst vollendeten massiven Brückcuschöpf-
ungen. Die erstere hat jetzt den schon angekündigten bild-
nerischen Schmuck von Prof. Sie mering erhalten: Die
Figur der PI. Gertrud, die einen armen jungen Burschen
durch eiueu Trunk aus eurem Kruge labt. Die als Kloster-
frau gekennzeichnete Matrone steht höher als der Jüng-
ling, sie hält eine Spindel mit der Linken, während jener
eine sich sträubende Gans an einen: Faden führt. Die
sinnvolle Gruppe gereicht der vorn Regierungsbaumeister
O. Stahn entworfenen Brücke zu hoher Zierde. — Wie
im vorigen Jahre, so arrangirte die bekannte Firma per-
nrann Gerson auch in diesen: Jahre eine Teppich-Aus-
stellung, die eine erstaunliche Auswahl kostbarer ge-
knüpfter und gewebter Stücke altorientalifcheu und neueren
Ursprungs vereinigt.
* Pannover. Prof, von Liezenmayer-München
hat den neuen, vom Kaiser bestellten 9 m hohen und (2 m
breiten Vorhang für das Poftheater jetzt vollendet. Dar-
gestellt ist phöbos Apollo, der auf wolkenthroue die Leier
schlägt und durch fein Spiel die unter ihm schwebenden
Gruppen von Musen begeistert.
* Dresden. An Stelle des alten Lempels, den Gott-
fried Semper zwischen 1838 und MO unweit der Brühl-
schen Terrasse errichtete, beabsichtigt die jüdische Gemeinde
den Bau einer neuen Synagoge stattlicheren Umfangs.
* Breslau. Für das Rathhaus hat zum Zwecke der
kürzlichen festlichen Ausschmückung Prof. Thristian
Behrens die Figur der wratislavia geschaffen. Dieses
Gelegenheitswerk bezeichnet unser 0. L.-Mitarbeiter als
- Die Kunst-Pall e.
Nr. 2
höchst seltsam, daß der Meister nicht auf diesem Wege weiter-
gegangen ist.
Von Uhde sieht man neben einem völlig, aber auch
völlig verunglückten „jungen Tobias" eine sehr schöne
„Flucht nach Aegypten." Tine Mondnacht, von den Hellen
eine, in denen alles in silbernem Lichte schwimmt, der
Pimmel sich in grünlicher Klarheit aufzulösen scheint. Durch
den Wald auf dem Berge zieht die heilige Familie daher,
ohne eines Engels Führung, ganz auf sich gestellt und
doch wie durch das Licht umhegt und beschirmt. Der Ton
des Bildes ist so zart wie selten bei Uhde, die Empfindung
so fein wie immer.
L. v. Pofmann hat ein kleines Bild ohne besondere
(Dualitäten da, Otto Eckmann eine hübsche Familienszene
ans seiner realistischen Zeit, Albert Keller eine pikante
Studie. Gotthardt Kuehl eine Studie der Dresdener
großen Brücke im Winter. Lenbachs 96er Bismarck steht
hinter anderen Jahrgängen weit zurück. Der pamburaer
Thom. 6 er bst zeigt in seinen Thierbildern noch schotti-
schen Einfluß, aber eine schöne Frische. —
Der pariser Porträtist A. de Gandara hat eine An-
zahl von Lithographien ausgestellt, die sehr reizvoll sind.
Sie sind in der Idee den Kaltnadelradirungcn von pellen
verwandt, sie gehen auf den Umriß und begnügen sich mit
einem Minimum von Linien. Aber sie haben mehr Ton
durch den weicheren Strich der Kreide und durch die Mög-
lichkeit, die Kaare und sonstige dunkle partieen durch Flächen
zu geben. Sie verhalten sich zu den pellenfchen Blättern
wie die Kreidezeichnung znr Bleistiftzeichnung. Die Blätter
fesseln durch die Eleganz der paltung, die Mache ist oft
manirirt. Interessant sind auch die bunten Lithographien
von Alexandre Lunois. Sie haben den Charakter des
Pastells. Der Künstler vermeidet die unangenehme Festig-
keit des Umrisses, die bei uns üblich ist und die den Farben-
druck immer trivialisirt, und weiß seine Farben brillant zu
verwerthen. Eine zarte Schönheit des Kolorits hebt diese
Blätter über die sonst gedruckten, macht sie zu Kunstblättern
in hohem Sinne. Kadirungen von Lei bl verdienen Be-
achtung. Ebenso ein großes Blatt, das Döring nach
Walter Tranes „Wettlauf der Stunden" radirt hat.
K. 8t.
Don Zeit zu Zeit wird inan daran erinnert, daß hinter
der Schaar von Künstlern, die auf der Oberfläche der Aus-
stellungen sich bemerkbar zu machen weiß, auch Einzelne
einen heimlichen Kampf um die Palme kämpfen. Sic sind
von denen, die entweder über Nacht berühmt, gefeiert
werden oder am dunklen Wege der Vergessenheit sterben.
Geht inan hinauf zu ihnen, um nachzusehen und fühlt
man in sich das Eis des Mißtrauens schmelzen beim An-
blick unerwarteter Leistungen, dann möchte man drei Mal
„Wehe!" ausrufen und statt der Feder gleich zu einem
schärferen Mittel greifen, um den Stumpfsinn der klebrigen
zu besiegen. . . Wer kennt eigentlich Alt na Tosten ob le?
Ein Paar Porträts, einige symbolistische Versuche, die sie
selbst als mißglückt bezeichnet, sind Alles, was man ge-
legentlich bei Gurlitt sah. Sonst erfuhr man nichts von
ihr, während sie inzwischen zu größerem Können, zn echten
Empfindungen reifte. Von Güstow und Skarbina mar sie
einst nach München zu Lenbach gegangen. Und dann that's
ihr eine gewisse litterarische Strömung von heute an, daß
sie, um mit den „Jungen" zu gehen, von vorn anstng. Be-
sonders Strindberg und mehr noch przybyszewski mit seiner
ausschweifenden Symbolik des Sexuellen übten Einfluß auf
sie aus. Man möchte sie einen weiblichen Strindberg in
Farben nennen. Sie malte einen Bildereyklus „Die Tra-
gödie des Weibes." Für ihren modernen Frauenstandpunkt
ist der Mann der Dämon des Weibes, dem es sich, aus
jungfräulicher Unschuld gerissen, willenlos ergiebt, um von
ihm in den Abgrund gestoßen zu werden, während in der
Phantasie selbst der Gefallenen er noch als peld leuchtet.
Lin kühner Geist führt die pand dieser Künstlerin, auf
deren blassem Antlitz „der Stempel des Geistes und der
Leiden" ausgeprägt ruht. Man irrt indeß, wenn inan an-
nimmt, daß hier jene Ideenmalerei, die nur litterarisch-
philosophisch interefsirt, vorliege. Die Schöpfungen von Frl.
Tostenoble find vielmehr wirklich malerisch gedacht und
durchgeführt, starke Empfindungen sind durch prägnante
Farbentöne überzeugend ansgedrückt. Sonnig leuchtet die
„Unschuld", düster lodert die „Sinnlichkeit", bleiche
Morgenstimmung ruht auf einem Liebesidyll. Die „Frucht-
barkeit" ist eine färben- und formenwuchtige „Gaea", die
im geöffneten Schoos; den feurigen Strahl des Pimmels
empfängt. Es ist sicherlich nicht Alles fertig auf diesen
großen Flächen, die Dame hängt noch manchmal unfrei am
Modell, sie muß noch zur formalen Freiheit sich empor-
ringen und ihren Geschmack veredeln. Aber das Gebotene
fesselt trotzdem sehr durch kräftige malerische Stimmungen
und eine so echte Größe der Anschauung, daß ich der streb-
samen Künstlerin schon jetzt meinen Beifall nicht vorent-
halten mag. V.
Ruustchronik.
* Berlin. Anfang Oktober wurde der neue Stadt-
baurath Ludwig p offmann in sein neues Amt als Leiter
des Bauwesens der Keichshauptstadt feierlichst eingeführt.
In einer Magistratssitzung knüpfte Oberbürgermeister Zelle
an diese Einführung die besten wünsche für das Schaffen
des Meisters. — Gertraudtcn-Brücke und Weidendammer
Brücke sind die jüngst vollendeten massiven Brückcuschöpf-
ungen. Die erstere hat jetzt den schon angekündigten bild-
nerischen Schmuck von Prof. Sie mering erhalten: Die
Figur der PI. Gertrud, die einen armen jungen Burschen
durch eiueu Trunk aus eurem Kruge labt. Die als Kloster-
frau gekennzeichnete Matrone steht höher als der Jüng-
ling, sie hält eine Spindel mit der Linken, während jener
eine sich sträubende Gans an einen: Faden führt. Die
sinnvolle Gruppe gereicht der vorn Regierungsbaumeister
O. Stahn entworfenen Brücke zu hoher Zierde. — Wie
im vorigen Jahre, so arrangirte die bekannte Firma per-
nrann Gerson auch in diesen: Jahre eine Teppich-Aus-
stellung, die eine erstaunliche Auswahl kostbarer ge-
knüpfter und gewebter Stücke altorientalifcheu und neueren
Ursprungs vereinigt.
* Pannover. Prof, von Liezenmayer-München
hat den neuen, vom Kaiser bestellten 9 m hohen und (2 m
breiten Vorhang für das Poftheater jetzt vollendet. Dar-
gestellt ist phöbos Apollo, der auf wolkenthroue die Leier
schlägt und durch fein Spiel die unter ihm schwebenden
Gruppen von Musen begeistert.
* Dresden. An Stelle des alten Lempels, den Gott-
fried Semper zwischen 1838 und MO unweit der Brühl-
schen Terrasse errichtete, beabsichtigt die jüdische Gemeinde
den Bau einer neuen Synagoge stattlicheren Umfangs.
* Breslau. Für das Rathhaus hat zum Zwecke der
kürzlichen festlichen Ausschmückung Prof. Thristian
Behrens die Figur der wratislavia geschaffen. Dieses
Gelegenheitswerk bezeichnet unser 0. L.-Mitarbeiter als